Gemeinderatswahlen 2024 im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Ergän­zend zum Blick auf die Kandidat*innen für die Kreis­tags­wahl habe ich mir auch mal ange­schaut, wel­che Lis­ten und Par­tei­en in den fünf­zig Kreis­ge­mein­den des Land­krei­ses Breis­gau-Hoch­schwarz­wald zur Wahl antreten. 

Vor­ne­weg: es ist gar nicht so ein­fach, aus den Web­sites der Gemein­den – immer­hin hat jede Gemein­de eine – die­se Infor­ma­tio­nen zu fin­den. Man­che ver­öf­fent­li­chen direkt auf der Start­sei­te der Web­site einen Link auf die amt­li­che Bekannt­ma­chung der Lis­ten (als PDF). Die­se sind teil­wei­se so for­ma­tiert, dass gar nicht so ein­fach zu erken­nen ist, wo die eine Lis­te (samt Ort­schafts-Teil­lis­ten) auf­hört und wo die nächs­te beginnt. Man­che ver­ste­cken die­se Bekannt­ma­chung irgend­wo unter „Amt­li­che Bekannt­ma­chun­gen“. Der Menü­punkt „Gemein­de­rats­wahl“ führt meis­tens ent­we­der zu den Ergeb­nis­sen der Wahl von 2019 oder auf all­ge­mei­ne Infos aus der Ser­vice-BW-Platt­form oder von der Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung. Ande­re Gemein­den wie­der­um haben auf der Web­site kei­ne Infos zu den Wahl­vor­schlä­gen, dafür sind die­se in einer der letz­ten Aus­ga­ben des jewei­li­gen Amts­blatts – die als PDF zum Down­load ange­bo­ten wer­den – zu fin­den. Und in eini­gen Gemein­den habe ich bis heu­te nichts gefun­den, und muss­te mir die Infos, wer eigent­lich kan­di­diert aus der BZ etc. zusammensuchen. 

Inso­fern: kei­ne Garan­tie, dass das alles stimmt, was hier berich­tet wird. Das trifft im Übri­gen auch auf die Lis­ten­zu­ord­nung zu – ob jede „grü­ne Lis­te“ eine GRÜNE Lis­te im Sin­ne einer offi­zi­el­len Par­tei­ver­bin­dung ist, weiß ich nicht, und ob nicht die eine oder ande­re Bür­ger­lis­te eher SPD-nah oder grün-nah ist, auch nicht. Ich habe mich jetzt hier an den Lis­ten­be­zeich­nun­gen orientiert.

Und: ein biss­chen mehr Wer­bung für die Wah­len zu den Gemein­de­rä­ten wür­de ich mir von den Gemein­den im Land­kreis schon erwar­ten! (Klei­ner Trost: baden-würt­tem­berg-weit sieht es eher schlech­ter aus – ich hat­te mal bei den gro­ßen Kreis­städ­ten begon­nen, zu gucken, wo über­all die AfD antritt, und bin dann wenig fün­dig geworden …).

Mei­ne Roh­da­ten fin­den sich im Tab „gemein­den-lis­ten“ die­ser Tabel­le – ggf. ergän­ze ich die­se auch noch. Da, wo die Daten frag­wür­dig sind, habe ich Kom­men­ta­re angefügt.

Ins­ge­samt habe ich für die fünf­zig Gemein­den im Land­kreis 175 Lis­ten gefun­den. Dabei gibt es sechs Gemein­den, in denen nur eine Ein­heits­lis­te antritt, und wei­te­re sie­ben Gemein­den, in denen es zwar mehr als eine Lis­te gibt, in denen aber kei­ne ein­zi­ge als sol­che kennt­li­che Parteiliste/parteinahe Lis­te zur Wahl antritt (da gibt es dann die Neue Lis­te, die gegen die Unab­hän­gi­gen Bür­ger oder die Frau­en­lis­te zu Wahl steht). Nur in einer Gemein­de (Got­ten­heim) habe ich sechs und eben­falls nur in einer Gemein­de (Brei­sach) sie­ben Lis­ten gefun­den. Wenn nur eine Lis­te kan­di­diert, gilt im übri­gen laut Kom­mu­nal­wahl­recht Mehr­heits­wahl, mit dem Neben­ef­fekt, dass (theo­re­tisch) auch Men­schen, die gar nicht auf der Lis­te ste­hen, in den Gemein­de­rat gewählt wer­den kön­nen, da die Bin­dung an die Lis­te dann entfällt. 

