Ein paar Sätze zum JMSTV

Seit ges­tern rät­selt das Netz dar­über, was die par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge sind, die die Grü­nen NRW dazu gebracht haben, als Land­tags­frak­ti­on gegen das Votum der eige­nen Par­tei dem JMSTV zuzu­stim­men. Im Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­trag sind seit 2003 eini­ge Bestim­mun­gen zum Jugend­schutz in Rund­funk und „Tele­me­di­en“ fest­ge­legt; aktu­ell geht es um die Rati­fi­zie­rung der Neu­auf­la­ge, gegen die eini­ges spricht. Nicht zuletzt die Fest­stel­lung, dass die 2003-Rege­lung bes­ser geeig­net ist, die Jugend im Inter­net zu schüt­zen als die neue Ver­si­on, die wohl u.a. Alters­kenn­zeich­nun­gen für jede Web­site und sowas wie „Sen­de­zei­ten“ im Netz vor­sieht. Eine Zustim­mung dazu ist also zunächst mal arg erklä­rungs­be­dürf­tig. Bis­her fehlt hier lei­der ein State­ment der NRW-Land­tags­frak­ti­on jen­seits der „par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge“ (aber noch läuft auch die Frak­ti­ons­sit­zung, die ein sol­ches State­ment beschlie­ßen könn­te [Nach­trag: die Frak­ti­on hat sich all mei­nen Erwar­tun­gen zum Trotz dafür ent­schie­den, doch noch ein­mal zu ver­su­chen, eine Eini­gung in Rich­tung Nicht­zu­stim­mung mit der SPD zu ver­su­chen. Hut ab dafür!]).

Das hal­be Netz rät­selt über die­se Zwän­ge? Na gut, stimmt nicht ganz. Ganz, ganz über­wie­gend ist das hal­be Netz ver­är­gert, regt sich auf und erklärt die Grü­nen (SPD und LINKE und die CDU und die FDP natür­lich eben­so schon längst) für netz­po­li­tisch untauglich. 

Trotz­dem: mich inter­es­siert wei­ter­hin, was die­se par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge den nun sind. Das eine ist der Koali­ti­ons­ver­trag der NRW-Min­der­heits­re­gie­rung, der wohl eine Zustim­mung vor­sieht. Der schwar­ze Peter liegt hier also zunächst mal bei der SPD. Dann ver­mu­te ich, dass es auch dar­um geht, dass ein Staats­ver­trag tra­di­tio­nell eine ziem­lich unde­mo­kra­ti­sche Sache ist. Falls das jetzt falsch ist, bit­te ich um Kor­rek­tur – aber soweit ich weiss, wer­den die inner­deut­schen Staats­ver­trä­ge zwi­schen den Bun­des­län­dern da aus­ge­han­delt, wo die Län­der eige­ne Gesetz­ge­bungs­kom­pe­ten­zen haben. Die Län­der sind in dem Fall die Fach­mi­nis­te­ri­en und Minis­ter­prä­si­den­tIn­nen. Die han­deln den Ver­trag aus. Wie bei den zwi­schen­staat­li­chen Abkom­men auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne kön­nen Par­la­men­te dem Ver­trag dann nur noch zustim­men – oder ihn ableh­nen. Sie haben aber kei­nen Ein­fluss auf das Zustan­de­kom­men des Vertrags.

Mög­li­cher­wei­se lie­gen die par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge also auch dar­in begrün­det, dass die dama­li­ge schwarz-gel­be NRW-Lan­des­re­gie­rung den JMSTV mit aus­ge­han­delt und unter­zeich­net hat, und es nicht üblich ist, dass ein Lan­des­par­la­ment dem jetzt wider­spricht. For­mal hat jedes Lan­des­par­la­ment hier ein Veto­recht, inso­fern der Ver­trag erst dann zustan­de kommt, wenn alle Lan­des­par­la­men­te ihn rati­fi­ziert haben. Fak­tisch scheint mir der Ein­fluss der Par­la­men­te sehr, sehr gering zu sein. Inso­fern sehe ich neben den gan­zen inhalt­li­chen Pro­ble­men hier auch ein erheb­li­ches Demo­kra­tie­pro­blem (auch dar­in gibt es durch­aus Ähn­lich­kei­ten zu inter­na­tio­na­len Abkommen). 

Was bleibt übrig? Die Chan­ce, dass der JMSTV im Par­la­ment in Nord­rhein-West­fa­len schei­tert, ist, rea­lis­tisch betrach­tet, ver­schwin­dend gering. Selbst wenn die Grü­nen sich dazu durch­rin­gen wür­den, ihrem eigent­lich vor­han­de­nen medi­en­po­li­ti­schen Sach­ver­stand zu fol­gen und sie die SPD dazu brin­gen wür­den, in die­ser Sache nicht im Rah­men der Koali­ti­ons­dis­zi­plin abzu­stim­men, blie­be doch eine SPD-CDU-FDP-Mehr­heit im Land­tag für den JMSTV. So sehr ich den Ärger über die Grü­nen in Nord­rhein-West­fa­len ver­ste­he: eigent­li­che Ansprech­part­ne­rin ist hier die Minis­ter­prä­si­den­tin des Lan­des NRW, Han­ne­lo­re Kraft. Und die gehört der SPD an.

