Wie die Wahl in Baden-Württemberg ausgehen kann

Tunnel of power II

Was der best case beim Wahl­aus­gang jetzt am Sonn­tag für Baden-Würt­tem­berg wäre, ist klar. Und dafür brau­chen wir Grü­ne jede Stim­me. Trotz­dem noch­mal kurz die Über­sicht, was am Sonn­tag pas­sie­ren kann.

(Dop­pel­ter Dis­clai­mer: Ich bin akti­ves Mit­glied der Grü­nen, das heißt, das fol­gen­de ist aus einer bestimm­ten poli­ti­schen Per­spek­ti­ve geschrie­ben (und trotz­dem mei­ne pri­va­te Mei­nungs­äu­ße­rung und kein State­ment mei­ner Par­tei) – und es ent­hält kei­ner­lei inhalt­li­che Argu­men­te für oder gegen eine bestimm­te Wahl (da habe ich mich an ande­ren Stel­len zu geäu­ßert, vor allem im Blog der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen). Man­che nen­nen das Nach­den­ken über die ganz kon­kre­ten Kon­se­quen­zen bestimm­ter Stimm­ab­ga­ben „tak­ti­sches Wäh­len“ und rümp­fen dar­über die Nase – ich fin­de es not­wen­dig, wenn es einem oder einer wich­tig ist, zu wis­sen, was die Fol­gen einer bestimm­ten Stimm­ab­ga­be sind.)
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Operation Druckabbau

Landtag II

Ges­tern mor­gen titel­te ich noch „Erst wenn die CDU das ers­te AKW vom Netz nimmt, glau­be ich Mer­kel und Map­pus“.

Dann kam erst das Mer­kel-Mora­to­ri­um (das nicht nur aus der Sicht von Lob­by-Con­trol kei­nes ist) mit der Abschal­tung der Alt-AKWs für den Wahl­kampf – und gera­de eben schließ­lich die Ankün­di­gung von Map­pus im Stutt­gar­ter Land­tag, dass EnBW das AKW Neckarwestheim‑I dau­er­haft vom Netz neh­men wird. Im Live­ti­cker von SpOn heißt es dazu:

[15.11 Uhr] Das AKW Neckar­west­heim I wird für immer abge­schal­tet. Minis­ter­prä­si­dent Map­pus sag­te im Land­tag: „Neckar­west­heim I wird abge­schal­tet, dau­er­haft, und still­ge­legt“. Zuvor hat­te der Betrei­ber EnBW mit­ge­teilt, dass ein wirt­schaft­li­cher Wei­ter­be­trieb des Reak­tors vor­aus­sicht­lich nicht dar­stell­bar sei. 

So schnell kann’s gehen. Wo es eine Stun­de davor noch die Rede davon war, dass die EnBW Neckarwestheim‑I nur „frei­wil­lig und vor­rü­ber­ge­hend“ vom Netz neh­men wol­le, und der SWR heu­te mor­gen noch berich­te­te, dass die EnBW nicht dar­über infor­miert sei, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wer­den soll, und von der Kanz­le­rin per­sön­lich gefragt wer­den wol­le, ist es jetzt kein Pro­blem, das über Jahr­zehn­te immer wie­der im Mit­tel­punkt poli­ti­scher Pro­tes­te ste­hen­de AKW abzuschalten. 

Poli­tisch bewer­te ich das gan­ze wei­ter­hin als Ver­such, Druck im Wahl­kampf durch ein Not­ven­til abzulassen. 

Inhalt­lich ist es rich­tig, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wird. Das wäre nach dem Atom­kom­pro­miss ohne Lauf­zeit­ver­län­ge­rung ja auch bereits gesche­hen. Aber es gibt ja noch mehr Atom­kraft­wer­ke in Baden-Würt­tem­berg. Was ist mit denen? Steht die CDU wei­ter­hin zur Aus­sa­ge „Viel­mehr brau­chen wir die Kern­ener­gie als ver­läss­li­che, kos­ten­güns­ti­ge und kli­ma­freund­li­che Brü­cken­tech­no­lo­gie.“ (S. 54, Wahl­pro­gramm)? Und was hat Neckar­west­heim, was die ande­ren Lan­des-AKW nicht haben?

