Ein Stimmungsbild (im Herbst)

Yesterday's rain II

Drau­ßen ist es Spät­som­mer. Mal wie­der ein Wet­ter­um­schwung – vor ein paar Tagen waren es noch über 35 °C, jetzt reg­net es im Herbst­mo­dus. Aber ich will nicht über das Wet­ter schrei­ben, son­dern über die Bun­des­tags­wahl, und die­ses Land. 

Eigent­lich woll­te ich die­sen Text anders begin­nen, ich hat­te ihn auch schon halb fer­tig. Mit einem Blick auf die mög­li­chen Koali­tio­nen nach der Wahl, mit einem Blick auf die FDP, die sich der­zeit so in der Mit­tel­punkt rückt, und auch auf die Ori­gi­nal-AfD. Auf die Infas-Ana­ly­se in der ZEIT ein­ge­hen, die zeigt, dass Deutsch­land doch offe­ner und libe­ra­ler ist, als vie­le den­ken, und dass die medi­al so domi­nan­ten rech­ten Het­zer nur eine Min­der­heit vertreten. 

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Rechtsruck im Political Compass – ernsthaft?

Wenn es nach dem „Poli­ti­cal Com­pass“ geht, dann gab es zwi­schen 2013 und 2017 einen mas­si­ven Rechts­ruck im deut­schen Par­tei­en­sys­tem – wobei „rechts“ sich dabei auf bei­de der Ach­sen bezie­hen wür­de, die der „Poli­ti­cal Com­pass“ als Koor­di­na­ten der Poli­tik ansieht, also sowohl eine Ten­denz zu mehr Auto­ri­ta­ris­mus als auch eine wirt­schafts­po­li­ti­sche Ten­denz nach rechts. In der Abbil­dung sind die bei­den Dia­gram­me für 2013 und 2017 über­ein­an­der gelegt. Die Pfei­le zei­gen, von wo nach wo in die­sem Koor­di­na­ten­sys­tem die deut­schen Par­tei­en gewan­dert sein sollen. 

Wäh­rend die Ver­schie­bun­gen bei SPD und CDU – eine leich­te Bewe­gung der SPD nach „wirt­schafts­rechts“, eine leich­te Bewe­gung der CDU Rich­tung libe­ra­le­re Gesell­schaft – irgend­wie nach­voll­zieh­bar erschei­nen, ver­wun­dert der Rest. Die FDP ist dem­nach deut­lich auto­ri­tä­rer gewor­den. Die LINKE ist zwar in bei­den Dia­gram­men die Par­tei, die am klars­ten im pro­gres­si­ven Qua­dran­ten ver­or­tet wird, aber auch hier soll es eine Bewe­gung Rich­tung „Mit­te“ gege­ben haben. Und Bünd­nis 90/Die Grü­nen – da soll es dem Dia­gramm zufol­ge in den letz­ten vier Jah­ren qua­si eine Spie­ge­lung gege­ben haben – eine Ver­schie­bung um fast ein Drit­tel des Koor­di­na­ten­sys­tems sowohl in Rich­tung wirt­schaft­li­che Rech­te als auch in Rich­tung auto­ri­tä­re­rer Poli­tik. Die AFD bleibt in bei­den Dar­stel­lun­gen die auto­ri­tärs­te Par­tei, angeb­lich ist sie aber weni­ger wirt­schaft­lich rechts als die CDU oder die FDP.

Das 2017er-Dia­gramm kur­siert seit eini­gen Tagen in sozia­len Netz­wer­ken – ins­be­son­de­re Mit­glie­der der LINKEN wol­len damit bewei­sen, dass nur eine ein­zi­ge Par­tei dem Rechts­ruck stand gehal­ten hat, und natür­lich dafür dann bei der Bun­des­tags­wahl im Sep­tem­ber auch gewählt wer­den muss. Was ist dran?

