Kurz: Schavan heißt jetzt Wanka

Ein paar gene­rel­le­re Über­le­gun­gen zum Pla­gi­ats­ver­fah­ren Scha­van hat­te ich bereits im Okto­ber auf­ge­schrie­ben. Jetzt ist es soweit: Die Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin hat heu­te ihren Rück­tritt erklärt. Begrün­det nicht mit dem Pla­gi­at – das sie wei­ter­hin leug­net – son­dern mit der Tat­sa­che, dass sie als For­schungs­mi­nis­te­rin, wenn sie gegen eine Uni klagt, dem Amt schadet. 

Stimmt zwar, ist aber doch eine inter­es­san­te Ver­kür­zung. Abge­se­hen davon blieb der Rück­tritt ein Rück­tritt mit Stil: Die Bun­des­kanz­le­rin elo­gier­te und beton­te Ver­diens­te und die blei­ben­de Freund­schaft (Bor­gen, anyo­ne?), Scha­van gab sich ver­ant­wor­tungs­be­wusst und rational. 

Ihre Nach­fol­ge­rin wird weder McAl­lis­ter noch Grö­he, son­dern die schei­den­de nie­der­säch­si­sche Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin Prof. Dr. Johan­na Wan­ka – ost­deutsch, kon­ser­va­tiv, Mathe­ma­ti­ke­rin, FH-Rek­to­rin, Minis­te­rin in Bran­den­burg (CDU abge­wählt) und Nie­der­sach­sen (CDU abge­wählt) – fach­lich also durch­aus ver­siert. Ein Kurs­wech­sel weg vom neo­li­be­ral-eli­tä­ren, auf Tech­nik fixier­ten Kurs in der Hoch­schul- und For­schungs­po­li­tik ist mit die­sem Wech­sel nicht ver­bun­den; ich erwar­te, dass Wan­ka da recht naht­los an Scha­van anknüpft. Und umso deut­li­cher wird, war­um am 22.9. eine ande­re Poli­tik gewählt wer­den muss.

Kurz: Das PR-Blöggle

Der Peer Stein­brück hat jetzt also ein Blog. Weil, seit Oba­ma dank social media den ara­bi­schen Früh­ling gewon­nen hat, muss jeder twit­tern, der was wer­den will. Also, und weil der Peer viel um die Ohren hat, twit­tert er nicht selbst. Höchs­tens dik­tiert er mal. Und weil sein hoch­ran­gi­ges Team aus Män­nern besteht, die fast genau­so wich­tig sind wie er selbst, twit­tern die auch nicht. Der SPD traut der Peer nicht so rich­tig. Jeden­falls ist das der ein­zi­ge triff­ti­ge Grund, war­um die das nicht für ihren Peer macht. Der Sig­mar führt ja auch schon die Inter­views für den Peer. 

Selbst nicht, Team nicht, SPD nicht? Was bleibt? Ein­fach! Der Peer lässt sich von fünf befreun­de­ten Unter­neh­mern ein unab­hän­gi­ges Wahl­kampf­blog schen­ken, samt sechs­stel­li­gen Kos­ten für die fünf­köp­fi­ge Redak­ti­on, schwarz-gelb­li­chem Bau­kon­sor­ti­ums­lo­go und Oba­ma-Refe­renz. Cool! Und unab­hän­gig! Wirt­schafts­nah! Mit kla­rer Kan­te und Korn statt Eier­li­kör! Da wird die Krea­tiv­wirt­schaft sich aber freu­en! Und die Netz­sze­ne. Also: was mit Medi­en halt. 

War­um ein Blog, was das soll, und was es mit Oba­ma zu tun hat? Kei­ne Ahnung, steht aber da. Zwi­schen den PR-Text­chen. Und ob der Peer das ordent­lich als MdB ver­bucht hat (nament­lich mit Spen­der­na­men), müs­sen wir Hel­mut fra­gen. Der war ja schließ­lich auch Kanz­ler mit kla­rer Kan­te, der Kohl.