Über den Land­kreis ver­teilt sieht die Anzahl der antre­ten­den Lis­ten so aus:


Auf­fäl­lig ist hier der Ein­par­tei­en­strei­fen an der Flan­ke des Schwarz­walds, der sich vom Glot­ter­tal bis Hin­ter­zar­ten hoch­zieht. Die grö­ße­ren Gemein­den und die Gemeinden/Städte rund um Frei­burg sind dage­gen eher durch eine grö­ße­re Zahl an Lis­ten gekennzeichnet.

Wenn nun die ein­zel­nen Lis­ten ange­schaut wer­den (wobei „Bür­ger­lis­ten“ bzw. „Freie Lis­ten“ ein ziem­lich brei­tes Feld umfasst), ergibt sich zunächst ein­mal fol­gen­des Bild:


Die meis­ten Lis­ten (mehr als fünf­zig, da in ein­zel­nen Gemein­den meh­re­re Bürgerlisten/freie Lis­ten gegen­ein­an­der antre­ten) ent­fal­len auf Freie Lis­ten. CDU und Freie Wäh­ler sind etwas häu­fi­ger ver­tre­ten als SPD bzw. GRÜNE und grün-nahe Lis­ten. FDP, AfD (zwei Lis­ten) und LINKE (ein ein­zel­ner Ein­zel­be­wer­ber) tre­ten dage­gen nur in ganz weni­gen Gemein­den an. Wei­te­re Par­tei­en, die als Par­tei antre­ten, habe ich nicht wahrgenommen. 

An die­ser Stel­le viel­leicht der Hin­weis, dass auch auf den Parteilisten/parteinahen Lis­ten erfah­rungs­ge­mäß eine gro­ße Zahl an Par­tei­lo­sen antritt. Inso­fern gibt das Dia­gramm bzgl. der Mobi­li­sie­rungs­stär­ke nur eine Ten­denz wieder.

Ins­ge­samt sind es mehr als 2200 Men­schen, die auf den ein­zel­nen Lis­ten antre­ten. Die genaue Zahl kann ich auf­grund der ein­gangs beschrie­be­nen Daten­pro­ble­ma­tik nicht sagen, da mir min­des­tens für zwei Lis­ten wei­te­re Infor­ma­tio­nen feh­len. Das sind einer­seits ziem­lich vie­le Men­schen, ande­rer­seits gemes­sen an rund 270.000 Einwohner*innen im Land­kreis dann doch gar nicht so vie­le. näm­lich nur rund 0,8 Pro­zent aller Men­schen im Land­kreis. Selbst wenn die Tat­sa­che berück­sich­tigt wird, dass es ein Min­dest­al­ter gibt und dass nur deut­sche Staatsbürger*innen bzw. Unionsbürger*innen kan­di­die­ren kön­nen, ist es nur ein klei­ner Pro­zent­satz, der bereit ist, aktiv in die Gemein­de­rä­te zu gehen. 

Dazu passt, das eine gan­ze Rei­he von Lis­ten nicht gefüllt sind – dies betrifft ins­be­son­de­re die Orte, in denen es Teil­orts­wah­len gibt. 

Ins­ge­samt ver­tei­len sich die­se rund 2200 Men­schen wie folgt auf die Listen:


Das Bild ist hier ähn­lich: nur die Hälf­te der Bewerber*innen steht auf Par­tei­lis­ten, ein Drit­tel ent­fällt auf Bürgerlisten/Freie Lis­ten, ein wei­te­res Sechs­tel auf die Frei­en Wäh­ler. Bei den Par­tei­en liegt die CDU in der Mobi­li­sie­rung deut­lich vor GRÜNEN und SPD, alle ande­ren Par­tei­en sind in die­ser Hin­sicht nicht relevant.

Posi­tiv betrach­tet: auch wenn die AfD bei den Kreis­tags­wah­len antritt, so ist sie doch bei den Gemein­de­rats­wah­len im Land­kreis eine ver­nach­läs­sig­ba­re Grö­ße. Dies gilt erst recht für „die Basis“ oder ande­re Lis­ten. Wohin die eine oder ande­re unab­hän­gi­ge Lis­te ten­diert, lässt sich ohne genaue­re Orts­kennt­nis nicht sagen. 

