Lasst euch nicht verhärten

Als ich vor ein paar Wochen erfah­ren habe, dass ich als baden-würt­tem­ber­gi­scher Ersatz­de­le­gier­ter für den Län­der­rat im hes­si­schen Bad Vil­bel ein­sprin­gen soll, bin ich noch davon aus­ge­gan­gen, dass das eine eher mäßig span­nen­de Sache wer­den würde. 

Der Län­der­rat – also der klei­ne Par­tei­tag von Bünd­nis 90/Die Grü­nen mit rund 100 Dele­gier­ten, vie­le davon „Funktionär*innen“ – ist übli­cher­wei­se viel weni­ger dyna­misch als unse­re gro­ßen Par­tei­ta­ge mit rund 800 Dele­gier­ten. Und dies­mal ging es auch mit der The­men­set­zung – Kli­ma­schutz in Ver­bin­dung mit Sicher­heit und Wirt­schaft – und dem Tagungs­ort in der Nähe von Frank­furt ganz offen­sicht­lich dar­um, Tarek Al-Wazir und den hes­si­schen Grü­nen Rücken­wind für die Land­tags­wahl im Herbst zu geben.

Der Län­der­rat, zu dem ich heu­te mor­gen durch­aus mit Sor­ge auf­ge­bro­chen bin, stand dann unter ganz ande­ren Vor­zei­chen. Zum einen, weil die Debat­ten der letz­ten Tage um Hei­zungs­ge­setz und Kli­ma­schutz schwie­rig waren, zum ande­ren aber, weil das eigent­lich wich­ti­ge The­ma unter dem Punkt Ver­schie­de­nes noch auf die Tages­ord­nung gesetzt wor­den war: die Fra­ge, wie wir uns als Par­tei zum euro­päi­schen Asyl­kom­pro­miss des Rats ver­hal­ten wol­len – und wie das dies­be­züg­li­che Han­deln der grü­nen Regie­rungs­mit­glie­der bewer­tet wer­den soll. 

Seit Don­ners­tag letz­ter Woche hat­te die­se Debat­te zu einer mas­si­ven Pola­ri­sie­rung geführt – man­che sahen alte Flü­gel­kämp­fe wie­der auf­le­ben, es gab sich jeweils wider­spre­chen­de State­ments der ent­spre­chen­den Per­so­nen aus dem Bun­des­vor­stand und der Frak­ti­ons­spit­ze, auf Son­der­sit­zun­gen und in Video­kon­fe­ren­zen und Web­i­na­ren wur­de hit­zig dis­ku­tiert. Der ent­spre­chen­de Antrag war letzt­lich mit über 50 Ände­rungs­an­trä­gen bestückt.

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Photo of the week: Seenotrettung ist kein Verbrechen VIII

Seenotrettung ist kein Verbrechen VIII

 
Nach­dem ich im Juli schon ein­mal ein Foto von einer Demo der #see­brü­cke in Frei­burg gepos­tet habe, folgt hier ein Bild von der heu­ti­gen Demons­tra­ti­on. Lei­der sind die Zei­ten so. 

Erneut waren es etwa 2000 Leu­ten, bunt gemischt, von der anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Anti­fa bis hin zu enga­gier­ten Bürger*innen. Auch der neue Ober­bür­ger­meis­ter Mar­tin Horn war mit einem Gruß­wort dabei – empa­thisch, soli­da­risch, aber lei­der nicht wirk­lich sehr kon­kret, was die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten der Stadt anbe­langt. Da geht noch mehr. See­not­ret­tung ist kein Ver­bre­chen, son­dern nach wie vor ein Gebot der Huma­ni­tät. Wer Umfra­gen glaubt: nicht nur in Frei­burg ist das auch das, was die gro­ße Mehr­zahl der Men­schen hier im Land denkt. 

Kurz: Partei der Vergangenheit

Ein The­ma der baden-würt­tem­ber­gi­schen Pres­se ist der Lan­des­par­tei­tag der AfD, der am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de statt­fand. Tenor der Bericht­erstat­tung: Die AfD freut sich schon jetzt dar­auf, durch ihren Land­tags­ein­zug Grün-Rot ein Ende zu berei­ten. Und wenn dafür ein paar Mona­te lang die par­tei­ei­ge­nen Rech­tes­ex­tre­men in Zaum gehal­ten wer­den müs­sen, will die baden-würt­tem­ber­gi­sche AfD das ger­ne tun.

In der Pres­se­be­richt­erstat­tung wur­den auch zen­tra­le Punk­te aus dem Wahl­pro­gramm der AfD dar­ge­stellt. Eigent­lich könn­te auch das Pro­gramm jeder halb­wegs moder­nen und pro­gres­si­ven Par­tei genom­men wer­den, und ein „nicht“ davor­ge­schrie­ben wer­den. Das Ergeb­nis heißt dann, zuge­spitzt: Gren­zen zu, Frem­den­feind­lich­keit und Angst um die Rein­heit der eige­nen Kul­tur, Gen­der­hass – also die Ableh­nung jeder Form von Tole­ranz für unter­schied­li­che sexu­el­le Ori­en­tie­run­gen und Lebens­for­men sowie die Ableh­nung aller Eman­zi­pa­ti­ons­be­stre­bun­gen sowie – als neu­er Akzent, der mit bis­her nicht so bewusst war, auch ein „Nein zur Ener­gie­wen­de“ bis hin zur Ver­län­ge­rung der Lauf­zeit von Atom­kraft­wer­ken. Und Euro­pa wird ja bekannt­lich auch nicht geliebt von der AfD.

Oder kür­zer: die­se Par­tei steht für das Zurück­dre­hen jeg­li­chen gesell­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Fort­schritts der letz­ten 50 bis 100 Jah­re. Ihr Ange­bot heißt Back­lash und Reaktion.

Grüne: Zerreißprobe – Zeit für Zusammenhalt

Grün aus Verantwortung - Die Landesdelegiertenkonferenz in Pforzheim
Foto: Bünd­nis 90/Die Grü­nen Baden-Würt­tem­berg, CC-BY-SA

Die Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz der baye­ri­schen Grü­nen hat sich ges­tern extrem knapp gegen einen Antrag aus­ge­spro­chen, der das am Frei­tag im Bun­des­rat durch­ge­wun­ke­ne „Asyl­pa­ket“ abge­lehnt hät­te. Ande­re pos­ten Aus­tritts­er­klä­run­gen, wech­seln Lan­des­ver­bän­de (aus NRW nach Thü­rin­gen) oder erklä­ren laut, nicht mehr Grün wäh­len zu wollen. 

Gegen­schnitt: Vor einer Woche, Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen, in der Pres­se als „Krö­nungs­mes­se“ bezeich­net: nach einer 75-minü­ti­gen Rede, die etwa zur Hälf­te die Flücht­lings­si­tua­ti­on und das Han­deln der Lan­des­re­gie­rung, aber in recht deut­li­cher Form auch die anste­hen­de Zustim­mung zum „Asyl­pa­ket“ behan­del­te, gibt es minu­ten­lang Bei­fall für Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann, kurz dar­auf wird er mit einem Traum­er­geb­nis von 97 Pro­zent als Spit­zen­kan­di­dat für 2016 aufgestellt.

Im Bun­des­rat mel­den sich unge­wöhn­lich vie­le Regie­rungs­chefIn­nen zum TOP Asyl­ver­fah­rens­be­schleu­ni­gungs­ge­setz zu Wort. 

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