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Kurz: Krass, aber richtig

Heu­te haben sowohl die Grü­nen als auch die Lin­ke ihre Kam­pa­gnen für die Bun­des­tags­wahl 2017 vor­ge­stellt. Letz­te­re sieht aus wie Wer­bung für Corel-Draw-Clip­art. Unse­re Kam­pa­gne fällt auf und wirkt erst ein­mal ziem­lich krass: auf grü­nem Hin­ter­grund domi­niert unse­re Zweit­far­be Pink. Dar­ge­stellt sind frei­ge­stell­te und ver­frem­de­te Moti­ve – der Erd­ball, eine Frie­dens­tau­be für Euro­pa, der letz­te Eis­bär. Dar­über ziem­lich viel Text (in der seri­fi­gen Haus­schrift, in Groß­buch­sta­ben, und dann auch noch mit Witz …), dar­un­ter die Son­nen­blu­me und der Cla­im „DARUM GRÜN.“. 

Ich bin nicht mit jedem Teil der Kam­pa­gne gleich glück­lich. Die Groß­pla­ka­te (ins­be­son­de­re „Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts. Dar­um grün.“) fin­de ich sehr gut gelun­gen. Auch die Pla­ka­te von Cem und Kat­rin sind rich­tig gut. Bei den klei­ne­ren The­men­pla­ka­ten wirkt der Text manch­mal arg gedrängt, ist man­ches Motiv erst auf den zwei­ten Blick zu erkennen. 

Ins­ge­samt aber ist die Kam­pa­gne ein Pau­ken­schlag. Jedes ein­zel­ne Pla­kat gibt eine Ant­wort auf die (däm­li­che) Fra­ge, wozu es Grü­ne eigent­lich noch braucht. Wer den Koh­le­aus­stieg in die Hand nimmt, wer an Euro­pas Zukunft glaubt, wer für Inte­gra­ti­on und gegen Kin­der­ar­mut kämpft – der braucht grün. Und dar­um ist das die rich­ti­ge Kam­pa­gne zum rich­ti­gen Zeit­punkt. Wohl­fühl­wahl­kampf mit schö­nen Pla­ka­ten: das war ges­tern. Heu­te kommt es drauf an. Und dafür braucht’s auch ein­mal einen opti­schen Paukenschlag.

P.S.: Statt Logo nur das Son­nen­blu­men­sym­bol? Ja, auch das fin­de ich gut – denn unser Logo ist ein wenig unhand­lich. Und klar erkenn­bar ist’s auch so.

Kurz: Lauschangriff auf der BDK

Einer dpa-Mel­dung zum „Lausch­an­griff“ auf ein Gespräch zwi­schen Win­fried Kret­sch­mann und Mat­thi­as Gastel auf der BDK ent­neh­me ich, dass der „Jour­na­list“, der die­se pri­va­te Unter­hal­tung auf dem Par­tei­tag auf dem rech­ten Por­tal „Jour­na­lis­ten­watch“ (Umfeld „PI“, sie­he etwa hier) ver­öf­fent­lich hat, Chris­ti­an Jung heißt. Ein wenig goog­len zeigt, dass Herr Jung auch Autor des rechts­extre­men Kopp-Ver­lags ist – und bringt ein Foto ans Licht. Den ken­ne ich doch, den­ke ich mir – und dann fällt mir auf, wo ich die­sen Her­ren schon ein­mal gese­hen habe:

Wir saßen dies­mal recht weit vor­ne. Irgend­wann bau­te dann ein Kame­ra­team eine halb-pro­fes­sio­nell aus­se­hen­de Kame­ra direkt neben unse­ren Dele­gier­ten­rei­hen auf, um Cem Özd­emir auf dem Podi­um zu fil­men. Mit­ten in der Debat­te über die Qua­li­tät von Erzieher*innen stell­te sich dann ein Herr im karier­ten Hemd direkt vor die Absper­rung zum Podi­um und ließ sich bei einem Auf­sa­ger fil­men. Ich kann den Text nicht mehr genau wie­der­ge­ben, aber es ging sinn­ge­mäß dar­um, dass Cem ihm immer noch nicht die (Suggestiv-)Frage beant­wor­tet habe, ob der Flücht­lings­zu­zug nicht zu einem mas­si­ven Anwuchs an Ter­ro­ris­ten füh­re, oder so. Ich hat­te das dann mit dem Hin­weis „Hier wer­den Fake-News pro­du­ziert“ get­wit­tert. Was genau auf dem Pres­se-Akkre­di­tie­rungs­schild­chen stand, konn­te ich lei­der nicht lesen. Ich hät­te vom Akzent her auf Bay­ern­ku­rier getippt. (Anders als bei z.B. der AfD sind unse­re Par­tei­ta­ge halt öffent­lich, auch was die Pres­se­ak­kre­di­tie­rung anbelangt …).

