Kurz: Atomkraft-Intelligenz

Bis­her über­zeu­gen die gan­zen Kon­zep­te für klei­ne modu­la­re Atom­kraft­wer­ke nicht so rich­tig. Ich habe jeden­falls nur Mel­dun­gen wahr­ge­nom­men, dass die­se teu­rer wer­den, doch nicht gebaut wer­den, kon­zep­tio­nell zwar über­zeu­gen, aber …

Jetzt kom­men neue Play­er ins Spiel. Nach­dem Micro­soft ange­kün­digt hat, einen der Three-Miles-Island-Reak­to­ren wie­der anzu­fah­ren, um den stei­gen­den Strom­be­darf zu decken, gab es in den letz­ten Tagen Mel­dun­gen, dass Goog­le und Ama­zon jeweils in Klein-AKW inves­tie­ren wol­len. Der Micro­soft-Plan klang recht kon­kret, die Vor­ha­ben der ande­ren bei­den Tech-Kon­zer­ne wirk­te noch etwas wol­ki­ger. Ich wür­de nicht drauf wet­ten, dass die­se AKW tat­säch­lich gebaut werden.

All das weißt aller­dings auf etwas hin, das sich schon ange­deu­tet hat­te. Der AI-Hype hat ganz rea­le Fol­gen. Wäh­rend Ope­nAI und Co. noch um trag­fä­hi­ge Geschäfts­mo­del­le rin­gen, wagt kaum jemand, kein Lar­ge-Lan­guage-Model ein­zu­set­zen, kei­ne klei­nen GPTs irgend­wo ein­zu­bau­en. Goog­le, Win­dows, Ado­be, der Acro­bat-Rea­der, Word­Press, Chat­fens­ter und so wei­ter … Obwohl die Text­ver­ar­bei­tung ein­drucks­voll ist, und der künst­li­che Schim­mer KI-gene­rier­ter Bil­der­wel­ten sich wohl genau­so in den Zeit­geist der 2020er Jah­re ein­bren­nen wird wie die Tat­sa­che, dass Such­ergeb­nis­se und Web­sites mehr und mehr unglaub­wür­di­ge, „hal­lu­zi­nier­te“ Fakes dar­stel­len – ich bin immer noch nicht über­zeugt davon, dass die schö­ne neue Welt sto­chas­ti­scher Intel­li­gen­zen nach­hal­tig ist. Nicht im Sin­ne von „dau­er­haft sta­bil“, und erst recht nicht mit Blick auf die öko­lo­gi­schen Fol­gen. Block­chain lässt grüßen.

Mit Blick auf den Kli­ma­wan­del kön­nen wir uns das Aus­rol­len einer wei­te­ren ener­gie­hung­ri­gen Tech­no­lo­gie nicht leis­ten. Bis­her bekom­men wir als Endverbraucher:innen von der Ener­gie­sei­te des Gan­zen wenig mit – das betrifft ja Ope­nAI, Goog­le, Meta usw. Das ändert sich zum einen dann, wenn die Kos­ten dafür in zukünf­ti­ge AI-Geschäfts­mo­del­le ein­ge­preist wer­den (nach der Anfix-Pha­se), und dürf­te zum ande­ren da spür­bar wer­den, wo neue Hard­ware gefor­dert ist. Win 11 mit Co-Pilot, die neus­ten mobi­len Flagg­schif­fe – all die wol­len Rechen­leis­tung, um auch lokal AI-Rät­sel lösen zu kön­nen. Den Preis zah­len wir.

