Photo of the week: Karlsruhe Hbf goes green

Karlsruhe Hbf goes green

 
Som­mer, Son­ne, sin­ken­de Infek­ti­ons­zah­len – all­mäh­lich wage ich mich wie­der aus dem Haus. Zum Bei­spiel, um (direkt im Anschluss an den digi­ta­len Par­tei­tag) an unse­rer Frak­ti­ons­vor­stands­klau­sur teil­zu­neh­men. Auf dem Weg dort­hin muss­te ich wie üblich in Karls­ru­he umstei­gen – und stell­te fest, dass Green­wa­shing dort recht weit getrie­ben wur­de. Zu sehen sind hier die Beton­mau­ern der Auf­fahr­ten ganz am Ende der Bahn­stei­ge – bis­her waren die grau. Jetzt nicht mehr.

Photo of the week: Ladybug on stage

Ladybug on stage

 
Die­ser Mari­en­kä­fer wäre noch etwas schär­fer gewor­den, wenn ich die rich­ti­ge Kame­ra zur Hand gehabt hät­te. Aber auch die Pseu­do-Tie­fen­schär­fe der Han­dy­ka­me­ra hat was.

Kurz: Wahlkampfblues

Dafür, dass ich beruf­lich mit Poli­tik zu tun habe (und jede Land­tags­wahl gespannt bis zum vor­läu­fi­gen End­ergeb­nis ver­fol­ge), ist mein Ver­hält­nis zu Wahl­kämp­fen doch eher ambi­va­lent. Es soll ja Leu­te geben, die mit Begeis­te­rung an Haus­tü­ren, Knei­pen und Info­stän­de gehen, um für Stim­men zu wer­ben. Dafür bin ich eher zu intro­ver­tiert. Und selbst auf sozia­len Medi­en, wo ich mich dann durch­aus selbst dar­an betei­li­ge, Argu­men­te mög­lichst wer­be­wirk­sam rüber­zu­brin­gen, kann ich ein gewis­ses Genervt­sein von Politiker:innen im Wahl­kampf­mo­dus durch­aus nach­voll­zie­hen. Aber trotz­dem: die Angrif­fe und Ver­dre­hun­gen des poli­ti­schen Geg­ners ein­fach ste­hen zu las­sen, das geht ja auch nicht.

Wenn es dabei um inhalt­li­che Angrif­fe geht – bei­spiels­wei­se um die Fra­ge der CO2-Beprei­sung und der Aus­wir­kun­gen auf unter­schied­li­che sozia­le Grup­pen – lässt sich bei aller Ver­zweif­lung über die Heu­che­lei der gro­ßen Koali­ti­on wie der Lin­ken ja noch halb­wegs sach­lich argu­men­tie­ren. Mit dem Ener­gie­geld haben wir ein Kon­zept, das gera­de die­je­ni­gen belohnt, die kei­ne rie­si­gen Alt­bau­ten bewoh­nen oder gro­ße Autos fah­ren. Kli­ma­schutz wird bei uns sozi­al gedacht, was aber nichts dar­an ändert, dass Kli­ma­schutz eine exis­ten­zi­el­le Fra­ge ist – und eben nicht ein x‑beliebiges poli­ti­sches Pro­blem, das mal höher und mal nied­ri­ger gewich­tet wer­den kann. In der Kon­se­quenz kann das unbe­quem sein. Und ich neh­me uns Grü­ne als ein­zi­ge ernst­haf­te poli­ti­sche Kraft wahr, die hier nicht scheut, not­wen­di­ge Zumu­tun­gen auch zu kom­mu­ni­zie­ren. Auch das steckt im Übri­gen in „Bereit, wenn Ihr es seid“, dem vor ein paar Tagen ent­hüll­ten Wahlkampfclaim.