Kreistagswahl im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald: Wer tritt an?

Bei der Gemein­de­rats­wahl in Gun­del­fin­gen wer­den die Stimm­zet­tel ver­hält­nis­mä­ßig ein­fach aus­se­hen, mal abge­se­hen davon, dass Stimm­zet­tel für Kom­mu­nal­wah­len, die ja die Mög­lich­keit geben, zu kumu­lie­ren und zu pana­schie­ren, nie ganz ein­fach sind. Jeden­falls tre­ten in Gun­del­fin­gen die vier Par­tei­en bzw. Wäh­ler­ver­ei­ni­gun­gen an, die auch jetzt im Gemein­de­rat sit­zen, und jede davon mit einer vol­len Lis­te mit 22 Per­so­nen (der aktu­el­len Frak­ti­ons­grö­ße nach: FW, GRÜNE, SPD, CDU). 

Etwas kom­pli­zier­ter ist die Lage bei der Kreis­tags­wahl. Das Land­rats­amt hat jetzt die zuge­las­se­nen Wahl­vor­schlä­ge ver­öf­fent­licht. Über den gan­zen Kreis betrach­tet sind es hier neun Lis­ten, die antre­ten: CDU, FW, GRÜNE, SPD tre­ten in allen Wahl­krei­sen mit (weit­ge­hend) vol­len Lis­ten an. Vol­le Lis­te heißt bei der Kreis­tags­wahl: ein­ein­halb­mal so vie­le Kandidat*innen wie Plät­ze im jewei­li­gen Wahl­kreis zu ver­ge­ben sind. FDP, Lin­ke Lis­te (LISB), AfD, ÖDP und „Basis“ tre­ten hin­ge­gen nur in eini­gen Wahl­krei­sen oder nur mit weni­gen Kandidat*innen an. Auf­fäl­lig ist zudem der hohe Anteil an „wahl­kreis­frem­den“ Bewerber*innen bei LISB und AfD. 

Beson­ders kuri­os ist dies­be­züg­lich die ver­schwö­rungs­ori­en­tier­te Kleinst­par­tei „Basis“ – die­se hat­te zwar z.B. im Gun­del­fin­ger Amts­blatt groß ihren Antritt bei der Kreis­tags­wahl ver­kün­det. Wähl­bar ist sie aller­dings nur im Wahl­kreis 5 Bad Kro­zin­gen – und dort mit zwei Kan­di­da­ten aus Titi­see-Neu­stadt und zwei aus Gun­del­fin­gen an, also kei­ner Per­son aus dem Wahl­kreis selbst. Auch die ÖDP tritt nur im Wahl­kreis 5 an – ver­mut­lich, weil hier rela­tiv vie­le Sit­ze zu ver­ge­ben sind. 

Bei der AfD fällt auf, dass deren – meist sehr kur­zen Lis­ten – sehr oft Per­so­nen ent­hal­ten, die nicht aus dem jewei­li­gen Wahl­kreis kom­men. Gleich­zei­tig tritt die AfD in allen Wahl­krei­sen an. In fast allen Wahl­krei­sen hät­te sie auch Per­so­nen aus dem jewei­li­gen Wahl­kreis auf­stel­len kön­nen, hat sie aber nicht getan, son­dern die jeweils „ver­scho­ben“. Inter­es­san­te Tak­tik – soll bloß nie­mand näher wis­sen, wer das ist?

Tabel­la­risch zusam­men­ge­fasst sieht das alles so aus, wenn ich nichts über­se­hen habe (mei­ne kom­plet­te Tabel­le dazu):

Lis­te Sit­ze
2019
Kan­did.
2024
Anteil
Frau­en
Anteil
WK-extern
Anzahl
Lis­ten
CDU 20 83 24% 1% 10
FW 15 76 24% 0% 10
GRÜNE 14 85 46% 4% 10
SPD 9 87 33% 3% 10
FDP 4 34 15% 0% 6
AfD 3 23 30% 52% 10
Lin­ke Liste 1 21 38% 52% 10
Basis 4 0% 100% 1
ÖDP 2 0% 50% 1
Sum­me 66 415 30% 8%

* Die Sit­ze 2019 umfas­sen auch sechs Ausgleichssitze.