Kurz: Der Bootsmotor stottert

Trans­pa­renz heißt bei den Pira­ten auch, dass das „Stra­te­gie­camp“ zur Bun­des­tags­wahl 2013 gestreamt wur­de. Und weil mir gra­de ein biss­chen lang­wei­lig war, habe ich zuge­schaut (und etwas böse beglei­tend get­wit­tert). Prä­sen­tiert wur­de – weit­ge­hend kohä­rent – die Idee, den Wahl­kampf 2013 der Pira­ten unter den Leit­ge­dan­ken „Neu­start“ (Web­site) zu stel­len. Weil das so schön nach innen (mit Blick auf den Zustand der Par­tei) passt, und sich zugleich nach außen (im Sin­ne der Rei­he „neu­es Betriebs­sys­tem“ 2009 und „Update“ 2012) ver­mark­ten lässt. Ob 2015 dann „never chan­ge a run­ning sys­tem“ kommt, sei dahingestellt.

Spaß bei­sei­te: Der Cla­im ist gar nicht mal so schlecht – bes­ser als „Säbel­ras­seln“ ist er alle­mal. Aber er weckt hohe Erwar­tun­gen, und ich bezweif­le, dass die Pira­ten­par­tei die­sen gerecht wird. Neu­start in Ver­bin­dung mit „wei­ter Par­tei der alten Män­ner sein“, „wei­ter Par­tei sein, die auf vie­le The­men kei­ne Ant­wort geben will“ (im Stream kamen genau drei The­men vor – Trans­pa­renz, Daten­schutz und Dro­gen­po­li­tik), „wei­ter in inter­nen Struk­tur­de­bat­ten ver­sa­cken“ und so wei­ter ist dann lei­der kei­ne beson­ders gute Kam­pa­gnen­idee. Son­dern eine, die sich wun­der­barst aufs Korn neh­men lässt. Aber gut: Viel­leicht ist es ja die Initi­al­zün­dung zur Wie­der­be­le­bung der Oran­ge­nen. War­ten wir’s ab.

(Neben­bei: Auch sehr leicht aufs Korn zu neh­men war die letzt­lich wenig strin­gen­te und in der Mode­ra­ti­on völ­lig zer­fa­sern­de Prä­sen­ta­ti­on der Neu­start-Idee. Das soll­te wohl Moti­va­ti­ons­mar­ke­ting wer­den, blieb aber deut­li­ches Möch­te­gern im Rah­men begrenz­ter Res­sour­cen. Effekt verfehlt …)

P.S. Auch die Gestal­tung der Bun­des­tags­wahl­kam­pa­gne ist bei den Pira­ten öffent­lich – die fünf Sie­ger­ent­wür­fe ein­ge­reich­ten Ent­wür­fe blei­ben aller­dings alle recht kon­ven­tio­nell. (P.P.S. Über einen Neu­start mit einer die jun­ge Gestal­tungs­tra­di­ti­on der Pira­ten kon­ti­nu­ie­ren­den Lay­out­spra­che lie­ße sich auch scherzen.)

Drei Gedanken anlässlich der Niedersachsenwahl

Die Schlacht ist geschla­gen, das Umfra­gen­patt gera­de noch ein­mal abge­wen­det – Ende gut, alles gut?

1. Wir leben in einem tief gespal­te­nen Land. Ja, mit ein paar Pünkt­chen weni­ger für Pira­ten oder LINKE wäre es kla­rer aus­ge­gan­gen, ja, ohne Stein­brück-Fak­tor wäre es kla­rer aus­ge­gan­gen – aber sicht­bar wird doch, dass zwi­schen „Mehr­heits­la­ger“ und „Min­der­heits­la­ger“ bei denen, die über­haupt zur Wahl gehen, nur eine knap­pe Dif­fe­renz liegt. Das macht Wahl­aben­de span­nend. Mit einer kla­ren! Bevöl­ke­rungs­mehr­heit für eine pro­gres­si­ve Poli­tik wäre mir aller­dings deut­lich woh­ler, als mit, böse gesagt, Zufalls­mehr­hei­ten in Abhän­gig­keit von Beson­der­hei­ten des Wahl­sys­tems. Anders gesagt: Mehr denn je muss pro­gres­si­ve Poli­tik um so etwas wie eine gesell­schaft­li­che Hege­mo­nie kämp­fen, um jen­seits von zeit­geis­ti­gen Stim­mungs­schwan­kun­gen die gro­ßen Trans­for­ma­ti­ons­pro­jek­te umset­zen zu kön­nen. Dafür braucht es, neben­bei gesagt, nicht nur The­men, son­dern auch Köp­fe – mit der rich­ti­gen Art Kantigkeit.

