Plädoyer für eine Präsidentin

Gesine Schwan I

Jetzt ist Chris­ti­an Wulff also doch gegan­gen. Anfang des Jah­res hat­te ich noch rum­ge­spot­tet, dass er das erst im März tun wird, und dass Ange­la Mer­kel als Prä­si­dal­kanz­le­rin dann sei­ne Nach­fol­ge­rin wer­den wird. Noch wis­sen wir – abge­se­hen von aller­lei Spe­ku­la­tio­nen – nicht, wer die (mög­li­cher­wei­se dann tat­säch­lich über­par­tei­li­che) Per­son sein wird, die am 18. März zum Bun­des­prä­si­den­ten oder zur Bun­des­prä­si­den­tin gewählt wer­den wird. 

Ich per­sön­lich wür­de es begrü­ßen, wenn es eine Bun­des­prä­si­den­tin wird. Bis­her gab es zwar schon eini­ge Kan­di­da­tin­nen – aber immer nur dann, wenn rela­tiv klar war, dass sie kei­ne Chan­cen hat­ten. Eine Bun­des­prä­si­den­tin – bzw. zunächst ein­mal eine tat­säch­lich aus­sichts­rei­che Kan­di­da­tin – erscheint mir jetzt über­fäl­lig. Ein ent­spre­chen­der Tweet lös­te auf Face­book eine grö­ße­re Debat­te dar­über aus, ob den Geschlecht ein Kri­te­ri­um sein könn­te. Dort, aber auch auf Twit­ter, wur­de die Befürch­tung geäu­ßert, dass dann „irgend­ei­ne“ Frau genom­men wer­den wür­de, und damit einer der unzäh­li­gen Män­ner mit For­mat nicht Bun­des­prä­si­dent wer­den wird. Ande­re fan­den es prin­zi­pi­ell falsch, über­haupt über Geschlecht zu reden.

„Plä­doy­er für eine Prä­si­den­tin“ weiterlesen

Ausblick: So wird 2012

Looking glass

Janu­ar 2012: Trotz Kre­dit- und Anruf­be­ant­wor­ter­af­fä­re bleibt Chris­ti­an Wulff vor­erst wei­ter Bun­des­prä­si­dent. Die inter­nen Ver­hand­lun­gen zwi­schen BILD und CDU um die Nach­fol­ge lau­fen jedoch an.

Febru­ar 2012: Twit­ter, Face­book, einer­lei: der Schalt­tag bringt eini­ges durch­ein­an­der und wird zum letz­ten Aus­lö­ser dafür, dass RLing („real life social net­wor­king“) tren­det. Form­er­ly known as Kaffeeklatsch.

März 2012: Nach Kredit‑, Anruf­be­ant­wor­ter- und Brat­wurst­af­fä­re und mit Blick auf die dem­nächst schwie­ri­ge­ren Mehr­heits­ver­hält­nis­se in der Bun­des­ver­samm­lung beschlie­ßen CDU und BILD, dass das Fass jetzt voll ist und Chris­ti­an Wulff zurück­tre­ten muss. Nach­fol­ge­rin in der kurz­fris­tig ter­mi­nier­ten Bun­des­ver­samm­lung wird aus Effi­zi­enz­grün­den kur­zer­hand Ange­la Mer­kel, die vor­erst jedoch Bun­des­kanz­le­rin und CDU-Vor­sit­zen­de bleibt.

„Aus­blick: So wird 2012“ weiterlesen

Ein paar Sätze zu Sonder-BDK und innerparteilichem Streit

Auftrag: grün 18

Was mir an mei­ner Par­tei gefällt, ist die Tat­sa­che, dass grund­le­gen­de Ent­schei­dun­gen – wie aktu­ell die grü­ne Hal­tung zum ech­ten oder angeb­li­chen Atom­aus­stieg der schwarz-gel­ben Regie­rung – nicht ein­fach von oben her­ab ent­schie­den wer­den, son­dern dass zumin­dest der Ver­such unter­nom­men wird, in der Par­tei zu einer Mei­nungs­bil­dung zu kom­men. Natür­lich lie­ße sich jetzt dar­auf hin­wei­sen, dass der öffent­lich auf­ge­bau­te Druck, dem Leit­an­trag zuzu­stim­men, enorm ist. Ist er, kei­ne Frage. 

