Es wäre falsch, Alter und politischen Stil gleichzusetzen. Es gibt grauenhaft konservative 16-Jährige (und nicht alle davon werden irgendwann mal Minister*in), und es gibt Rentner*innen, die ganz vorne am Puls der Zeit sind. Und die Delegiertenbänke waren bunt gemischt besetzt. Trotzdem ist mir aufgefallen, dass inzwischen viele der zentralen grünen Protagonist*innen jünger als die Partei sind. Die wurde dieses Jahr 35 Jahre alt. Diese Generation setzt seit einiger Zeit die Themen und besetzt Posten und Positionen.
Kurz: Der Programmwettstreit ist eröffnet
Während die FDP bereits ein fertig verabschiedetes Wahlprogramm vorgelegt hat, gibt es von uns und von der CDU inzwischen Entwürfe, die im Winter abgestimmt werden.
- Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf des Regierungsprogramms (Okt. 2015)
- CDU: Entwurf des Regierungsprogramms (Okt. 2015)
- FDP: Wahlprogramm zur Landtagswahl (Parteitagsbeschluss, Juni 2015)
Die SPD hat angekündigt, ihr Programm im Januar 2016 beschließen zu wollen, d.h. auch hier wird es vermutlich in Kürze einen Entwurf geben.
Auffällig ist, dass – mit Ausnahme der FDP – der Programmerstellung jeweils recht umfangreiche parteiinterne und teilweise auch öffentliche Beteiligungsprozesse stattgefunden haben.
Kurz: Partei der Vergangenheit
Ein Thema der baden-württembergischen Presse ist der Landesparteitag der AfD, der am vergangenen Wochenende stattfand. Tenor der Berichterstattung: Die AfD freut sich schon jetzt darauf, durch ihren Landtagseinzug Grün-Rot ein Ende zu bereiten. Und wenn dafür ein paar Monate lang die parteieigenen Rechtesextremen in Zaum gehalten werden müssen, will die baden-württembergische AfD das gerne tun.
In der Presseberichterstattung wurden auch zentrale Punkte aus dem Wahlprogramm der AfD dargestellt. Eigentlich könnte auch das Programm jeder halbwegs modernen und progressiven Partei genommen werden, und ein „nicht“ davorgeschrieben werden. Das Ergebnis heißt dann, zugespitzt: Grenzen zu, Fremdenfeindlichkeit und Angst um die Reinheit der eigenen Kultur, Genderhass – also die Ablehnung jeder Form von Toleranz für unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Lebensformen sowie die Ablehnung aller Emanzipationsbestrebungen sowie – als neuer Akzent, der mit bisher nicht so bewusst war, auch ein „Nein zur Energiewende“ bis hin zur Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. Und Europa wird ja bekanntlich auch nicht geliebt von der AfD.
Oder kürzer: diese Partei steht für das Zurückdrehen jeglichen gesellschaftlichen und ökologischen Fortschritts der letzten 50 bis 100 Jahre. Ihr Angebot heißt Backlash und Reaktion.
Grüne: Zerreißprobe – Zeit für Zusammenhalt
Foto: Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg, CC-BY-SA
Die Landesdelegiertenkonferenz der bayerischen Grünen hat sich gestern extrem knapp gegen einen Antrag ausgesprochen, der das am Freitag im Bundesrat durchgewunkene „Asylpaket“ abgelehnt hätte. Andere posten Austrittserklärungen, wechseln Landesverbände (aus NRW nach Thüringen) oder erklären laut, nicht mehr Grün wählen zu wollen.
Gegenschnitt: Vor einer Woche, Landesdelegiertenkonferenz der baden-württembergischen Grünen, in der Presse als „Krönungsmesse“ bezeichnet: nach einer 75-minütigen Rede, die etwa zur Hälfte die Flüchtlingssituation und das Handeln der Landesregierung, aber in recht deutlicher Form auch die anstehende Zustimmung zum „Asylpaket“ behandelte, gibt es minutenlang Beifall für Ministerpräsident Winfried Kretschmann, kurz darauf wird er mit einem Traumergebnis von 97 Prozent als Spitzenkandidat für 2016 aufgestellt.
Im Bundesrat melden sich ungewöhnlich viele RegierungschefInnen zum TOP Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz zu Wort.
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Kurz: Digitaler Wandel als Chance für Teilen und Tauschen
Was ich ja sehr gespannt beobachte, ist der Wettbewerb ShareBW, bei dem – noch eine Woche lang, bis 19.10.2015 – die besten Ideen gesucht werden, um mit Hilfe der Digitalisierung Tauschen und Teilen („Share Economy“) zu erleichtern, und so nachhaltige Entwicklung und Zukunftsfähigkeit in Stadt und Land voranbringen. Oder, in der Sprache der Ausschreibung: ungehobene Digitalisierungspotenziale fördern. Der vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium ausgelobte Ideenwettbewerb ist mit einem Preisgeld von bis zu 180.000 € versehen, das dazu genutzt werden soll, die prämierten Ideen innerhalb der nächsten Monate zu realisieren. Mitmachen können Privatpersonen, Vereine, Unternehmen und Kommunen. Einzige Voraussetzung: Wohn- bzw. Geschäftssitz Baden-Württemberg.
Ich finde diesen Wettbewerb aus zwei Gründen sehr spannend. Hier berühren sich zwei Welten, die sonst nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben – Menschen und Projekte, die „irgendwas mit Medien“ machen, IT-Startups, etc., auf der einen Seite, und auf der anderen Seite Umweltbewegte, lokal Engagierte, NachhaltigkeitsfreundInnen. Die These – und das Risiko hinter dem Wettbewerb – ist es, dass in der Schnittmenge dieser beiden Bereiche Neues entstehen kann. Innovationen, die zur Zukunftsfähigkeit Baden-Württembergs beitragen können. Wenn längst klar wäre, was die zentralen Projekte in dieser Schnittmenge sind, wäre der Wettbewerb langweilig. So aber fordert er dazu auf, Neues zu denken und dann auch tatsächlich umzusetzen – jenseits der üblichen Muster wissenschaftlicher Drittmittelprojekte und Businessplan-Pitches.
Ob das gelingt? Das wird nach dem 19.10. klar werden. Bis dahin gilt die Aufforderung, dass alle, die Ideen haben, die in diesen Bereich fallen, und die auf drei bis sechs Seiten konkretisiert werden können, unbedingt mitmachen sollten.