Randbemerkung zum neuen Auftritt Baden-Württembergs

Seit eini­gen Tagen ist das neue „Cor­po­ra­te Design“ für das Land Baden-Würt­tem­berg live, und ich fremd­le noch sehr damit. Ein biss­chen was zu den Hin­ter­grün­den des „CD“ steht beim Design­ta­ge­buch. Im Kern wur­de der Schritt, der mit der LÄND-Kam­pa­gne 2021 gestar­tet wur­de, wei­ter umge­setzt: Kon­zen­tra­ti­on auf ein knal­li­ges Zitro­nen­gelb plus Schwarz (als Zitat der Lan­des­far­ben Gold und Schwarz), Redu­zie­rung der gra­fi­schen Ele­men­te, ver­ein­fach­te Typo­gra­fie, Knall­ef­fek­te. Was mit „LÄND“ und ähn­li­chen Kam­pa­gnen (wie dem sehr schö­nen THENERDLAEND.COM des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums) begon­nen hat, wird jetzt auf die Lan­des­ver­wal­tung ins­ge­samt ausgerollt. 

Bis­her ver­wen­de­ten die Web­sites und Publi­ka­tio­nen des Lan­des eine Seri­fen­schrift (eine Gara­mond, glau­be ich), ein pas­tel­li­ges Gelb (von dem ich irgend­wann mal gehört habe, dass es von der Wand­far­be der badi­schen Finanz­äm­ter kommt, ob das stimmt, weiß ich nicht) und das Lan­des­wap­pen mit Zier­rat, wie es im Wap­pen­ge­setz fest­ge­legt ist. Neben den drei Löwen (stau­fi­schen Pan­tern) fin­den sich da ein Greif für Baden und ein Hirsch für Würt­tem­berg sowie klein in der Kro­ne des Wap­pens Ver­wei­se auf unter­schied­li­che Lan­des­tei­le. Das Wap­pen wird so seit 1954 ver­wen­det, der lan­des­weit ein­heit­li­che Auf­tritt seit den 2000ern, wenn mich nicht alles täuscht. Davor fin­de ich vor allem das Lan­des­wap­pen in schwarz-weiß mit dem Seri­fen­schrift­zug „Baden-Würt­tem­berg“.

Jetzt wur­de das Wap­pen im Auf­tritt des Lan­des in Web und Print radi­kal auf die drei Löwen – in sti­li­sier­ter Form – redu­ziert, dazu kommt in seri­fen­lo­ser Schrift der Name der jewei­li­gen Behör­de. Im Bei­spiel oben das Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um. Zudem hat jedes Minis­te­ri­um noch eine sehr redu­zier­te, fast schon typo­gra­fi­sche Gra­fik bekom­men, die den jewei­li­gen Gegen­stands­be­reich dar­stellt (hier: Flug­zeu­ge und Elek­tro­au­tos). Bei der Deut­schen Bahn habe ich unlängst ähn­li­ches gese­hen, das scheint gera­de Mode zu sein.

bis­he­ri­ges Logo neu­es Logo

Ich fremd­le noch mit die­sem neu­en Auf­tritt. Zum einen fin­de ich die Farb­ge­bung sehr grell. Das mag modern wir­ken (dazu gleich mehr), nimmt aber auch Bezü­ge zu „Hei­me­lig­keit“ weg, die eben auch zu die­sem immer­hin seit 1954 bestehen­den Bun­des­land gehö­ren. Ähn­li­ches lässt sich über den Weg­fall von Wap­pen und Seri­fen­schrift sagen. Neben dem etwas alt­ba­cke­nen, aber auch gemüt­li­chen Aspekt, der dadurch aus­ge­strahlt wur­de, hat das Wap­pen als Hoheits­zei­chen immer auch „das hier ist ein Staat“ signa­li­siert, also Bezü­ge zu einer lan­gen Tra­di­ti­ons­li­nie der Eigen­stän­dig­keit – und einer gewis­se Amts­au­tori­tät – auf­ge­macht. Das fällt jetzt eher weg.

