Kurz: Gut so, liebe Fachgesellschaft!

Ich muss das kurz los­wer­den: Die Grün­dung der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie (DGS) liegt jetzt 100 Jah­re zurück. Und was macht der Fach­ver­band der Sozio­lo­gIn­nen in Deutsch­land, ich bin da auch Mit­glied? Gar nicht ange­staubt twit­tert die DGS nicht nur, son­dern hat seit kur­zem auch die Anre­gung von Tina Günther/sozlog umge­setzt und stellt RSS-Feeds für zehn wich­ti­ge The­men­be­rei­che (Mel­dun­gen, Kongressankündigungen/Call for papers, neue Bücher, Stel­len …) zur Ver­fü­gung. Fin­de ich klas­se – erst recht für eine der gro­ßen wis­sen­schaft­li­chen Fachgesellschaften. 

Zwischenstation (Update 2)

Nur kurz ein Lebens­zei­chen (für alle, die mei­nen Micro­blog­ging-Twit­ter-Feed igno­rie­ren): ich war bis gera­de eben auf dem 34. Kon­gress der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie im beschau­li­chen Jena, und wer­de dann mor­gen zum grü­nen Lis­ten­auf­stel­lungs­par­tei­tag für Baden-Würt­tem­berg fah­ren (Hen­ning wird wohl live berich­ten). Zur Lis­ten­auf­stel­lung jetzt nichts wei­ter, zum Sozio­lo­gie­kon­gress noch ein paar Eindrücke:

Von der Besu­che­rIn­nen-Zahl her war der Kon­gress (dies­mal unter dem Mot­to „Unsi­che­re Zei­ten“) groß und bunt wie immer. Ins­ge­samt fand ich ihn sehr gelun­gen, vor allem auch die räum­li­che Nähe (fast alles in einem Gebäu­de, ganz anders als in Kas­sel vor zwei Jah­ren). Es gab eine gewis­se Arhyth­mik im Pro­gramm: mor­gens oft nicht so ganz span­nen­de Ple­nen par­al­lel, nach­mit­tags ungfähr 25 Ver­an­stal­tun­gen zur Aus­wahl, und abends ein nichts so ganz über­schnei­dungs­frei­es Programm.

Im Vor­feld habe ich von Leu­ten mit ande­rem Fach­hin­ter­grund gehört, dass ein ganz­wö­chi­ger Kon­gress ja Luxus sei. Aber ich glau­be, genau die­ser Luxus macht viel für die (wie ich immer noch fin­de, sehr star­ke) Fach­iden­ti­tät aus. Nicht nur, dass so ein Kon­gress – er fin­det übri­gens alle zwei Jah­re statt – ein exzel­len­ter Gene­ra­tor für zufäl­li­ge Begeg­nun­gen (und den Über­blick über das sozio­lo­gi­sche Publi­ka­ti­ons­we­sen) ist. Er trägt auch stark dazu bei, sich zu ver­ge­wis­sern, dass es da – bei allen Schu­len­bil­dun­gen und hef­ti­gen Hahnen‑, Hen­nen- und Kücken­kämp­fen – eine weit geteil­te gemein­sa­me Grund­stim­mung gibt. Er nor­ma­li­siert den Modus der Ver­un­si­che­rungs­er­war­tung und ver­stärkt die Wahr­neh­mung, dass es eben doch noch ziem­lich vie­le ande­re gibt, die ähn­li­che Welt­be­ob­ach­tun­gen anstel­len. Also: Gemein­schafts­bil­dung (beson­ders gut sicht­bar in der Abschluss­ver­an­stal­tung, in der unter dem Mot­to „Män­ner auf ver­lo­re­nem Pos­ten“ eine Sozio­lo­gin und ein (sehr sozi­al­wis­sen­schaft­li­cher) His­to­ri­ker sowie 1000 Sozio­lo­gIn­nen mit einer pro­vo­kant-bio­lo­gis­ti­schen Medi­zi­ne­rin und Gerichts­gut­ach­te­rin dis­ku­tier­ten. Soll­te inter­dis­zi­pli­när sein, mach­te aber noch­mal klar, dass es sehr, sehr vie­le Men­schen gibt, die die Selbst­ver­ständ­lich­keit einer sozia­len Kon­struk­ti­on von Geschlech­ter­rol­len tei­len und mit so Kon­struk­ten wie der „natür­li­chen müt­ter­li­chen Für­sor­ge“ und dem „beschüt­zen­den Mann“ nichts anfan­gen kön­nen. Inso­fern span­nend, und ein schö­nes Mit­tel zum ima­gi­ned com­mu­ni­ty buil­ding).

Was habe ich selbst auf dem Kon­gress gemacht? 

1. Mir eini­ge Sachen ange­hört – u.a. Ire­ne Döl­ling, die noch mal sehr schön deut­lich gemacht hat, wie post­for­dis­ti­sche Ent­gren­zun­gen und die Auf­he­bung der Insti­tu­tio­nen im Beck­schen Indi­vi­dua­lis­mus letzt­lich natür­lich auch sowas wie Geschlech­ter­ar­ran­ge­ments irri­tie­ren und ver­än­dern. Und die Debat­te neben Nan­cy Fraser und Axel Hon­neth, die so mit­tel­span­nend war. Und noch ein paar Vor­trä­ge da und dort.

