Ich habe lange gezögert, habe jetzt aber doch meinen Hut in den Ring geworfen für die Wahl der Länderratsdelegierten bei unserem Parteitag am nächsten Wochenende. Wer möchte, kann nach dem Klick mein gerade eingereichtes Bewerbungsschreiben lesen und kommentieren.
Fragen dazu, was ein parlamentarischer Berater so macht?
Da drüben arbeite ich seit Mitte September als „PB“.
Einer der Gründe dafür, dass dieses Blog gerade etwas leerläuft, ist das Leben da draußen. Zu den positiveren Entwicklungen gehört mein erneuter Jobwechsel: Seit etwa zwei Wochen bin ich parlamentarischer Berater der grünen Landtagsfraktion in Stuttgart. Zuständig bin ich in dieser Funktion für die Themenfelder Medienpolitik, Kulturpolitik und Netzpolitik – und dafür dann jeden Dienstag und Donnerstag in Stuttgart. Wegen kinderbetreuungsbedingtem Pendeln ist das bei mir eine halbe Stelle – die andere Hälfte ist der Bereich Wissenschaft, Hochschule, Forschung, die ab Oktober von einem weiteren neuen Kollegen ausgefüllt wird.
Der Begriff „parlamentarischer Berater“ klingt ein bisschen pompös. Und auch die Fraktionswebsite hilft mit ihrern Definition – „Die Parlamentarischen BeraterInnen beraten die Fraktion, besonders die Fachabgeordneten, in allen inhaltlichen Fragen.“ – nur bedingt weiter. In anderen Bundesländern heißen ähnliche Funktionen „FraktionsmitarbeiterIn“, „wiss. MitarbeiterIn der Fraktion“ oder „FraktionsreferentIn“. Kurz: Meine Aufgabe ist es, in „meinen“ Themenfeldern informiert zu sein, Entwicklungen zu beobachten, diese in Richtung Fraktion rückzukoppeln und politisch bearbeitbar zu machen. Ein Kommunikationsknotenpunkt mit Sortier- und Bewertungsfunktion, so in etwa.
Was diese Arbeit spannend macht, ist natürlich insbesondere der tiefe Einblick in die tatsächliche Genese von Politik und die zugrundeliegenden Mechanismen. Gleichzeitig heißt das im Kontext eines eher auf Geheimhaltung als auf Offenheit setzenden politischen Systems (und auch, wenn wir Grüne es schaffen werden, hier die Prioritäten ein bisschen zu verschieben, wird die politische Grundfunktion auf lange Zeit die des kleinen Kreises, gegenseitigen Vertrauens und der begrenzten Weitergabe von Informationen bleiben), dass ich von all diesen spannenden Erfahrungen relativ wenig nach „außen“ kommunizieren kann – also z.B. hier im Blog. Die eine oder andere Eisbergspitze wird im Lauf der Zeit trotzdem auch hier, bzw. auf Facebook oder Twitter, sichtbar werden. Dies betrifft in erster Linie natürlich den Teil meiner Arbeit, der etwas damit zu tun hat, grüne Ideen und Erfolge bekannt zu machen.
Trotz dieser Einschränkungen bin ich gerne bereit, Fragen zu meinem neuen Job zu beantworten – falls jemand welche hat, wäre hier der geeignete Ort, sie zu stellen. Und inhaltliche Anregungen zu meinen drei Themenfeldern nehme ich natürlich ebenfalls gerne entgegen – hier im Blog, oder weiterhin auch über andere Kommunikationskanäle (dienstliche Kontaktdaten) …
Kurz: Zur Gemeinnützigkeit des BUND
„Kleine Anfragen“ sind das Graubrot der Parlamente. Trotzdem oder gerade deswegen lassen sich beim Stöbern im Drucksacheneingang des Landtags manchmal spannende Dinge finden. So hatte der Ulmer SPD-MdL Martin Rivoir, ein glühender Stuttgart-21-Fan, im Juni für mediale Aufregung gesorgt, weil er öffentlich die Gemeinnützigkeit des BUND in Frage gestellt hat. Warum? Weil dieser politisch agiert und Gelder für den S21-Widerstand einsammelt. In einer kleinen Anfrage wollte Rivoir wissen, ob die Landesregierung es für vereinbar mit der Gemeinnützigkeit des BUND hält, dass im Rahmen des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 auch dazu aufgerufen wurde, Gelder an den BUND zu spenden. Jetzt liegt die Antwort des Finanzministeriums vor, und sie fällt deutlich aus:
Das Handeln des BUND innerhalb des losen Zusammenschlusses „Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21« ist aufgrund des Mitwirkens an der Bauleit- und Verkehrsplanung (ggf. auch mittels Demonstrationen) und der ökologischen Dimension des Projektes Stuttgart 21 für die Region Stuttgart noch vom Satzungszweck des BUND und dem gemeinnützigen Zweck „Förderung des Umweltschutzes“ gedeckt.