Nein, so rich­tig schlimm bis uner­träg­lich ist Wahl­kampf im Modus der künst­li­chen Ver­dum­mung, der Schlamm­schlacht, bis hin zu nahe­zu schon trumpes­ken Tat­sa­chen­ver­dre­hun­gen und auf­ge­bla­se­nen Mücken­skan­da­len. Jede Reak­ti­on dar­auf ver­stärkt den Schlamm­ge­halt, nicht zu reagie­ren ist aber auch kei­ne Lösung. Das geht dann oft ein­her mit popu­lis­ti­scher Dumm­heit – ich unter­stel­le Scholz, Laschet, Wagen­knecht, Esken, Lind­ner, Söder und selbst dem Blu­me-Mar­kus von der CSU, dass sie sehr genau wis­sen, wie weit weg ihre Behaup­tun­gen von der Wahr­heit ent­fernt sind. Aber das scheint nicht das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um zu sein. Sich dumm zu stel­len, bewusst miss­zu­ver­ste­hen, böse Absicht zu unter­stel­len, wo Nach­läs­sig­keit die ein­fa­che­re Erklä­rung wäre – all das heißt auch, die Wähler:innen für dumm zu hal­ten und ihnen kei­ne ver­nunft­ge­lei­te­te und eigen­stän­di­ge Ent­schei­dung zuzutrauen.

Oder, um Jac­in­da Ardern zu zitieren:

I real­ly rebel against this idea that poli­tics has to be a place full of ego, whe­re you’re con­stant­ly focu­sed on scoring hits against one another.

Photo of the week: Bee incoming

Bee incoming

 
Dass ich die­se Bie­ne genau im Moment des Abbrem­sens vor der Lan­dung ins Bild bekom­men habe, ist, ehr­lich gesagt, eher Zufall. Sieht aber trotz­dem ein­drucks­voll aus.

Wellenbewegungen

Was ich immer wie­der fas­zi­nie­rend fin­de, ist das Pen­del der öffent­li­chen Auf­merk­sam­keit. Das erzeugt näm­lich durch sein Hin- und Her­schwin­gen eine Wel­len­be­we­gung (sie­he auch „Nach­rich­ten­zy­klus“ oder – in einem ande­ren Zeit­maß­stab – „Gart­ner-Hype-Zyklus“). Irgend­et­was ist neu und inter­es­sant, dann bekannt und nicht mehr span­nend, jetzt ist das Gegen­teil oder die pro­ble­ma­ti­sche Sei­te dar­an neu und inter­es­sant, auch das Inter­es­se dar­an ist irgend­wann gesät­tigt usw. Die­ses Hin- und Her­schwin­gen ergibt kei­ne schö­ne Sinus­wel­le, son­dern etwas chao­ti­sche­res, vor allem auch des­we­gen, weil sich Wel­len ver­schie­de­ner Fre­quenz über­la­gern und weil es ja auch lang­fris­ti­ge Ent­wick­lun­gen gibt. Aber so als Bild passt es ganz gut.

Bei­spiel 1: beim pol­ly­tix-Wahl­trend auf einen Zeit­raum von zehn Jah­ren auf­blen­den, ergibt fol­gen­des Bild:

Mit etwas Fan­ta­sie ist hier das Auf und Ab der Wel­len­käm­me und Wel­len­tä­ler etwa der grü­nen Umfra­ge­wer­te zu sehen. Aktu­ell ist es neu und inter­es­sant, gegen das als vor­herr­schend ange­nom­me­ne Bild „Anna­le­na Baer­bock ist ein fri­sches Ange­bot – sie könn­te tat­säch­lich Kanz­le­rin wer­den“ anzu­schrei­ben. Ich ver­mu­te: nicht ein­mal unbe­dingt aus einer poli­ti­schen Agen­da her­aus (und sicher­lich auch nicht ohne den einen oder ande­ren eige­nen Fett­napf der Par­tei), son­dern schlicht, weil das etwas ist, was nicht auf eine gesät­tig­te Auf­merk­sam­keit trifft.