2. An den Ver­an­stal­tun­gen der Sek­ti­on Umwelt­so­zio­lo­gie teil­ge­nom­men (die Ple­nar­ver­an­stal­tung gemein­sam mit der Wis­sen­schafts- und Tech­nik­so­zio­lo­gie et al. hat mir gut gefal­len, die „Neue Trends“-Sektion war etwas schräg, da hät­te ich mir mehr erwar­tet, und die von mir mit­or­ga­ni­sier­te und mode­rier­te Sektions+Nachwuchsgruppensitzung heu­te hat mei­ne eige­nen Erwar­tun­gen trotz eini­ger tech­ni­scher Pro­ble­me zu Beginn deut­lich über­trof­fen – dort gab es vier Vor­trä­ge zum Kli­ma­wan­del, die, so mein viel­leicht etwas vor­ein­ge­nom­me­ner Ein­druck, ins­ge­samt ein sehr run­des Bild der sozio­lo­gi­schen Kli­ma­wan­delsde­bat­te gege­ben haben, und gezeigt haben, was Umwelt­so­zio­lo­gie alles machen kann. Von der Wis­sen­schafts­de­kon­struk­ti­on bis zu All­tags­prak­ti­ken und Fra­gen der (miss­lun­ge­nen) Verhaltenssteuerung).

3. Sek­tio­na­les Net­wor­king (Mit­glie­der­ver­samm­lung der Sek­ti­on, Mit­tags­tref­fen der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie in einem schön alter­na­ti­ven Gast­haus). Und natür­lich vie­le Gesprä­che mit vie­len Leuten.

4. Mich amü­siert, ins­be­son­de­re mit „DIE STERNE“ auf dem Kon­gress­kon­zert (gute Idee). ((Anek­do­te: Ein­lass nur mit Stem­pel auf der Ein­tritts­kar­te, der nach­weist, dass die Extra­ge­bühr gezahlt wur­de. Wuss­te ich nicht, bei mir ist kein Stem­pel, Momen­te der Ver­un­si­che­rung, dann fällt mir ein, dass im Namens­schild noch so ein Stück Papier steck­te, das den Stem­pel ver­deckt hat.))

5. Selbst was vor­ge­tra­gen – zur post­in­dus­tri­el­len Forst­wirt­schaft, in der Sek­ti­ons­sit­zung der Sek­ti­on Land- und Agrar­so­zio­lo­gie. Deren Vor­sit­zen­der, was ich nicht wuss­te, und ande­re wohl auch nicht, u.a. auch Wald besitzt.

6. Beob­ach­tun­gen über Sozio­lo­gIn­nen ange­stellt (z.B. scheint es mir eine Koin­zi­denz zwi­schen phi­lo­so­phie­n­a­hen bzw. stark theo­rie­ori­en­tier­ten Vor­trä­gen, der Ableh­nung von Power­point (Vor­trag heißt „vom Blatt vor­le­sen“) und der Bevor­zu­gung leger-for­ma­len Klei­dung und Haar­schnit­te zu geben).

Und was habe ich nicht gemacht? U.a. nicht in die Ver­an­stal­tun­gen zur Inter­net­so­zio­lo­gie rein­ge­schaut (immer hat­te ich was ande­res par­al­lel). Scha­de, bin gespannt, ob sich da was erfah­ren lässt, wie es da lief (und zwar vor dem für 2010 zu erwar­ten­den Kongressband).

War­um blog­ge ich das? Weil die Ein­drü­cke noch frisch sind. Und als Merk­pos­ten, um recht­zei­tig für den Kon­gress 2010 in Frank­furt die Unter­kunft zu orga­ni­sie­ren. Die war in Jena trotz lan­ge vor­he­ri­ger Buchung näm­lich ziem­lich weit draußen.

Update: (14.10.2008) Einen lesens­wer­ten und etwas wis­sen­schaft­li­che­ren Bericht über die Ereig­nis­se aus der Markt- und Wirt­schafts­so­zio­lo­gie hat Tina Gün­ther über den Kon­gress geschrie­ben (wie wir schon auf dem Bahn­steig in Wei­mar fest­ge­stellt haben, haben wir kom­plett unter­schied­li­che Ver­an­stal­tun­gen besucht). Umso inter­es­san­ter, was dort pas­siert ist, wo ich nicht war.

Update 2: Und hier noch die von mir eben­falls lei­der nicht besuch­te Web 2.0-Ver­an­stal­tung.

Über 6000 Seiten Soziologie – der DGS-Kongressband 2006 ist da

Die aka­de­mi­schen Publi­ka­ti­ons­müh­len mah­len lang­sam, aber recht­zei­tig vor dem nächs­ten Kon­gress der Deut­schen Gesell­schaft in Sozio­lo­gie (DGS), der im Okto­ber 2008 in Jena statt­fin­den wird, ist jetzt end­lich der DGS-Kon­gress­band 2006 „Die Umwelt der Gesell­schaft“ erschie­nen (und wur­de jetzt den Tagungs­teil­neh­me­rIn­nen zugestellt). 