War­um blog­ge ich das? Weil die Sache ver­fah­rens­tech­nisch kom­pli­zier­ter ist, als es scheint. Und weil ich jen­seits der Twit­ter-Pole­mik ger­ne ver­ste­hen möch­te, was da eigent­lich gera­de passiert.

Unsozial, unfrei, ungerecht: die FDP

Screenshot "Gelb statt grün", http://www.gelb-statt-gruen.de
Screen­shot gelb-statt-gruen.de

Wenn die SPD nicht mehr wei­ter weiss, dann grün­det sie ’nen Arbeits­kreis. Die FDP dage­gen haut in die­ser Situa­ti­on am liebs­ten wild um sich. Das neus­te Ergeb­nis die­ses ver­zwei­fel­ten Umsich­schla­gens heißt gelb-statt-gruen.de und ist eine Anti-Grü­nen-Kam­pa­gnen­sei­te. Ich bin ja ganz ange­tan davon, dass die FDP der­zeit so wenig eige­nes Kon­zept hat, dass sie’s nur im Kon­trast zu uns Grü­nen über­haupt dar­stel­len kann. Noch mehr amü­siert mich aber, dass die Selbst­dar­stel­lung auf die­ser Web­site ein ziem­lich rea­lis­ti­sches Bild der FDP zeich­net – und deut­lich macht, war­um die Par­tei out ist. „Unso­zi­al, unfrei, unge­recht: die FDP“ weiterlesen

dagegen, dagegen, der zukunft entgegen

dage­gen, dage­gen, der zukunft entgegen

wir schrei­ben das jahr zweitausendzehn
man­che haben schon die zukunft gesehn
es soll wohl immer so wei­ter gehn
wenn sie es sind, die wei­ter drehn

wir dage­gen sind dagegen
dage­gen, dage­gen, der zukunft entgegen

der vor­be­hal­te gibt es viele,
schon wie­der wer­den sie genannt,
fort­schritts­fein­de! heißt es -
wehrt euch, leis­tet widerstand

wir dage­gen sind dagegen
dage­gen, dage­gen, der zukunft entgegen

ihr mor­gen bleibt doch alter tand
dafür! – so rufen sie, und meinen
letzt­lich immer nur den glei­chen stand:
alles soll beim alten bleiben

wir dage­gen sind dagegen
dage­gen, dage­gen, der zukunft entgegen

als rich­tung reicht’s doch nicht
nur drauf zu schau­en, was man zahlt
für uns zählt, was sich ändert
drum gilt:
wer uns wählt, ahnt die qual der wahl
und den­noch: hoff­nungs­froh dagegen,
denn das heißt, was ande­res wollen

wir dage­gen sind dagegen
dage­gen, dage­gen, der zukunft entgegen

wir ste­hen dazu, wir nehmen’s ernst
wenn’s mor­gen bes­ser wer­den soll als heute
dann reicht es nicht, dafür zu sein
es muss auch klar sein, was man wollte

wir dage­gen sind dagegen
dage­gen, immer nur dage­gen, end­lich der zukunft entgegen

und die wird grün

Ist ein biß­chen kin­disch, aber mir ging die­ser Refrain nicht mehr aus dem Kopf, und dann woll­te ich halt was drauß machen. Viel­leicht ist’s auch ein Kom­men­tar zur aktu­el­len Lage. Gesun­gen vor­zu­stel­len, Stil nach Belieben.

Photo of the week: Auftrag: grün 27

Auftrag: grün 27

 

Bild vom grü­nen Bun­des­par­tei­tag (der neu gewähl­te Par­tei­rat) – ein paar mehr gibt es hier, bin aller­dings nicht so wirk­lich zufrie­den damit (zu licht­schwa­che Kame­ra bzw. zu dunk­ler Saal, und ein biß­chen mehr Zoom wäre auch schön gewe­sen – und ein biß­chen mehr Mut, unse­ren Pro­mis pho­to­gra­phisch auf die Pel­le zu rücken). 

Merkel dagegen beißt

Police in the sky I

Para­do­xer­wei­se: gera­de die bis­si­gen Angrif­fe der ande­ren Par­tei­en – vor­ne­weg der CDU und der sich anti-grün geben­den ehe­ma­li­gen Umwelt­mi­nis­te­rin und jet­zi­gen Kanz­le­rin – auf die Grü­nen, die dar­auf hin­deu­ten, dass die aktu­el­len Wahl­um­fra­ge mehr Aus­sa­ge­kraft haben, als genau die­sen Par­tei­en lieb ist. Jeden­falls dann, wenn die sym­pto­ma­ti­schen Ähn­lich­kei­ten der poli­ti­schen „Hack­ord­nung“ mit Hüh­ner­stäl­len und Wolfs­ru­deln trag­fä­hig sind. 