Jetzt also: drei Löwen und ein Schrift­zug. Das könn­te auch ein Kon­zern sein. Mich erin­nert es an die Gestal­tungs­spra­che der 1970er Jah­re. Gra­fisch redu­zier­te For­men, star­ke Kon­tras­te, kei­ne Details, eine seri­fen­lo­se Schrift (damals ger­ne die Hele­ve­ti­ca) – Mün­chen 1972, redu­zier­te Logos etwa der Deut­schen Bank, von Bei­ers­dorf oder der DLR. Und auch die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ver­wen­de­te in den 1970ern einen sti­li­sier­ten Adler plus seri­fen­lo­ser Schrift­zug als „Absen­der“. Das passt eher zu Lothar Späth als zu Win­fried Kret­sch­mann. Oder täu­sche ich mich da?

(P.S.: Gra­fisch ganz furcht­bar fin­de ich das neue „redu­zier­te Wap­pen“ / „exten­ded Logo“)

Und gleich­zei­tig fällt mir das Nie­der­sach­sen-Pferd ein. Das wei­ße Pferd auf rotem Wap­pen­schild ist bis heu­te – bzw. heu­te wie­der – auf dem Web­auf­tritt etc. der Lan­des­re­gie­rung Nie­der­sach­sens zu fin­den. 1990 gab es einen Ver­such, den Auf­tritt zu moder­ni­sie­ren. Aus dem Pfer­de­wap­pen wur­de ein sti­li­sier­tes Logo – im Netz fin­de ich lei­der kein Bei­spiel­bild dafür. Das blieb aber nur weni­ge Jah­re in Ver­wen­dung. Mit dem Regie­rungs­wech­sel von der SPD zur CDU wur­de wie­der das alte Lan­des­wap­pen im Auf­tritt des Lan­des eingeführt. 

Mal schau­en, ob es dem grell­gelb-schwar­zen Auf­tritt Baden-Würt­tem­bergs ande­res ergeht. Oder ob sich durch­setzt, dass Baden-Würt­tem­berg das „gel­be“ Land ist. Was auch immer das poli­tisch bedeutet. 

P.S.: Link zum offi­zi­el­len „Design-Por­tal“ des Lan­des.

Photo of the week: Fog near Offenburg

Fog near Offenburg

 
Auch wenn die Stre­cke die sel­be ist, und lei­der (aus der Sicht des Zug­fah­ren­den, für die Men­schen an der Stre­cke ist’s natür­lich anders zu bewer­ten) mehr und mehr Sicht­schutz­wän­de den Blick ver­sper­ren, so gibt es doch aus dem Zug­fens­ter immer mal wie­der was zu sehen. Wie hier bei­spiels­wei­se irgend­wo zwi­schen Frei­burg und Offen­burg – nichts. Also, so viel mor­gend­li­cher Nebel, dass der Baum fast ver­schwin­det. (In ande­ren Wor­ten: ja, es ist jetzt wirk­lich Herbst.)

Photo of the week: Opfinger See, again

Opfinger See, again

 
Anfang Sep­tem­ber – auch schon wie­der ein Monat her – war es noch mög­lich, schwim­men zu gehen im Opfin­ger See. Jetzt hat der Herbst voll zuge­schla­gen, drau­ßen Nebel, die letz­ten blü­hen­den Son­nen­blu­men und Astern. Wur­de auch Zeit.

P.S.: Ich sehe gera­de, beson­ders ein­falls­reich bin ich mit mei­nen Foto­ti­teln nicht – im Juni 2019 hat­te ich schon ein­mal genau den sel­ben Titel ver­wen­det. Da lag der See noch qua­si vor der Haus­tür. Inzwi­schen, nach dem Umzug nach Gun­del­fin­gen, ist’s dann doch immer ein Stück Weg, der mit dem Rad zwar mach­bar ist, aber eine gewis­se Über­win­dung kostet. 

