Z., die bald elf Jahre alt wird, meinte vor kurzem zu mir, dass sie es bedaure, sich an viele Ereignisse aus ihrer frühen Kindheit nicht erinnern zu können. Ich kann das gut nachvollziehen, denn mir geht es so ähnlich. Was ich nahezu auswendig kenne, ist dagegen die Sequenz der Fotos in meinem – von meiner Mutter angelegten – Fotoalbum (zwei Bände). In meinem Fall ist es ein großformatiges Buch, mit Seiten aus Karton, getrennt durch Transparenzpapier. Die Fotos – Papierabzüge analoger Fotografie -, vor allem die aus den ersten Lebensjahren, haben die typische orangestichige Färbung angenommen, die alle aus meiner Generation kennen dürften, und die heute „1970er“ signalisiert.
Zum Andenken an Lieselotte Reuter
Heute ist meine Großmutter Lieselotte Reuter gestorben. Einen Monat vor ihrem 89. Geburtstag. Meine Kinder haben damit keine noch lebenden Urgroßeltern mehr. Ein Generationenbruch.
Der Tod kam nicht unerwartet. Und der Abschied war ein langsamer. Demenz. Solange mein Großvater noch lebte, ein gemeinsamer Kampf gegen die zunehmende „Tüdeligkeit“, ein gegenseitiges Stützen. Danach ein Umzug aus dem hohen Norden in den tiefen Süden, häusliche Pflege, und viel Kraft, die meine Eltern, vor allem wohl meine Mutter, darin hinein gesteckt haben. Als das nicht mehr ging, noch ein letztes Mal ein Umzug – ein Platz in einer Demenz-WG, der WEGE in Emmendingen. Ein Altern in Normalität, soweit das möglich ist, wenn jemand aufhört zu reden, das Gedächtnis verliert, sich nur noch nonverbal äußert. Aber immerhin: Meine Großmutter konnte die letzte Phase des Alters weiterhin in einem sozialen Gefüge verbringen, nicht als anonymer Fall. Wieviel sie davon wusste, mag ich nicht beurteilen. Aber Geborgenheit, soziale Wärme – das hat durchaus noch einmal eine Wirkung entfaltet.
Ich weiß nicht, ob meine Großmutter in ihren letzten Lebensjahren glücklich war. Soweit es die Umstände zugelassen haben, glaube ich, war das so. Aber wer weiß das schon, wenn jemand nach und nach entschwindet.