Gestern wurde bei Spiegel Online über einen neuen Anlauf berichtet, die „bemannte Raumfahrt“ in Europa voranzutreiben. Derzeit sieht es so aus, dass es die Space Shuttles der NASA gibt, die immer noch mit Technik der 1980er Jahre betrieben werden (was auch Vorteile hat, z.B. wenn es darum geht, Daten von der ramponierten Festplatte des Space Shuttles Columbia zu retten) und in den nächsten Jahren nach und nach eingemottet werden sollen, wenn sie so lange durchhalten. Was danach kommen soll, ist noch unklar. Dann gibt es die sowjetischen Sojuz-/Progress-Kapseln aus Russland. Indien und China versuchen, bemannte Raumfahrzeuge zu entwickeln. In der EU wurde vor kurzem das erste ATV Jules Verne gestartet (eine unbemannte Blechdose, die zwar in die Umlaufbahn hinausgeschossen werden kann, aber bei der Rückkehr in die Atmosphäre verglühen würde).
Gebraucht werden all diese Raumfahrzeuge (einmal abgesehen von den asiatischen, die vielleicht mehr etwas mit Geopolitik zu tun haben, und zumindest im Fall Chinas auf Mondlandungen zielen) derzeit vor allem, um die Internationale Raumstation ISS zu erreichen. Auch bei der ist es wiederum nicht so ganz klar, was mit ihr passieren soll – ihre Vorgängerin Mir wurde 2001 bewust abgesenkt und zerstört (Bild oben: ein Ausschnitt aus der Mir-Kopie im Europapark Rust). Die ISS als permanent besetzte Forschungsstation dient vor allem dazu, diverse Experimente unter Schwerelosigkeit durchzuführen – und für relativ viel Geld zu demonstrieren, dass ein dauerhafter Weltraumaufenthalt möglich ist. ISS und Mir sind allerdings weit entfernt von den „Raumhotels“ und „Orbitalstationen“ diverser Science-Fiction-Romane und Zukunftsvisionen der 1960er und 1970er Jahre, wie etwa der Raumstation im Film „2001 – Odysee im Weltraum“.
Zurück zum Vorschlag, europäische Raumfahrzeuge zu entwickeln, die nicht nur nach oben fliegen (Ariane) und an die ISS ankoppeln können (ATV), sondern auch wieder zurückkehren können (2012 unbemannt, 2017 bemannt). Mir ist, deshalb dieser Blogeintrag, nämlich nicht so ganz klar, was ich davon halten soll. Zum einen (da spricht der langjährige SF-Leser aus mir) ist auch die bemannte Hin-und-Rück-Version der ATV nicht sehr viel mehr als die Blechdose, und damit enttäuschend wenig. Ein eigenständig startendes und landendes wiederverwertbares Raumfahrzeug sieht anders aus. Das wäre allerdings noch deutlich aufwendiger und teurer. Damit sind wir beim „zum anderen“ (der skeptische Grünen-Politiker etc.) – macht es überhaupt Sinn, bemannte Raumfahrzeuge zu entwickeln, um so etwas wie die ISS am Leben zu erhalten? Ich habe zwar mal in einem Schulaufsatz in der zehnten Klasse oder so geschrieben, dass die bemannte Raumfahrt total wichtig wäre, um letztlich Raumsiedlungen haben zu können, auch als eine Art Plan B für planetare Katastrophen – aber so ganz überzeugt bin ich davon inzwischen dann doch nicht mehr. Für wissenschaftliche Erkundungen scheinen unbemannte Raumfahrzeuge sehr viel besser geeignet zu sein (etwa die Mars-Rover). Für die ökonomische Nutzung des Weltraums reichen Raketen/Satelliten aus.
Sinn machen würden echte SF-Raumfahrzeuge dann, wenn aus der ISS sowas wie eine Kleinstadt im Weltraum werden würde. Das scheint aber nicht vorgesehen zu sein, und selbst dann sind möglicherweise andere Transportvarianten besser geeignet (geostationär aufgehängte Aufzüge bspw.). Kurz gesagt: unter den derzeitigen Bedingungen und den planetaren Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht (Klimawandel, Nachhaltigkeit, globale Gerechtigkeit usw.), scheint es mir sinnvoller zu sein, Prioritäten anders zu setzen.
Bleiben die Bilder aus den SF-Filmen und Romanen, und entsprechende Zukunftsvorstellungen. Und die abschließende Frage an die LeserInnen dieses Blogs: auf der Erde bleiben, oder doch die Technik dafür entwickeln, in der ganz großen Perspektive irgendwann die Erde verlassen zu können?
Warum blogge ich das? Weil ich es eine prinzipiell interessante Frage finde, weil ich in meiner Kindheit immer gerne Bücher über „die Zukunft“ angeschaut habe, in denen entsprechende Raumfahrzeuge selbstverständlich waren, und weil mein Opa als Ingenieur an einigen ESA-Projekten beteiligt war.