Nach­for­schens­wert wäre nicht zuletzt hier die Fra­ge, was hin­ter dem „finan­zi­ell nicht dar­stell­bar“ der EnBW steckt. Heißt das letzt­lich: Neckar­west­heim run­ter­zu­fah­ren, über­prü­fen zu las­sen, evtl. auf­zu­rüs­ten und wie­der anzu­fah­ren wäre teu­rer gewor­den als die Rest­ren­di­te, die durch den dort noch pro­du­zier­ten Strom zu gewin­nen gewe­sen wäre? Oder geht’s da auch um Gesichts­wah­rung? Und was macht der Garan­tie­ak­ti­en­kurs jetzt? Dar­über hin­aus steckt da auch die Fra­ge dahin­ter, wie eigent­lich die Ent­schä­di­gung der Atom­kon­zer­ne dafür aus­sieht, dass sie beim „Mer­kel-Mora­to­ri­um“ mitmachen. 

Psy­cho­lo­gisch inter­es­sant wäre es schließ­lich, einen Ein­blick in das Den­ken von Mer­kel und Map­pus zu erhal­ten. Steckt hin­ter dem Wahl­kampf­ma­nö­ver viel­leicht doch so etwas wie die plötz­li­che Erkennt­nis, dass an den Hor­ror­sze­na­rie­ren der Anti-AKW-Bewe­gung trotz aller gegen­tei­li­gen Exper­ten-Beschwö­run­gen etwas Wah­res dran sein könn­te? Eine Ver­un­si­che­rung? Und las­sen sich ande­re star­re und fak­ten­re­sis­ten­te Welt­bil­der der Poli­ti­ke­rIn­nen von Uni­on und FDP auf eine harm­lo­se­re Wei­se erschüt­tern als durch eine kata­stro­pha­le Tra­gö­die in Japan? Viel­leicht mit einer Denk­pau­se in der Opposition?

War­um blog­ge ich das? Weil sich auch hier die Ereig­nis­se über­schla­gen – glück­li­cher­wei­se in weit­aus weni­ger gefähr­li­chen Art und Wei­se als in Fuku­shi­ma gerade.

Über nervende Unstetigkeiten des Wahlsystems

bild-wahlomat-bw2Unge­fäh­re* Distanz der Posi­tio­nen ein­zel­ner Par­tei­en zuein­an­der (laut Aus­wer­tung der Wahl-o-Mat-Ant­wor­ten für die Land­tags­wahl in Baden-Würt­tem­berg 2011), Grö­ße der Krei­se gibt pro­gnos­ti­zier­te Wahl­er­geb­nis­se wie­der. Für mich eine schö­ne Illus­tra­ti­on der The­se, dass die Wahl von Kleinst­par­tei­en zu einem gewis­sen Grad durch die Wahl grö­ße­rer Par­tei­en sub­sti­tu­ier­bar ist. 

Quel­le der Abbil­dung: andena17 bei Libri Logi­corum, mit freund­li­cher Geneh­mi­gung [ein­ge­fügt um 16:02].

 

Auch wenn es jetzt sicher sofort wie­der heißt, dass es sich hier­bei um die Arro­ganz einer eta­blier­ten Par­tei han­deln wür­de, und dass ich als Grü­ner – also als Mit­glied einer Par­tei, der Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jah­re eben trotz der Argu­men­te der SPD der Sprung von der außer­par­la­men­ta­ri­schen Bewe­gung in die Par­la­men­te gelun­gen ist – damit irgend­wie ganz beson­ders arro­gant argu­men­tie­ren wür­de, muss ich doch noch­mal die Fak­ten auf­zäh­len, die mich dazu brin­gen, von der Wahl von Par­tei­en abzu­ra­ten, die nicht annä­hernd auf 5% kom­men. Über die­se Fak­ten kön­nen wir ger­ne diskutieren.
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Plakatkritik: CDU und Fortschritt

Fortschritt voraus

Die­ses Pla­kat der CDU zur Land­tags­wahl 2011 in Baden-Würt­tem­berg konn­te ich nicht unfo­to­gra­fiert las­sen. Ich fin­de, dass es sich auf drei Ebe­nen wun­der­bar sub­ver­siv deu­ten lässt. (Eine lesens­wer­te gene­rel­le Pla­kat­kri­tik zu BaWÜ fin­det sich übri­gens im Design­ta­ge­buch von Achim Schaff­rin­na). Also, die drei Ebenen:

1. Ganz aktu­ell stellt sich Map­pus hin­ter Gut­ten­berg. Die aus Baden-Würt­tem­berg stam­men­de Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin Scha­van schämt sich zwar, unter­nimmt sonst aber auch nichts wei­ter. Da passt ein gezielt auf Wis­sen­schaft set­zen­des Pla­kat nur so bedingt. Aber das konn­te die CDU ja viel­leicht noch nicht wis­sen, als sie das Pla­kat in Auf­trag gab. Das Pla­kat steht in Frei­burg übri­gens genau dem Uni­rek­to­rat gegen­über und liegt qua­si auf dem Weg von der Innen­stadt ins Institutsviertel.

