Etwas bricht auf, oder: das Ende der Ära Merkel

Unexpected rainbow I

Ges­tern hat sich der 20. Deut­sche Bun­des­tag kon­sti­tu­iert, beglei­tet von vie­len Sel­fies und Grup­pen­fo­tos. Und selbst auf die­sen lässt sich erah­nen, dass hier etwas neu­es beginnt. Ins­be­son­de­re ist der Bun­des­tag deut­lich jün­ger und bun­ter gewor­den. Durch die nun grö­ße­ren quo­tier­ten Frak­tio­nen ist er auch etwas weib­li­cher. Es gibt eine Bun­des­tags­prä­si­den­tin, und auch vier der fünf Vizepräsident:innen sind Frauen. 

Noch ist kei­ne neue Regie­rung gewählt; die Regie­rung Mer­kel ist wei­ter geschäfts­füh­rend im Amt. Trotz­dem fühlt sich das jetzt sehr nach Auf­bruch und Neu­be­ginn an. Mit etwas Glück und Ver­hand­lungs­ge­schick kom­men die lau­fen­den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zwi­schen den Ampel­frak­tio­nen tat­säch­lich noch vor Weih­nach­ten zu einem erfolg­rei­chen Abschluss. Und dann wür­de nach 16 Jah­ren erst­mals wie­der eine Regie­rung ohne Uni­on das Land len­ken. Auf­ga­ben und Wün­sche gibt es viele. 

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Oh, wie schön war Jamaika

May V

Ich war dann doch ver­nünf­tig genug, ges­tern Abend vor Mit­ter­nacht ins Bett zu gehen. Da sah es noch so aus, als wür­de es eine Eini­gung in den Jamai­ka-Son­die­rungs­ver­hand­lun­gen geben kön­nen. Irri­tie­ren­de Tweets von Nico­la Beer, dass wie­der alles offen sei, mal bei­sei­te. Jeden­falls wur­de klar, wo die grü­nen Schmerz­gren­zen lie­gen. Ein CSU-Hin­ter­bänk­ler ver­kün­de­te Eini­gun­gen bei siche­ren Her­kunfts­län­dern, in mei­ner Time­line folg­te fast schon ritua­li­sier­te Empö­rung, bis des­sen 15 Minu­ten vor­bei waren, und das Gan­ze sich als Gerücht entpuppte. 

Dass die Ver­hand­lun­gen sich so lan­ge hin­zo­gen, hät­te irri­tie­ren kön­nen. Am frü­hen Abend lag für mein Gefühl, was ich so las und wahr­nahm, der Abbruch schon in der Luft. Ich schrieb, dass hier ein Paar ver­han­delt, des­sen Bezie­hung geschei­tert ist, dass sich das Ende aber nicht ein­ge­ste­hen möch­te. Als sich die Gesprä­che dann doch wei­ter in den Abend hin­zo­gen, war mei­ne Inter­pre­ta­ti­on ein „jetzt haben sie’s“, der Punkt des Schei­terns schien über­wun­den, der letz­te Kom­pro­miss gefun­den, der Kno­ten durchgehauen.

Wie weit unser grü­nes Son­die­rungs­team dabei tat­säch­lich gegan­gen ist, und wie weit die Par­tei dem gefolgt wäre, wer­den wir nun aller­dings nicht erfah­ren. Denn zur Abstim­mung über die Auf­nah­me von Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen wird es nicht kommen. 

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Kleine Verschwörungstheorie anlässlich der NRW-Wahl 2012

Kurz nach 18 Uhr hat der Nor­bert Rött­gen von der CDU erklärt, dass er alle Ver­ant­wor­tung auf sich nimmt und vom Lan­des­vor­sitz zurück­tre­ten wol­le. Er sei, ganz klar, der Haupt­ver­ant­wort­li­che für das desas­trö­se Abschnei­den der – das sind jetzt mei­ne Wor­te – ehe­ma­li­gen Volks­par­tei CDU. Also irgend­wie fand ich das schon selt­sam. Also nicht nur, dass die CDU ver­dien­ter­ma­ßen so schlecht abschnei­det. Son­dern das Rött­gen von Anfang an einen ziem­lich lust­lo­sen Wahl­kampf geführt hat – von Pla­kat­skan­da­len ange­fan­gen bis hin zum Rück­fahr­ti­cket nach Ber­lin. Nach allem, was dar­über so zu hören und zu lesen war. Und dass er ins­ge­samt so wirkt, als sei das das Ergeb­nis, mit dem er schon län­ger gerech­net hat.

Wenn das gan­ze jetzt ein Polit-Thril­ler wäre, dann wäre ein Dreh­buch plau­si­bel, in dem Rött­gen den Geheim­auf­trag hat, auf jeden Fall dafür zu sor­gen, dass die FDP im Land­tag in NRW bleibt. Weil die Wahl eh ver­lo­ren ist, aber die schwarz-gel­be Koali­ti­on auf Bun­des­ebe­ne nicht zu hal­ten ist, wenn die FDP aus dem Land­tag des wich­tigs­ten Bun­des­lan­des her­aus­fliegt. Und das hat Rött­gen dann mit Bra­vour umge­setzt, die­sen Geheim­auf­trag. Und darf in Ber­lin bleiben.

Aber zum Glück ist die Wirk­lich­keit kein Thril­ler-Dreh­buch. Ver­mut­lich ist die CDU ein­fach nur dafür nicht gewählt wor­den, dass sie ein Pro­gramm und ein Per­so­nal prä­sen­tiert hat, dass die Leu­te nicht woll­ten – jeden­falls nicht im Ver­gleich zur inte­grie­ren­den Poli­tik der rot-grü­nen Min­der­hei­ten­re­gie­rung. Die jetzt ver­dien­ter­ma­ßen (und noch dazu am Mut­ter­tag) zur Mehr­heits­re­gie­rung mit kla­rem Man­dat gewor­den ist.

Nach­trag (16.05.): Jetzt ist Rött­gen auch als Bun­des­um­welt­mi­nis­ter ent­las­sen wor­den. Passt dann nicht mehr so ganz zur schö­nen Verschwörung.