Was ich mir nicht ange­schaut habe, was aber theo­re­tisch auf Grund­la­ge der im oben ver­link­ten PDF auch mög­lich wäre, wäre ein Blick auf die kon­kre­ten Wohn­or­te im jewei­li­gen Wahl­kreis (teil­wei­se ballt sich das ziem­lich in ein­zel­nen Gemein­den je Lis­te …), auf das Alter – neben ein­zel­nen Schüler*innen, auch vie­le Rentner*innen, Geburts­jahr­gän­gen also zwi­schen 1943 und 2006 – und auf die Berufe.

Zumin­dest die Zahl der (ehe­ma­li­gen) Bürgermeister*innen habe ich aus­ge­zählt, dass sind bei der CDU, wenn ich mich nicht ver­zählt habe, 24 Pro­zent der Kandidat*innen, bei den FW 20 Pro­zent, bei der FDP sechs Pro­zent, bei der SPD drei Pro­zent und bei den GRÜNEN ein Kandidat. 

P.S.: Dann doch ein klei­nes Pro­gramm geschrie­ben, um das PDF des Land­rats­amts in ein maschi­nen­les­ba­res For­mat umzu­wan­deln. Das Ergeb­nis fin­det sich hier. Und dank der Spal­ten­sta­tis­tik-Funk­ti­on von Goog­le kann ich damit jetzt auch mit­tei­len, dass der Medi­an­wert beim Alter der Jahr­gang 1968 (Durch­schnitt: 1970) ist, dass Bürgermeister*in und Rentner*in die häu­figs­ten Beru­fe sind und dass die meis­ten Bewerber*innen aus Müll­heim, Bad Kro­zin­gen und Brei­sach kom­men. Und die häu­figs­ten Vor­na­men sind – ganz wie zu erwar­ten – Tho­mas, Micha­el und Jürgen.

Zu den ‚Midterm’-Wahlen in Hessen und Bayern

Zwei­mal knapp 15 Pro­zent für Bünd­nis 90/Die Grü­nen – die Pro­gno­se und die ers­ten Hoch­rech­nun­gen sahen noch etwas posi­ti­ver aus -, her­be Ver­lus­te auch für SPD und FDP (in Bay­ern klar aus dem Land­tag gefal­len, in Hes­sen nach dem vor­läu­fi­gen End­ergeb­nis gra­de so über den fünf Pro­zent): mög­li­cher­wei­se typisch für ‚Mid­term-Wah­len‘, falls eine Land­tags­wahl zur Hälf­te der Wahl­pe­ri­ode des Bun­des­ta­ges so bezeich­net wer­den kann.

Auf der ande­ren Sei­te: eine CSU, die leicht ver­lo­ren hat (und Stim­men an die noch rech­te­ren Aiwan­ger-FW wei­ter­ge­ge­ben hat, die wie­der­um, wie alle (!) ehe­ma­li­ge Wähler*innen an die AfD abge­ge­ben hat). In Hes­sen eine CDU, die deut­lich zuge­legt hat. Bei­de um die 35 Pro­zent; soli­de, aber nichts, was an kon­ser­va­ti­ve Glanz­zei­ten anknüpft. In Bay­ern wird Söders Rechts­re­gie­rung wohl wei­ter­ma­chen. In Hes­sen ist es aktu­ell offen, ob Schwarz-Grün fort­ge­setzt wird oder ob Boris Rhein sich für den Wech­sel zu Schwarz-Rot entscheidet.

Aus Sicht der Uni­on war die­ser Wahl­kampf ein Migra­ti­ons­wahl­kampf. Am Wahl­abend noch, wei­ter im Wahl­kampf­mo­dus, for­der­te der Gene­ral­se­kre­tär ein fak­ti­sches Ende des Asyl­rechts, statt über die Wahl­er­geb­nis­se zu spre­chen. Hat die­ser migra­ti­ons­po­li­ti­sche Rechts­ruck der Uni­on gehol­fen? Frag­lich – wohl eher der AfD, die in bei­den Län­dern auf Platz 2 lan­de­te, die in Hes­sen auf Platz 2 und in Bay­ern auf Platz 3 nahe an den FW auf Platz 2 lan­de­te. Die Wähler*innen der AfD mögen nicht alle rechts­extrem ein­ge­stellt sein, aber nach, allem, was die Zah­len so her­ge­ben, sind sie es mehr­heit­lich eben doch. Und in einem Kli­ma, in dem Gren­zen-zu-Nar­ra­ti­ve etc. plötz­lich salon­fä­hig gewor­den sind (dan­ke Merz!), in dem sozia­le Medi­en AfD-Kanä­le in die Start­sei­ten­aus­wahl puschen und klas­si­sche Medi­en die AfD wie eine nor­ma­le Par­tei behan­deln – und nicht wie eine Par­tei, die in Tei­len vom Ver­fas­sungs­schutz beob­ach­tet wird – in die­sem Kli­ma erscheint es dann auf ein­mal legi­tim, als Bürger*in mit Zukunfts­sor­gen, mit Hass auf Grü­ne etc. die AfD zu wählen. 