Kassel university campus I

Wie auch schon beim letz­ten Mal ist der Band so auf­ge­baut, dass – dies­mal in zwei Teil­bän­den – die Tex­te zu den Mit­tags­vor­le­sun­gen und Ple­nar­sit­zun­gen in gedruck­ter Form erschie­nen sind (und zum ein­fa­che­ren Zugriff auch auf CD), die Sit­zun­gen der Sek­tio­nen, Arbeits­grup­pen und ad-hoc-Grup­pen dage­gen nur auf der CD-ROM ent­hal­ten sind.

Wer sich das anschaut, weiss ich auch nicht so genau. Die CD-ROM ent­hält dies­mal nicht nur die PDFs, son­dern auch ein klei­nes Tool, um dar­in her­um­zu­blät­tern, nach AutorIn­nen oder nach dem Inhalts­ver­zeich­nis geord­net. Außer­dem gibt es auch eine Voll­text­su­che. Das macht die Daten­flut – ins­ge­samt über 6000 Druck­sei­ten, 1350 davon auch tat­säch­lich auf Papier – etwas über­sicht­li­cher, und ermög­licht es viel­leicht tat­säch­lich, die für die eige­ne Arbeit rele­van­ten Tex­te raus­zu­su­chen (zu den dun­kel erin­ner­ten Vor­trä­gen, oder auch zu denen, bei denen es nicht mög­lich war, hinzugehen).

Ich selbst war auf dem letzt­jäh­ri­gen Kon­gress auch zwei­mal prä­sent: ein­mal als Mit­or­ga­ni­sa­tor der Ad-hoc-Grup­pe „Natur und Gesell­schaft in ein neu­es Ver­hält­nis set­zen – das Bei­spiel Wald“ und ein­mal als Refe­rent in der Ad-hoc-Grup­pe „Natur­ge­walt, Gewalt gegen Natur, hybri­de Zivi­li­sa­ti­on?“ der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie (NGU). Wit­zi­ger­wei­se scheint das DGS-Her­aus­ge­ber­team um Prof. Reh­berg das etwas durch­ein­an­der gebracht zu haben – mein umwelt­so­zio­lo­gi­scher Text „Umwelt als Pra­xis“ ist jeden­falls gleich zwei­mal auf der CD zu fin­den, ein­mal da, wo er hin­ge­hört, näm­lich in der NGU-Sit­zung, und ein­mal bei der Wald-Gruppe.

Einen Über­blick über die Abs­tracts etc. gibt es übri­gens auf der Kon­gress­web­site http://www.dgs2006.de.

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Karl-Sieg­bert Reh­berg (Hrsg.): Die Natur der Gesell­schaft. Ver­hand­lun­gen des 33. Kon­gres­ses der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie in Kas­sel 2006. Frank­furt am Main/New York: Cam­pus. 2 Teil­bän­de + CD-ROM, ins­ge­samt über 6000 Sei­ten. 99 Euro. Bei ama­zon bestellen.

Wes­ter­may­er, Till (2008): »Umwelt als Pra­xis – Refle­xio­nen anläss­lich einer pra­xis­theo­re­ti­schen Ana­ly­se von Umwelt­rat­ge­bern«, in Karl-Sieg­bert Reh­berg (Hrsg.): Die Natur der Gesell­schaft. Ver­hand­lun­gen des 33. Kon­gres­ses der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie in Kas­sel 2006, CD-ROM-Bei­la­ge. Frank­furt am Main, New York: Cam­pus, S. 3641–3652 (hier als PDF).

Won­ne­ber­ger, Eva; Wes­ter­may­er, Till (2008): »War­um Wald ein gutes Bei­spiel dafür ist, das Ver­hält­nis von Natur und Gesell­schaft zu dis­ku­tie­ren – Ein­füh­ren­de The­sen«, in Karl-Sieg­bert Reh­berg (Hrsg.): Die Natur der Gesell­schaft. Ver­hand­lun­gen des 33. Kon­gres­ses der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie in Kas­sel 2006, CD-ROM-Bei­la­ge. Frank­furt am Main, New York: Cam­pus, S. 3769.

War­um blog­ge ich das? Sowohl wegen mei­nes noch immer vor­han­de­nen Erstau­nens dar­über, wie schwer­fäl­lig das Medi­um Papier im aka­de­mi­schen Bereich sein kann, als auch, um auf mei­nen gleich zwei­mal auf der CD-ROM zu fin­den­den Bei­trag hinzuweisen.

Technik / Natur / Soziologie

Ich glau­be kaum, dass ich selbst dazu kom­men wer­de, was über die Sozio­lo­gen­tags­ver­an­stal­tun­gen zu schrei­ben. Das meis­te fand ich jeden­falls ziem­lich inter­es­sant. Und zumin­dest zu einem von mir besuch­ten Panel gibt’s anders­wo ein Wri­te-Up, näm­lich im Soz­log.