Science Fiction und Fantasy im September 2024

Schloss Zeil, Leutkirch

Aus Grün­den gibt es gar nicht so viel zu berich­ten über den Sep­tem­ber. Ich habe (allei­ne, weil der Rest der Fami­lie das Gen­re und über­haupt …) nicht mag, Rings of Power, Sea­son 2 (Ama­zon Prime) wei­ter­ge­schaut und mich über die Ambi­va­len­zen gefreut, die ich so bei Tol­ki­en nicht in Erin­ne­rung hat­te – wobei ich zuge­ge­be­ner­ma­ßen das Sil­ma­ril­li­on zwar (in der deut­schen Über­set­zung) besit­ze, aber nie wirk­lich mit Freu­de gele­sen habe. Außer­dem habe ich (mit den Teen­agern) die Orpheus-und-Eury­di­ke-Adop­ti­on KAOS (Jeff Gold­blum, Net­flix) ange­guckt, die letz­te Fol­ge fehlt uns noch, trotz­dem lässt sich jetzt schon sagen: sehr ideen­rei­cher, gut umge­setz­ter Trash. Die grie­chi­schen Gött*innen, wie sie ver­mut­lich noch nie dar­ge­stellt wur­den. Zeus als durch­ge­knall­ter Neu­rei­cher, Posei­don auf sei­ner Jacht, Hera, die die Fäden im Hin­ter­grund zieht, der büro­kra­ti­sche Hades (in schwarz-weiß) … und Kre­ta als Dik­ta­tur, die die olym­pi­schen Ritua­le halt so durch­zieht. Es macht durch­aus Spaß, da zuzu­gu­cken. Jetzt hof­fe ich nur, dass die letz­te Fol­ge nicht enttäuscht. 

Gele­sen habe ich zum einen das gera­de neu im Sep­tem­ber 2024 erschie­ne­ne Space Oddi­ty von Catheryn­ne Valen­te. Das ist die Fort­set­zung von Space Ope­ra. Da ging es, kurz zusam­men­ge­fasst, dar­um, dass die Mensch­heit nur dann Mit­glied der galak­ti­schen Zivi­li­sa­ti­on wer­den kann – und ansons­ten ihrer Anni­hi­la­ti­on ent­ge­gen­sieht – wenn sie beim Galac­tic Song Con­test nicht auf dem letz­ten Platz lan­det. Deci­bel Jones und sei­ne Band haben die unver­hoff­te Ehre, hier auf­tre­ten zu dür­fenmüs­sen. Die­ser ers­te Band war ein sehr gelun­ge­ner Mix aus einem Humor im Stil von Dou­glas Adams, der wohl­wol­len­den Aus­ein­an­der­set­zung mit der Tra­di­ti­on des ESC und jedem SF-Space-Ope­ra-Motiv, das nicht schnell genug um die Ecke ver­schwin­den konn­te. Space Oddi­ty setzt das jetzt fort. Nach dem Song Con­test ist vor der inter­ga­lak­ti­schen Pro­mo­ti­on-Tour, und das Welt­all ist voll mit Wun­dern, die uns noch vor dem Früh­stück begeg­nen. Zu die­sen Wun­dern gehört dann unver­hofft eine bis­her unent­deck­te Spe­zi­es. Ein Song Con­test muss her, um zu bewei­sen, dass es sich hier um intel­li­gen­tes Leben han­delt. Nur: die­se Spe­zi­es hat ihre Gefüh­le exter­na­li­siert. Das hört sich ziem­lich depres­siv an – jeden­falls nicht nach Musik. Und das all­mäch­ti­ge Board des Song Con­test ist alles ande­re als amü­siert. Soweit mal, sonst wird zu viel ver­ra­ten. — Wie auch der ers­te Band ist Space Oddi­ty flott geschrie­ben und steckt voll mit Anspie­lun­gen. Valen­te ist da tat­säch­lich eine wür­di­ge Nach­fol­ge­rin der ganz spe­zi­el­len Dou­glas-Adams-Schrei­be. Gleich­zei­tig lei­det der Roman selbst ein klei­nes biss­chen am „Schwieriges-zweites-Album“-Syndrom (nicht umsonst heißt das Kes­het-Zeit­pa­ra­dox-Schiff, in dem Deci­bel Jones unter­wegs ist, Dif­fi­cult Second Star­ship). Die Neu­heit eines ESC-Space-Ope­ra-Mixes ist ver­flo­gen, die wil­den Zeit­rei­sen der Kes­het, die das Buch durch­zie­hen, machen es teil­wei­se schwie­rig, nach­zu­voll­zie­hen, was hier gera­de pas­siert, und es gibt Sät­ze, die Anspie­lung auf Anspie­lung anpa­cken und humor­voll bear­bei­ten, ohne jedoch am Schluss irgend­wie dazu bei­getra­gen zu haben, den Fort­gang der Geschich­te zu beschleu­ni­gen. Kurz: Space Oddi­ty reicht nicht ganz an Space Ope­ra her­an. Trotz­dem eine Lese­emp­feh­lung – ins­be­son­de­re für alle, die zwi­schen Nerd- und Pop­kul­tur sitzen.