Soweit in diesem Rahmen auch eine politische Tätigkeit entfaltet wird, ist diese unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen des Einzelfalls zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und
die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks in den Hintergrund tritt. Dies ist im Fall des BUND ebenfalls noch zu bejahen.
Kurz: Gemein, dass nicht jede kleine Anfrage dem vom Fragesteller erwünschten Ergebnis nutzt!
Im Ländle angekommen
Den folgenden Text habe ich für den SPUNK – Zeitschrift der Grünen Jugend – geschrieben:
Im Ländle angekommen
Der Wahlsieg in Baden-Württemberg fand auch in den Kleinstädten und Dörfern statt
Lange galt der Grundsatz, dass Grüne in den Städten siegen und auf dem Land kein Bein auf den Boden bekommen. Ganz so einfach ist es nicht mehr. Erst recht nicht in Baden-Württemberg. Von den fast elf Millionen EinwohnerInnen (Ew.) lebt nur ein knappes Drittel in großen Städten: Stuttgart ist mit etwa 600.000 Ew. die einzige Metropole. Danach folgen Mannheim und Karlsruhe (je 300.000 Ew.) und Freiburg (220.000 Ew.) sowie 18 weitere Städte zwischen 50.000 und 150.000 Ew. – neben den Universitätsstädten sind das bundesweit eher unbekannte Städte wie Pforzheim, Aalen oder Esslingen. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben dagegen in kleineren Städten und Gemeinden – und im ländlichen Raum.
Wahlergebnisse von CDU, Grünen, SPD und FDP bei den Landtagswahlen 2006 und 2011 nach Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde (Anklicken zum Vergrößern)
Kurz zu S21: Werft die Spinmaschinen an!
Heute tagte der Lenkungskreis Stuttgart 21. Noch vor Ende der Sitzung eilte die Schlagzeile „Grün-rot will S21 weiterbauen“ über die Ticker bzw. Twitter. Das ist allerdings ziemlich irreführend. So weit ich das aus den verschiedenen Presseberichten etc. rekonstruieren kann, hat die grün-rote Landesregierung bei dieser Sitzung darauf verzichtet, einen förmlichen Antrag auf Baustopp zu stellen (weil das bedeuten würde, dass so ungefähr 50 Mio. Euro Kosten pro Monat Baustopp auf das Land zukommen – zum Vergleich: einmal Studiengebühren abschaffen kostet jährlich so ungefähr 150 bis 200 Mio. Euro). Das war das „Kompromissangebot“ der Bahn. Begründet wurde der Verzicht auf einen förmlichen Antrag seitens der Landesregierung nicht zuletzt damit, dass die den Zahlen der Bahn zugrundeliegenden Daten unklar sind und keine Grundlage für einen Kabinettsentscheid oder gar einen Landtagsbeschluss darstellen können.
Ein Verzicht auf einen förmlichen Antrag auf Baustopp ist aber nun kein grünes Licht für den Weiterbau. Auch wenn einige Medien jetzt genau das signalisieren. Rechtlich kann die Bahn die Bauarbeiten fortführen. Das Protestrisiko und auch das Risiko, auf Kosten sitzen zu bleiben, wenn S21 doch noch gestoppt wird (wg. Stresstest, wg. Überschreitung des Kostenrahmens, wg. Volksabstimmung) liegt bei der Bahn. Entsprechend sinnvoll ist es, dass Verkehrsminister Winne Hermann nicht auf die Erpressung (Baustopp gegen Entschädigung) eingegangen ist, aber Presseberichten zufolge klar signalisiert hat, dass das Land einen Weiterbau zwar nicht stoppt, aber eben auch nicht gutheißt. Diese Position wurde auch von vielen S21-GegnerInnen begrüßt.
Ein interessanter Aspekt dabei ist, wie zwischen 10 und 12 Uhr dann aus „Grün-rot will S21 weiterbauen“ ein „S21 kann zunächst weitergebaut werden“ und schließlich ein „Bahn will weiterbauen“ wurde. Mal schauen, was die Spinmaschinen (inkl. des Netzes) da bis morgen draus gemacht haben. Dabei interessant auch zu beobachten, wie welche Parteien (hallo LINKE, hallo Piraten!) jetzt in Windeseile angebliche „Wahllügen“ aus der Tasche ziehen. Ohne den Eindruck zu erwecken, zu verstehen, was da gerade entschieden wurde. Und warum.