2. Dann natür­lich Fort­schritt: hier ist es – ganz im Ein­klang mit der Inno­va­tions- und For­schungs­för­de­rungs­po­li­tik des Lan­des, das ja durch­aus mas­siv Geld bei­spiels­wei­se in die bio­wis­sen­schaft­li­chen Exzel­lenz­be­wer­bun­gen gepumpt hat – offen­sicht­lich etwas, das in Labors erforscht wird, was mit Che­mie oder viel­leicht auch mit „Life Sci­ence“ zu tun hat. Ist schon etwas intel­li­gen­ter als ein z.B. bei der SPD ger­ne noch vor­zu­fin­den­der Fort­schritts­be­griff, bei dem die Groß­in­dus­trie ganz vor­ne steht, aber so rich­tig das Wah­re ist auch der CDU-Fort­schritt für mich nicht, der hier bild­ne­risch auf Natur­wis­sen­schaft ver­kürzt wur­de. Cui bono? Und wel­che Pro­ble­me soll die­ser Fort­schritt lösen?

3. Damit aber schließ­lich zu dem Punkt, der mich eigent­lich dazu gebracht hat, das Gan­ze zu foto­gra­fie­ren. Denn wen sehen wir auf dem Bild? Eine jovi­al-hech­ti­ge Vater­fi­gur mit einer gewis­sen raum­er­fül­len­den Kör­per­lich­keit, der die Labor­ar­beit an eine jun­ge, adrett lächeln­de Zuar­bei­te­rin dele­giert hat (was ja auch schön den Sta­tus quo wie­der­gibt). Das Spek­trum unter­schwel­li­ge Gen­der-Bot­schaf­ten reicht von „in der Wis­sen­schaft über­ra­gen die grau­haa­ri­gen Män­ner wei­ter­hin alles“ bis hin zu „Aus­se­hen und Jugend­lich­keit ist für die Kar­rie­re wich­tig“. Oder war das anders gemeint?

War­um ich das blog­ge? Weil Wahl­kampf ist – und weil die ja sehr bewusst zusam­men­ge­stell­ten Bild­mo­ti­ve der CDU doch gera­de bei einem zwei­ten Blick eini­ges dar­über aus­sa­gen, für wel­che dump­fen Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten ein Minis­ter­prä­si­dent Map­pus steht.

Elf Sätze zum Veggie-Day und zur FDP

Kein Faden ist FDP und CDU der­zeit zu dünn, um nicht doch zu ver­su­chen, dar­an eine Sau durch den Land­tags­wahl­kampf zu zer­ren. Das neus­te Tier­chen kommt aus dem Tier­schutz­ka­pi­tel des grü­nen Land­tags­wahl­pro­gramms. Dort heißt es auf Sei­te 69 im Kon­text, Tier­schutz und Kli­ma­schutz zu ver­knüp­fen: „In Schu­len, Men­sen und öffent­li­chen Kan­ti­nen soll­te über vega­ne und vege­ta­ri­sche Ernäh­rung auf­ge­klärt und die­se auch immer in guter Qua­li­tät ange­bo­ten werden.“ 

Dar­aus wird dann bei der FDP (mit Bezug auf omi­nö­se Pres­se­be­rich­te und eine State­ment von Ulri­ke Höf­ken MdB): „Jetzt gehen die Grü­nen in ihrer Ver­bots­kul­tur so weit, dass sie den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern sogar vor­schrei­ben wol­len, was die­se essen sollen.“

Suche den Unter­schied! Wir for­dern im Land­tags­wahl­pro­gramm gar kei­nen Veggie-Day, son­dern wol­len in öffent­li­chen Kan­ti­nen a. über vege­ta­ri­sche Ernäh­rung infor­mie­ren und b. dafür sor­gen, dass die Viel­falt an Aus­wahl­mög­lich­kei­ten durch gute vege­ta­ri­sche und vega­ne Ange­bo­te erhöht wird. Was die FDP dage­gen haben könn­te, ist mir schlei­er­haft. Ent­spre­chend an den Haa­ren her­ge­zo­gen ist der Ver­such, Wahl­kampf zu betrei­ben. Aber selbst wenn: Was wäre so schlimm dar­an, in Kan­ti­nen ein­mal in der Woche nur hoch­wer­ti­ges vege­ta­ri­sches Essen anzubieten?