Pao­lo Baci­g­alu­pi war mir bis­her vor allem als Autor von Near-Future-SF auf­ge­fal­len, die im glo­ba­len Süden spielt. Jetzt hat er mit Navo­la (2024) einen Roman geschrie­ben, der sich als Fan­ta­sy klas­si­fi­zie­ren lässt, obwohl ein gro­ßer Teil der Hand­lung ohne Magie etc. aus­kommt. Navo­la ist eine Han­dels­re­pu­blik, die an Flo­renz oder Vene­dig erin­nert; das Buch spielt in einer Welt, die unse­rer Renais­sance ähnelt, auch wenn die beschrie­be­nen Orte und Län­der ande­re Namen tra­gen, und sich eine ande­re Reli­gi­on als domi­nant durch­ge­setzt hat. Die alten Göt­tern sind her­ab­ge­setzt, aber nicht ganz ver­schwun­den. Was mir gut gefällt: wie Baci­g­alu­pi (pseudo-)lateinische/italienische Begrif­fe (er)findet und in die Spra­che sei­ner Erzäh­lung ein­flie­ßen lässt. Auch das trägt dazu bei, in den All­tag einer der mäch­tigs­ten Ban­kiers­fa­mi­li­en Navo­las ein­zu­tau­chen und ihn ganz und gar für wahr zu neh­men. Navo­la erzählt die Lebens­ge­schich­te Davicos di Regu­lai, der der Spröss­ling die­ses Han­dels­hau­ses ist und bald des­sen Lei­tung über­neh­men soll. Die Regu­lai haben sich durch geschick­te Poli­tik ein die gan­ze dama­li­ge Welt umspan­nen­des Netz an Filia­len auf­ge­baut. Und wo Poli­tik nicht aus­reicht, gibt es noch Schat­ten­män­ner, Atten­tä­ter und zur Not auch ange­heu­er­te Armeen. Davico hat aller­dings kein Talent für Intri­gen. Wenn ihn etwas inter­es­siert, dann ist das die Welt der Natur, das Netz des mit­ein­an­der ver­bun­de­nen Lebens. Statt der Aus­bil­dung zum Han­dels­mann wür­de er lie­ber Natur­ge­lehr­ter wer­den – aber die­ser Weg ist ihm ver­schlos­sen. Und dann gibt es noch sei­ne „Schwes­ter“, Celia – die als Faust­pfand aus einer Feh­de Teil der Fami­lie gewor­den ist. Ach ja, und das Auge eines Jahr­tau­sen­de alten Dra­chens wird eben­falls eine Rol­le spie­len. — In mei­nem Urteil über Navo­la bin ich zwie­ge­spal­ten. Die Welt, die Baci­g­alu­pi meis­ter­haft auf­baut, ist inter­es­sant genug, um dar­in zu ver­sin­ken. Ich wür­de ger­ne mehr dar­über lesen und habe das Buch auch des­we­gen ver­schlun­gen. Das Buch hat aller­dings einen Kipp­punkt, ab dem der blu­ti­ge und bru­ta­le Unter­gang der Fami­lie di Regu­lai beschrie­ben wird. Ich ver­ste­he, war­um Baci­g­alu­pi die­sen Weg ein­schlägt, und auch die Aus­sa­ge, die er damit über die ger­ne ver­steck­ten Schat­ten­sei­ten einer erfolg­rei­chen und intri­gan­ten Han­dels­fa­mi­lie trifft – trotz­dem dach­te ich da: muss das sein? Wäre ein ande­rer Aus­gang der Geschich­te für Davico (und Celia) mög­lich gewe­sen? Oder ist genau die­ser bru­ta­le zwei­te Teil schon in den ers­ten Sei­ten und ers­ten Ent­schei­dun­gen angelegt?