Die Uni­on wird ihren Merz­rechts­kurs wohl bei­be­hal­ten. Sie glaubt, damit erfolg­reich zu sein. Die Unto­ten, die sie damit auf­weckt, sieht sie nicht, will sie nicht sehen. 

Inso­fern: kei­ne ganz nor­ma­le Mid­term-Wah­len. Und auf Sei­ten der Ampel sehe ich lei­der wenig Anlass dafür, zu glau­ben, dass die­se sich jetzt auf ein gemein­sa­mes Zukunfts­kon­zept eini­gen wird. Da ist also kei­ne Geschlos­sen­heit zu erwar­ten, kei­ne Ori­en­tie­rung und kein Zusam­men­halt. Das aller­dings wäre wich­tig für alle drei Ampel-Par­tei­en. So weiß nie­mand, wofür die SPD steht. Die FDP und die Grü­nen sind auf (da extrem knap­pe, dort halb­wegs kom­for­ta­ble) Kern­kli­en­te­le zurück­ge­wor­fen. Ein Aus­grei­fen dar­über hin­aus, die Anspra­che von Wähler*innen, die sich nicht einer Par­tei zurech­nen, die gelingt nur, wenn glaub­haft und greif­bar wird, dass die­se Bun­des­re­gie­rung gemein­sam dar­an arbei­tet, dass Deutsch­land gut durch die Kri­sen und not­wen­di­gen Ver­än­de­run­gen kommt.

Das sehe ich wie gesagt der­zeit nicht. Viel­mehr ist zu befürch­ten, dass SPD und FDP aus die­sen Wah­len ein Man­dat zum Rechts­ruck able­sen. Und irgend­wann stellt sich für Grü­ne (wie, aus ande­ren Grün­den, auch für die FDP) dann tat­säch­lich die Fra­ge, was in Kauf genom­men wird, um an ande­rer Stel­le mit­ge­stal­ten zu kön­nen. Nach den Erfah­run­gen von 2005 – dazu hat­te ich vor ein paar Tagen geblockt – als das vor­ge­zo­ge­ne Ende der Regie­rung Schrö­der II eine sehr lan­ge Oppo­si­ti­ons­pha­se ein­läu­te­te, ver­mu­te ich aller­dings, dass doch noch län­ger die Zäh­ne zusam­men­ge­bis­sen werden. 

Die FDP hat bis­her nach jeder ver­lo­re­nen Wahl die glei­che Wahl­ana­ly­se ver­brei­tet: noch mehr Oppo­si­ti­on in der Koali­ti­on, noch mehr Abgren­zung von der eige­nen Regie­rung, noch mehr FDP pur. Gehol­fen hat das bis­her nicht. Wenn sie das wei­ter so sieht, müss­te sie eigent­lich die Koali­ti­on im Bund auf­kün­di­gen – und wür­de dann ziem­lich sicher bei Neu­wah­len aus dem Bun­des­tag fliegen.

Aber viel­leicht set­zen sich Scholz, Habeck und Lind­ner – um das mal zu per­so­na­li­sie­ren, und um Füh­rung sei­tens des Kanz­lers ein­zu­for­dern – auch zusam­men und eini­gen sich auf ein paar Grund­sät­ze, ein paar Pro­jek­te, um das in den Kri­sen unse­rer Zeit erschüt­ter­te Ver­trau­en in den Staat wie­der her­zu­stel­len. Das wür­de allen Ampel­par­tei­en hel­fen. (Aber allein das scheint für Tei­le der FDP, ins­be­son­de­re in der Frak­ti­on, schon undenk­bar zu sein – lie­ber loo­se-loo­se als Grü­nen oder der Kanz­ler­par­tei auch nur ein Haar zu gönnen).