2. Nie­der­sach­sen gewon­nen, aber den Bun­des­tag noch lan­ge nicht. Denn da wird nie­mand mit einer Ein­stim­men­mehr­heit regie­ren wol­len, und da gibt es noch das klei­ne Pro­blem LINKE – selbst wenn die­se „nur“ als ost­deut­sche Regio­nal­par­tei gewählt wird, wird sie sehr wahr­schein­lich im nächs­ten Bun­des­tag sit­zen. Solan­ge die SPD hier jede Zusam­men­ar­beit kate­go­risch aus­schließt, ist die LINKE ein zusätz­li­ches Han­dy­cap dafür, eine pro­gres­si­ve Gestal­tungs­mehr­heit im Bun­des­tag zu bekom­men. Bis zum Herbst kann sich noch viel ändern – aber zumin­dest im Moment sieht alles nach Gro­ßer Koali­ti­on in Ber­lin aus (wenn nicht gar Mer­kel-Rös­ler ihre Arbeit fort­set­zen kön­nen …). Kei­ne schö­nen Aussichten!

3. Die SPD ver­sucht der­zeit, uns Grü­ne in den Lager­wahl­kampf ein­zu­glie­dern – etwa wenn Sig­mar Gabri­el an ihn gerich­te­te Fra­gen gleich mal für uns mit­be­ant­wor­tet. Rot-Grün ist das inhalt­lich nahe­lie­gends­te Bünd­nis; den­noch soll­ten wir mehr denn je Wert auf grü­ne Eigen­stän­dig­keit legen. Wir sind nicht die FDP der SPD, son­dern eine Par­tei mit klu­gen Kon­zep­ten, für die wir in den letz­ten Jah­ren zuneh­mend geschlos­sen und zuneh­mend erfolg­reich kämp­fen. Eigen­stän­dig­keit heißt nicht Äqui­di­stanz, son­dern Eigen­stän­dig­keit heißt, dass wir uns The­men und Stra­te­gien des Wahl­kampfs nicht von der SPD vor­ge­ben las­sen. Das betrifft übri­gens auch das Ver­hält­nis Erst- und Zweit­stim­men – ich erin­ne­re mich noch gut an eine Bun­des­tags­wahl, bei der aus einem grün unter­stütz­ten Wahl­kreis­kan­di­dat der SPD, der die Gro­ße Koali­ti­on hef­tigst aus­ge­schlos­sen hat­te, ein Staats­mi­nis­ter eben die­ser Koali­ti­on wur­de. Für mich heißt das bei­spiels­wei­se auch: Erst­stim­men­de­als in Zukunft nur auf Gegenseitigkeit.

War­um blog­ge ich das? Weil ich glau­be, dass das eini­ge kniff­li­ge Fra­gen sind, denen wir uns stel­len müs­sen – auch wenn es kei­ne ein­fa­chen Ant­wor­ten dar­auf gibt.

Das Interview

Ich habe ja eine blü­hen­de poli­ti­sche Fan­ta­sie (und außer­dem ges­tern zuviel Bor­gen geschaut), des­we­gen kann ich mir leb­haft vor­stel­len, wie das mit der FAZ-Inter­view mit Peer Stein­brück wirk­lich abge­lau­fen ist:

Das Han­dy klingt. Peer Stein­brück sitzt am Schreib­tisch und nimmt ab. Sein Bera­ter – er umgibt sich ja nur mit Män­nern – ist dran:

„Du, Peeeer, ich hab da was tol­les für dich arran­gie­ren kön­nen. Inter­view in der FAZ – ist ja jetzt so’n büss­chen Win­terloch, da wer­den sich alle drauf stür­zen. Und du weißt ja, wir haben da die­ses klei­ne Image­pro­blem. Die Leu­te drau­ßen ken­nen dich nicht. Die glau­ben, du bist so ein geld­gei­ler Büro­krat. Da müs­sen wir ran, offen­siv! Pass auf, wir machen das jetzt so: Du gibst dich ganz ent­spannt. Auch mal gön­nen kön­nen, klar? Zeigst dich von dei­ner bes­ten Sei­te, als net­ter Jun­ge von neben­an, der auch mal ’nen flot­ten Spruch auf den Lip­pen hat. Viel­leicht was mit den Wein­prei­sen, du weißt schon … Soweit, ja?“

„Das Inter­view“ weiterlesen