Dass die FDP schon vor Wochen mit „dage­gen“ auf die Grü­nen ziel­te – das ist busi­ness as usu­al; der Streit der Klein­par­tei­en um den drit­ten Platz. Wenn aber der Haupt­geg­ner in der Rede der Kanz­le­rin auf dem CDU-Par­tei­tag nicht mehr die ande­re gro­ße Par­tei ist, son­dern die Grü­nen – und wenn Grü­ne dadurch eine ganz ande­re Posi­ti­on in die­sem Dis­kurs ein­neh­men, dann hat sich da in der Tat etwas ver­scho­ben. Klar sind das auch Ver­su­che, Geschlos­sen­heit her­zu­stel­len und Lager­gren­zen neu zu fes­ti­gen – aber bis­her war das „ande­re“ Lager eben eines, bei dem auch die­se klei­ne Öko­par­tei dabei war. Und kei­nes, in dem die Haupt­an­griffs­li­nie auf grün zielt. 

Neben­bei: ich glau­be übri­gens nicht, dass das – so wün­schens­wert das man­chen erschei­nen mag – das Ende jeg­li­cher Debat­te über schwarz-grün ist. Viel­leicht ein Mora­to­ri­um – mehr nicht.

Inso­fern kön­nen wir uns dar­über freu­en, ange­grif­fen zu wer­den. Die Reden und die dahin­ter ste­hen­de Ängst­lich­keit der alten Gro­ßen, die sich in die Ecke gedrängt füh­len, machen klar, dass hin­ter den guten Zah­len mehr steckt als ein ein­ma­li­ger Zufall. Zwar heißt das auch, dass die begin­nen­den Wahl­kämp­fe kein Zucker­schle­cken wer­den; ich ver­mu­te, dass schon die Bericht­erstat­tung über den Bun­des­par­tei­tag jetzt am Wochen­en­de noch viel schär­fer als sonst auch davon gekenn­zeich­net sein wird, dass CDU (und SPD) ganz genau hin­schau­en und ver­su­chen wer­den, jeden noch so unsin­ni­gen „Feh­ler“ sofort aus­zu­schlach­ten. In die sel­be Rich­tung geht der Ver­such, uns Fort­schritts­feind­lich­keit zu unter­stel­len – nichts anders meint die­ses „Dage­gen“.

Aber davon soll­ten wir uns nicht ins Bocks­horn jagen las­sen – son­dern dar­auf ver­trau­en, dass auch die neu dazu­kom­men­den poten­zi­el­len Grün-Wäh­le­rIn­nen schät­zen, dass wir eine Par­tei sind, die ein Pro­jekt hat. Dass wir mehr als ande­re Par­tei­en Ver­nunft­be­reit­schaft ver­kör­pern. Ich glau­be, dass es geschätzt wird, wenn wir enga­giert in der Sache blei­ben, aber dabei immer sach­lich blei­ben. Und wie­der und wie­der gedul­dig erklä­ren, dass es nicht ums Dage­gen­sein geht, son­dern um ein Für – für den „nach­hal­ti­gen Umbau unse­rer Gesell­schaft“.

Die­ses Für müs­sen wir rüber­brin­gen – und dabei eben immer auch erklä­ren (und nicht ver­su­chen, weg­zu­wi­schen), dass die­ses gro­ße grü­ne Pro­jekt sei­ne eige­nen Ziel­kon­flik­te mit sich bringt, zum Bei­spiel hin­sicht­lich der Fra­ge, wie 100% Erneu­er­ba­re und Netz­aus­bau sinn­voll zusam­men­kom­men.

Und mit etwas Glück steht am Ende eines lan­gen und durch Schlamm­wür­fe und Aggres­si­on gekenn­zeich­ne­ten Wahl­jahrs dann nicht nur die eine oder ande­re Gestal­tungs­op­ti­on (den auch dar­um geht es), son­dern auch die Erkennt­nis, dass ein Poli­tik­stil, der sich durch Schlecht­re­den und Durch­prü­geln aus­zeich­net, in Wolfs­ru­deln (oder Hüh­ner­stäl­len) viel­leicht sei­ne Berech­ti­gung hat, aber nicht in einer Gesell­schaft des 21. Jahr­hun­derts. Schön wär’s jedenfalls.

War­um blog­ge ich das? Weil ich auch in der Hin­sicht gespannt bin, wie die BDK in Frei­burg wer­den wird. Und glau­be, dass das The­ma „Poli­tik­stil“ völ­lig unter­schätzt wird in der gan­zen Parteienverdrossenheitsdebatte.