Und dann sind wir wie­der bei Merz, dem Rechts­ruck der Uni­on und dem schein­ba­ren Erstar­ken der AfD. Kei­ne schö­ne Aus­sich­ten – Zuver­sicht kann ich aller­dings gera­de nicht bieten. 

Kurz: Technomagie

Viel­leicht müs­sen wir in Zukunft ein­fach zwi­schen „Tech­no­lo­gie“ (und Ablei­tun­gen wie „tech­no­lo­gie­of­fen“) einer­seits und „Tech­no­ma­gie“ (ent­spre­chend dann: „tech­no­ma­gie­of­fen“) ande­rer­seits unter­schei­den. In letz­te­re Kate­go­rie fal­len alle Wun­der­tech­no­lo­gien, die ganz kurz vor Voll­endung ste­hen, aber bis­her kei­ne Wir­kung ent­fal­ten kön­nen – Kern­fu­si­on, E‑Fuels, flie­gen­de Autos, die was­ser­stoff­be­trie­be­ne Hei­zung oder auch die wirk­lich den­ken­de KI. Also, kei­ne Wir­kung bis auf die, das Lösen von Pro­ble­men auf über­mor­gen zu ver­schie­ben und im Hier und Jetzt nichts tun zu müssen. 

Bei­spiel­sät­ze:

„Auf ihrem Par­tei­tag beschloss die FDP, sich wei­ter­hin für Tech­no­ma­gie­of­fen­heit einzusetzen.“

„Wind­rä­der, Solar­zel­len und Wär­me­pum­pen sind Zukunfts­tech­no­lo­gien, wäh­rend E‑Fuels noch im Bereich der Tech­no­ma­gie liegen.“

Und mög­li­cher­wei­se – das schmerzt mich als SF-Fan – ist eine Erklä­rung dafür, war­um eine Par­tei so unver­hoh­len auf magi­sches Den­ken setzt, dar­in zu fin­den, dass zwi­schen Sci­ence Fic­tion und Sci­en­ti­fic Liter­acy zu wenig unter­schie­den wird. Nicht alles, was in Roma­nen und Fil­men plau­si­bel und hübsch erscheint, wird irgend­wann Wirk­lich­keit wer­den. Auch, wenn „SF“ auf der Gen­re-Schub­la­de steht. Und nur, weil Clar­ke irgend­wann mal schrieb, „any suf­fi­ci­ent­ly advan­ced tech­no­lo­gy is indis­tin­gu­is­ha­ble from magic“, gilt der Umkehr­schluss halt trotz­dem nicht. Nur, weil etwas magisch funk­tio­nie­ren soll, gibt es noch längst nicht die pas­sen­de fort­ge­schrit­te­ne Tech­no­lo­gie dafür. 

Atomausstieg, Pfadabhängigkeiten und politisches Theater

Fessenheim-Demo XIII

In Kür­ze – am 15. April – endet der Betrieb der letz­ten drei kom­mer­zi­el­len Atom­kraft­wer­ke in Deutsch­land, und damit auch die Ver­län­ge­rung der Lauf­zeit auf­grund der Befürch­tung der FDP, dass der in den drei AKW pro­du­zier­te Strom für den Win­ter gebraucht würde. 

In den letz­ten Tagen wer­den anläss­lich die­ses Datums nicht nur Atom­aus­stiegs­par­tys ange­kün­digt, son­dern ins­be­son­de­re sei­tens der Uni­on – und der FDP – Plä­ne in den Raum gewor­fen, die Lauf­zeit der AKW doch noch ein­mal zu ver­län­gern. Unab­hän­gig davon, dass eine sol­che Sala­mi­tak­tik (sei­tens der FDP) poli­tisch eher unan­stän­dig ist, und dass es auch die CDU mit einer 180°-Wende 2011 war, die den Pfad zum Aus­stieg ein­ge­lei­tet hat, fin­de ich die­se For­de­run­gen auch des­we­gen bemer­kens­wert, weil das halt gar nicht so ein­fach mög­lich ist. Das wur­de ja schon im Herbst inten­siv dis­ku­tiert – es müss­ten neue Brenn­ele­men­te (aus Russ­land) beschafft wer­den, Sicher­heits­über­prü­fun­gen müss­ten durch­ge­führt wer­den, die Betrei­ber müss­ten wirt­schaft­li­che Ent­schei­dun­gen fäl­len (Leu­te wie­der ein­stel­len, Plä­ne umwer­fen usw. …). 