Trotz­dem, und dass ist für mich noch immer eine grü­ne Beson­der­heit, habe ich nicht den Ein­druck, dass es aus­ge­macht ist, dass der Antrag – und der zen­tra­le Punkt der Aus­ein­an­der­set­zung, näm­lich die Fra­ge, ob die grü­ne Bun­des­tags­frak­ti­on bei aller Kri­tik letzt­lich der Novel­le des Atom­ge­set­zes zustim­men soll – unge­scho­ren durch die Son­der-BDK kommt. Mei­nem Gefühl nach haben sich sehr vie­le Kreis­ver­bän­de kri­tisch mit dem Leit­an­trag aus­ein­an­der­ge­setzt, das resul­tiert in einer gro­ßen Zahl an Ände­rungs­an­trä­gen, auch zur kri­ti­schen Zei­le 140 (mein KV ist auch dabei). 

Ich wer­de mor­gen als Dele­gier­ter bei der außer­or­dent­li­chen BDK dabei sein, und bin gespannt. Wir sind – so wur­de das auf unse­rer Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung fest­ge­stellt – in einer Lage, in der jede Ent­schei­dung zu öffent­li­chen Prü­geln füh­ren wird. Ent­we­der von der Pres­se und dem Teil der Bevöl­ke­rung, der nicht nach­voll­zie­hen kann, war­um eine Zustim­mung zu etwas, was Atom­aus­stieg genannt wird, aber nur ein hal­ber ist, ver­wei­gert wird – oder vom größ­ten Teil der Anti-AKW-Bewe­gung. Gera­de in die­ser Situa­ti­on fin­de ich es extrem wich­tig, dass wir die­sen Streit kon­struk­tiv und ohne gegen­sei­ti­ge Unter­stel­lun­gen über Abwei­chun­gen vom „wah­ren Kurs“ etc. füh­ren. Ich den­ke, dass das mög­lich ist – und hof­fe, dass die Son­der-BDK mich in die­ser Über­zeu­gung bestätigt. 

P.S.: ausgestrahlt.de hat ange­kün­digt, den Par­tei­tag nicht nur mit Aktio­nen, son­dern auch mit einem Live-Fak­ten­check zu beglei­ten. Mal schau­en, was das wird.

Die Hintertür im Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg

Dark sun energy

Rei­ner Metz­ger, stell­ver­tre­ten­der Chef­re­dak­teur der taz, leit­ar­ti­kelt heu­te, dass die schwarz-gel­ben Aus­stiegs­plä­ne ein Grund zum Fei­ern sind („ein rie­si­ger Sieg der Anti­atom­be­we­gung“). Da hat er ja recht – aber eben auch damit, dass die Freu­de dar­über, dass CDU, CSU und FDP kei­nen ande­ren Weg mehr gese­hen haben, als selbst einen Aus­stiegs­be­schluss zu ver­kün­den, einen nicht blind machen soll­te. Denn der Merkel’sche Aus­stieg hat diver­se Tücken und Hintertüren. 

„Die Hin­ter­tür im Aus­stieg aus dem Aus­stieg aus dem Aus­stieg“ weiterlesen

Kurz: Merkelrat

Nach dem Mora­to­ri­um, das kein Mora­to­ri­um ist, folg­te heu­te der zwei­te Streich: zwei Arbeits­krei­se sol­len Mer­kel in der Ener­gie­po­li­tik bera­ten. Eigent­lich eine gute Idee, Rat wäre ja durch­aus drin­gend nötig. Aber ob eine mit AKW-Leu­ten bestück­te Sicher­heits­kom­mis­si­on da hilft? Etwas bes­ser sieht es aus mei­ner Sicht beim „Rat der Wei­sen“, also der „Ethik­kom­mis­si­on“ aus. Der sol­len wohl fol­gen­de Per­so­nen ange­hö­ren (ich habe noch ein paar Par­tei­zu­ge­hö­rig­kei­ten nach Wiki­pe­dia ergänzt …):