Bei­spiel 2: Auch das Inter­es­se etwa am The­ma Kli­ma­schutz folgt einer – län­ger­fris­ti­gen Wel­len­be­we­gung. Schön zu sehen ist das in den Google-Trends:

Im März 2007 war das (mit dem Indi­ka­tor „Goog­le-Such­an­fra­gen“) gemes­se­ne Inter­es­se an „Kli­ma­wan­del“ schon ein­mal fast so hoch wie im Sep­tem­ber 2019. 2019: Gre­ta Thun­berg, Fri­days for Future. Klei­ne Aus­schlä­ge gibt es Ende 2009 und Ende 2015. 2015 ist das Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men, und auch die ande­ren klei­ne­ren Aus­schlä­ge dürf­ten mit Kli­ma­kon­fe­ren­zen zu tun haben. Im Febru­ar 2007 erschien ein Welt­kli­ma­be­richt, der (eben­falls in Paris) vor­ge­stellt und medi­al breit auf­ge­nom­men wurde.

Ich befürch­te, dass sich auch in den Jahr­zehn­ten davor immer wie­der ähn­li­che Aus­schlä­ge fin­den las­sen wür­den – 1992 Rio, 1997 Kyo­to, bei­spiels­wei­se. (Und schon 1989 gab es ein Taschen­buch aus dem Öko-Insti­tut, Ozon­loch und Treib­haus­ef­fekt

Das lässt sich auch empi­risch über­prü­fen – Goog­le Ngram durch­sucht Bücher. Und da ergibt sich bei der Suche nach „Kli­ma­wan­del“ und „Kli­ma­schutz“ fol­gen­des Bild:

Ein ers­ter klei­ner Wel­len­kamm 1960, dann 1990, 1994, 1998, 2002 … (also immer mit etwas Zeit­ver­zug hin­ter den Konferenzen …). 

Bei­spiel 3: Blei­ben wir bei Goog­le Ngram – und fügen noch „Umwelt­schutz“, „Natur­schutz“ und „Nach­hal­tig­keit“ hin­zu. Auch hier las­sen sich deut­li­che Wel­len sehen. Das Inter­es­se an Umwelt­schutz oder an Nach­hal­tig­keit scheint eben­falls einer Auf­merk­sam­keits­kur­ve zu fol­gen, bzw. sta­bi­li­siert sich dann nach Hype und Rück­gang auf einem höhe­ren Niveau. 

(Ich habe mir das vor eini­ger Zeit auch mal für die umwelt­so­zio­lo­gi­sche Fach­li­te­ra­tur ange­schaut, bezo­gen auf alle sozio­lo­gi­schen Ver­öf­fent­li­chun­gen in einer der Fach­da­ten­ban­ken, und auch das ergibt ein ähn­li­ches Bild mit kla­ren „Moden“ – irgend­wann ist das The­ma Umwelt neu und span­nend, und irgend­wann dann sozio­lo­gisch nicht mehr inter­es­sant, bis mit Nach­hal­tig­keit ein neu­er Aspekt dazukommt …).

Pro­blem bei die­sen Auf­merk­sam­keits­wel­len: die Kli­ma­kri­se (oder auch ande­re Umwelt­pro­ble­me) gehen nicht weg, wenn sie unin­ter­es­sant gewor­den sind. Aber sie sind auch nicht dafür geeig­net, stän­dig neu­es Inter­es­se und stän­dig neue Auf­merk­sam­keit zu pro­du­zie­ren, bzw. wenn sie anfan­gen, das zu tun, ist es zu spät. Die gro­ße Fra­ge ist also, wie die­se exis­ten­zi­el­len The­men oben auf der Agen­da blei­ben kön­nen, auch wenn sie immer mal wie­der aus dem Blick­punkt der Öffent­lich­keit weg­rut­schen (und dann immer wie­der neu erklärt wer­den muss, war­um das Pro­blem immer noch da ist …). Eine wirk­lich gute Ant­wort dar­auf habe ich nicht – aber den vor­sich­ti­gen Opti­mis­mus, dass es sich eben nicht um Sinus­wel­len han­delt, die gleich­mä­ßig hin- und her­schwap­pen. Viel­mehr nimmt die Höhe der Wel­len­tä­ler zu – die Abwärts­be­we­gun­gen gehen nicht bis Null, es kommt zu einer Art Pla­teau­bil­dung. Und dar­auf lässt sich dann aufbauen.