Kurz: mit dem Kanz­ler­macht­wort und dem Datum 15. April wur­de eine Maschi­ne­rie in Gang gesetzt, die nicht ein­fach gestoppt wer­den kann. Das wis­sen auch die Politiker*innen aus FDP und Uni­on, die jetzt laut­stark für den erneu­ten Aus­stieg aus dem Aus­stieg plä­die­ren. Und das ist ins­ge­samt bedau­er­lich, weil letzt­lich Sym­ptom für eine wenig an Rea­li­tä­ten und stark an Sym­bo­len und – sagen wir – poli­ti­schem Thea­ter inter­es­sier­te Hal­tung. Und die brau­chen wir nicht, jetzt noch weni­ger als sonst.

Swiss nuclear idyll

Und das Kli­ma? Neben der Tat­sa­che, dass die FDP das Argu­ment Kli­ma bei ande­ren Fra­gen gar nicht ger­ne hört, also zum Bei­spiel beim sofort und ohne Pro­ble­me auch umkehr­bar ein­führ­ba­ren Tem­po­li­mit, haben AKW durch die Blo­cka­de knap­per Netz­ka­pa­zi­tä­ten – da nicht fle­xi­bel schalt­bar – eher dazu bei­getra­gen, den Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien klein zu hal­ten. Von den Fra­gen der sys­te­mi­schen Betrach­tung (Uran­ab­bau, Bau gro­ßer Kraft­wer­ke, …) mal ganz abge­se­hen. Und zudem haben wir erst letz­tes Jahr gelernt, dass AKWs mit kli­ma­be­ding­ten Nied­rig­was­ser­stän­den nicht gut klar­kom­men, sie­he Frank­reich. Inso­fern bin ich mir sehr sicher, dass die aller­meis­ten, die jetzt auf das Kli­ma ver­wei­sen, das eher als vor­ge­scho­be­nes Argu­ment nut­zen. (Mal ganz abge­se­hen davon, dass jen­seits der Kli­ma­fra­ge AKW halt wei­ter­hin nicht unbe­dingt die risi­ko­ärms­te Tech­no­lo­gie sind; das betrifft sowohl die Abhän­gig­keit von Russ­land als auch das bis heu­te feh­len­de End­la­ger in Deutsch­land, von GAUs gar nicht erst zu sprechen …).

Der poli­ti­sche Pfad, aus der Atom­kraft aus­zu­stei­gen, wur­de vor Jahr­zehn­ten ein­ge­schla­gen und hat zu Anpas­sungs­leis­tun­gen geführt, an deren Ende jetzt die Abschal­tung der letz­ten AKW und der lang­wie­ri­ge Rück­bau­pro­zess steht. Gleich­zei­tig aus Koh­le und Gas aus­zu­stei­gen, ist ambi­tio­niert, aber mach­bar. Und das hin­zu­krie­gen, ist jetzt unse­re Auf­ga­be. Debat­ten über AKW immer wie­der neu auf­zu­ma­chen, hilft dabei nie­man­dem. Die­se Zeit geht in Deutsch­land jetzt zu Ende. Und jetzt auf neue AKW (oder die irgend­wann per­spek­ti­visch am Hori­zont auf­schei­nen­de 50-Jah­re-Tech­no­lo­gie Kern­fu­si­on) zu set­zen, kommt zu spät.

Ich kann mir ande­re Rea­li­tä­ten vor­stel­len, in denen der Tech­no­lo­gie­pfad hin zu einer kli­ma­neu­tra­len Ener­gie­ver­sor­gung ein ganz ande­rer gewe­sen wäre, mit ande­ren Risi­ko­ab­wä­gun­gen, ande­ren tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen und ande­ren poli­ti­schen Mehr­hei­ten. Aber das ist rei­ne Spe­ku­la­ti­on. Die tech­no­lo­gi­sche, wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Rea­li­tät, in der wir die Kli­ma­kri­se lösen müs­sen, ist eine ande­re. Und da gehört die Zukunft Son­ne, Wind, Was­ser, Geo­ther­mie und Speichertechnologien.