2008/09 ist das Doppeljahr der Datenschutzskandale. Nach Lidl und der Telekom kam die Bahn dran, die ihre eigenen MitarbeiterInnen beschattete. Natürlich kann so ein Thema an einem netzpolitischen Blog nicht vorbeigehen. Markus Beckedahl hat deswegen auf netzpolitik.org u.a. ein ihm anonym zugeschicktes Dokument veröffentlicht, in dem es um ein Gespräch des Berliner Datenschutzbeauftragten mit der DB-Führung geht. Der Bahn scheint die bisherige Aufmerksamkeit, die auf ihr Datenschutzproblem (und auf die Uneinsichtigkeit von Harmut „Ich würde es wieder machen“ Mehdorn) gelenkt wird, nicht zu reichen. Was machen sie also? netzpolitik.org eine Abmahnung schicken, die prompt zu der gewünschten viralen Aufmerksamkeitsgenerierung führt.
Meine Prognose: selbst wenn Markus sich gewzungen sieht, den Text zu entfernen – auf irgendwelchen Pfaden wird das Memo garantiert bei Wikileaks auftauchen. Erfolg für die Bahn im Sinne einer Kontrolle ihres öffentlichen Images also: keiner.
Update: Laut Rivva berichtet inzwischen (17:28) – gerade mal gut zwei Stunden nach dem Originalposting – mindestens 22 Blogs über Markus‘ Abmahnung, dazu kommen mehr als hundert Tweets. Einen besonderen Hinweis verdient hat das Interview, das Julia Seeliger mit Markus dazu geführt hat.
Update 2: Weitere 15 Minuten später ist auch heise mit dabei.
Update 3: (4.2.2002) Markus fasst zusammen, was in den Stunden nach der Veröffentlichung alles passiert ist – inkl. umfangreichem Pressespiegel. Eindrucksvoll auch die lange, lange Feedback-Liste. Und eine Facebook-Gruppe „Mehdorn muss weg“ gibt’s jetzt auch.
Update 4: Rechtliche Bewertung der Abmahnaktion bei Telemedicus, und Kopien des Dokuments nicht nur bei Pirate Bay etc., sondern auch bei Toni Hofreiter MdB und bei Volker Beck MdB (beide Grüne). Sehr gut! (Auch, dass Volker Beck es nicht beim Thematisieren im Web belassen hat, sondern gleich mal eine mündliche Anfrage an die Bundesregierung dazu gestellt hat.)
Update 5: (6.2.2009) Netzpolitische Solidarisierung und die dadurch verursachten Medienberichte bis hin zum taz-Titelthema scheinen geholfen zu haben – die DB AG möchte „die Sache“ wohl nicht weiter verfolgen.
Update 6: (8.2.2009) Auch wenn ich nicht jeden Punkt so teile, finde ich die post-mortem-Analyse von Ralf Bendrath sehr lesenswert. Ein bißchen zu kurz kommt mir dabei allerdings die Würdigung der „Emergenz eines Hintergrundauschens vielfacher politischer Empörung, dass das konkrete – und auch in diesem Fall letztlich politische – Handeln erst glaubwürdig werden lässt“, wie ich in einem Kommentar dazu schreibe. Erst die Möglichkeit risikolosen Solidaritätsaktivismus ermöglicht die rasante und schnelle Aktivierung des Web2.0‑Netzwerks – die wiederum zur Kulisse wird, vor der symbolpolitisch und in direkter Verhandlung agiert werden kann.