VORSITZENDE:
Klaus Töp­fer (Ex-Bun­des­mi­nis­ter und frü­he­rer Chef des UN-Umwelt­pro­gramms, CDU)
Mat­thi­as Klei­ner (Prä­si­dent der Deut­schen Forschungsgemeinschaft/DFG)

WEITERE MITGLIEDER:
Ulrich Beck (Risi­ko­for­scher)
Klaus von Dohn­anyi (SPD)
Ulrich Fischer (Lan­des­bi­schof der Badi­schen Landeskirche)
Alo­is Glück (Vor­sit­zen­der des Zen­tral­ko­mi­tees der deut­schen Katho­li­ken, CSU)
Jür­gen Ham­brecht (BASF-Chef)
Wal­ter Hir­che (Prä­si­dent der deut­schen UNESCO-Kom­mis­si­on, FDP)
Rein­hard Hüttl (Aca­tech-Prä­si­dent)
Wey­ma Lüb­be (Lehr­stuhl für prak­ti­sche Phi­lo­so­phie Uni Regensburg)
Rein­hard Marx (Erz­bi­schof von Mün­chen und Freising)
Lucia Reisch (Mit­glied im Rat für nach­hal­ti­ge Entwicklung)
Miran­da Schr­eurs (Lei­te­rin For­schungs­zen­trum für Umwelt­po­li­tik FU Berlin)
Micha­el Vas­si­lia­dis (Vor­sit­zen­der der Indus­trie­ge­werk­schaft BCE, SPD)

Eine ers­te Bewer­tung (mal abge­se­hen davon, was die­se Kom­mis­si­on eigent­lich tat­säch­lich machen soll, und wel­chen Ein­fluss – jen­seits der Ablen­kung vor der Wahl am 27.3. – sie haben wird): Töp­fer, Beck, Reisch und Schr­eurs klin­gen nach Men­schen, die was zu gesell­schaft­li­chen Dimen­sio­nen der Ener­gie­po­li­tik sagen kön­nen. Ins­ge­samt ist mir aber zu viel Poli­tik, zu viel Indus­trie, zu viel Kir­che in die­ser Kom­mis­si­on. Von den Gewerk­schaf­ten wur­de die ein­zi­ge genom­men, die dann doch immer mal wie­der AKWs will. Und ziem­lich männ­lich geprägt ist das auch.

Auf der ande­ren Sei­te feh­len Men­schen aus der Anti-AKW-Bewe­gung. Mer­kel hat ja ange­kün­digt, dass noch bis zu drei Sach­ver­stän­di­ge ergänzt wer­den könn­ten. Ich will jetzt nicht schon wie­der eine „Ich glau­be Mer­kel erst …“-Über­schrift schrei­ben, aber mir wür­den da ein paar Men­schen ein­fal­len, die seit Jahr­zehn­ten gegen AKWs kämp­fen, sich exzel­lent mit den damit ver­bun­de­nen Befürch­tun­gen und (gesell­schaft­li­chen) Pro­ble­men aus­ken­nen. So jeman­den dazu zu brin­gen, in die­ser Kom­mis­si­on mit­zu­wir­ken, wür­de deren Ernst­haf­tig­keit deut­lich steigern.

P.S.: Beck ist in der sozio­lo­gi­schen Com­mu­ni­ty übri­gens umstrit­ten, weil er sei­ne Ergeb­nis­se gut ver­kau­fen und popu­la­ri­sie­ren kann, aber dahin­ter nicht immer welt­be­we­gen­des steht. Auch „Risi­ko­for­scher“ und „Umwelt­so­zio­lo­gin­nen“ gäbe es noch eini­ge mehr, die eigent­lich gut in so einer Kom­mis­si­on auf­ge­ho­ben wären.