Robin Slo­an war mir – ich gebe es ungern zu – bis­her kein Begriff. Über die World­con und das The­ma Solar­punk bin ich auf sei­nen Roman Moon­bound (2024) gesto­ßen. Eine viel bes­se­re Rezen­si­on, als ich sie je schrei­ben könn­te, fin­det sich dazu bei Cory Doc­to­row. Kurz gesagt: die Aben­teu­er des Jun­gen Ari­els wer­den aus der Per­spek­ti­ve einer 1000 Jah­re alten KI (ein „Chro­nic­ler“) beschrie­ben, die nach einem lan­gen Sleep-Mode-Zustand wie­der zum Leben (?) erweckt wird – und Ari­el selbst lebt in einer Welt, die 11.000 Jah­re nach unse­rer exis­tiert, eine Welt, die den Nie­der­gang unse­rer Zivi­li­sa­ti­on, den Auf­stieg der post­apo­ka­lyp­ti­schen Mensch­heit und deren Nie­der­gang erlebt hat, und in der es jetzt – (wir befin­den uns wei­ter­hin im Feld der Sci­ence Fic­tion) – spre­chen­de Tie­re gibt, Zau­be­rer, ver­teil­te Robo­ter, KIs, Gen­tech­no­lo­gie – und ein Solar­punk-Set­ting, in dem sowohl das maxi­ma­le Recy­cling wie auch ein groß­flä­chi­ges Car­bon Manage­ment (hier: durch spre­chen­de Bie­ber) eben­so einen Platz fin­den wie die Spät­fol­gen von LLMs. Sag­te ich schon, dass neben­bei auch Pop­kul­tur und Memes als Wun­der­waf­fe auf­tau­chen? Und die Arthur-Legen­de? Das klingt jetzt viel­leicht chao­tisch, aber das ist eine sehr schö­ne und sehr schön geschrie­be­ne Mischung. Alles ist genau­so, wie es scheint, egal wie uner­klär­lich es erst ein­mal wirkt. 

Moon­bound war dann der Aus­lö­ser für mich, auch nach den frü­he­ren Wer­ken von Slo­an zu gucken. Sourdough habe ich noch vor mir, gele­sen habe ich aber jetzt immer­hin mal Mr. Penumbra’s 24-Hour Book­s­to­re (2012) samt der Pre­quel-Kurz­ge­schich­te Ajax Pen­um­bra 1969. Und was soll ich sagen: ich bin begeis­tert. Zum einen, weil Pen­um­bra eine sehr gut erzähl­te Geschich­te über eine Quest ist, mit (magi­schen?) Arte­fak­ten, einem Geheim­bund, alten Büchern und einer meta­tex­tu­ell immer wie­der refe­ren­zier­ten Fan­ta­sy-Geschich­te, also einem Buch im Buch – und zum ande­ren, weil es eine sehr gut gelun­ge­ne Moment­auf­nah­me der 2010er Jah­re ist, also Goog­le noch ein weit­ge­hend bene­vo­len­ter Kon­zern war, Nerds noch Nerds sein konn­ten und die poli­ti­sche Düs­ter­nis der kom­men­den Jah­re sich noch nicht über die­se kali­for­ni­sche Sze­ne gelegt hat­te (auch wenn die eine oder ande­re weir­de Idee hier bereits ihren Auf­tritt hat). Ach ja: und Typo­gra­fie spielt eine tra­gen­de Rol­le. Großartig!