Ich ver­mu­te, dass es sich um das sel­be Team han­del­te, das dann auch Kret­sch­manns Pri­vat­ge­spräch in der Par­tei­tags­hal­le belausch­te. Ich glau­be übri­gens sofort, dass ihm das nicht auf­ge­fal­len ist – auf der BDK wim­mel­te es von Kame­ras; auch netz­be­grü­nung hat­te eini­ge (ganz ähn­li­che semi­pro­fes­sio­nel­le) mobi­le Kame­ras am Start. Und dass „MP Kret­sch­mann in ange­reg­ter Unter­hal­tung“ als Bild­ma­te­ri­al auf­ge­zeich­net wird, dürf­te auch nicht wun­dern. Jede Dele­gier­te kennt das, dass Din­ge wie Note­book-Bedie­nung und Stri­cken (und Quatsch mit Blu­men­sträu­ßen), aber auch Bei­fall und natür­lich alles, was mit halb­wegs pro­mi­nen­ten Per­so­nen in den Dele­gier­ten­rei­hen zu tun hat, ger­ne gefilmt wird. Gefilmt, als net­tes Bild­ma­te­ri­al, um Par­tei­tags­be­rich­te zu unter­le­gen, aber nicht als Ton­auf­nah­me mit Richt­mi­kro­fon! Pro­fes­sio­nel­le Journalist*innen machen das näm­lich nicht. Dass vie­le gro­ße Medi­en die­se Auf­nah­me auf­ge­nom­men (und sich damit mit einem Blog vom rech­ten Rand gemein gemacht haben), fin­de ich bestürzend.

Aber viel­leicht hat das Gan­ze auch einen Kol­la­te­ral­nut­zen. Immer­hin dis­ku­tiert die Repu­blik jetzt dar­über, wie der not­wen­di­ge Umstieg auf nicht-fos­si­le Mobi­li­tät in den nächs­ten Jah­ren am bes­ten gelin­gen kann!

Bei uns

Es ist schon eine Wei­le her, dass ich so geflasht war von einem unse­rer Par­tei­ta­ge. Dass ich mit dem posi­ti­ven Gefühl nach Hau­se fah­re, dass wir klar sind, dass wir gebraucht wer­den, und dass wir eine Par­tei sind. Und die­ses posi­ti­ve Gefühl liegt nicht am Schlaf­man­gel und auch nicht an der Son­ne, die sich nach drei Tagen Pro­gamm­de­bat­te zeig­te, son­dern an etwas anderem.

Es hat län­ger gedau­ert, als es not­wen­dig gewe­sen wäre, und es war ein schmerz­haf­ter Pro­zess – aber jetzt haben wir uns sor­tiert. Jetzt sind wir als Par­tei wie­der bei uns. 

Grün zu sein, fühlt sich end­lich wie­der stim­mig an. Gemein­sam, geschlos­sen, ent­schlos­sen – und nicht ein mut­lo­ser Hau­fen von sich unter­ein­an­der befeh­den­den Grüpp­chen. Und auch das ist ange­kom­men, wur­de wahr­ge­nom­men und wird uns in der vor­sich­tig-posi­ti­ven bis enthu­si­as­ti­schen Pres­se­be­richt­erstat­tung zurück­ge­spie­gelt. Das trägt. Ja: Wir wer­den gebraucht, und wir wis­sen genau, was wir in die­sem Land zum Posi­ti­ven ändern wollen.

Die Pro­gamm-BDK hat­te aus mei­ner Sicht drei Funk­tio­nen. Und die hat sie dies­mal – da ein gro­ßer Dank vor allem an Micha Kell­ner, an den Bun­des­vor­stand, aber auch an alle wei­te­ren Betei­lig­ten – alle drei mit Bra­vour erfüllt.

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