Nachdem die letzten beiden Fotos blau waren, diesmal sehr rot – ein Detail der Blüte einer Amaryllis, die inzwischen auch schon wieder verblüht ist.
Kurz: Schön ist das nicht
Nachdem der Kanzler „Überraschungen“ versprochen hatte, wurden gestern die Ergebnisse des seit Sonntag tagenden Koalitionsausschusses von Lars Klingbeil (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) der Öffentlichkeit vorgestellt. Einige große Streitpunkte – etwa die Finanzierung der Kindergrundsicherung – waren wohl gar nicht Thema, vielmehr ging es „nur“ um Klimaschutz, Verkehr und Wärmewende. Das Statement von Klingbeil blieb vage-wohlklingend. Lindner und Lang wurden sehr viel konkreter, und stellten jeweils drei Punkte als Ergebnis der „schwierigen Gespräche“ heraus.
Zusammengefasst: Klimaschutz bleibt ein Ziel der Koalition, aber die Wege dahin werden eher verunklart. Auf Sektorenziele soll verzichtet werden, statt dessen gibt es einen eher unscharfen Kontrollmechanismus. Geld in die Schieneninfrastrukturmodernisierung soll aus einer CO2-Abgabe zusätzlich zur LKW-Maut kommen. Die FDP bekommt ihr Sonderprogramm für E‑Fuels und den beschleunigten Ausbau von „Engpässen“ an Autobahnen. Das Naturschutzrecht soll mit den Ländern neu verhandelt werden. Bei der Wärmewende wird nochmals am Ziel festgehalten, Heizungen auf erneuerbare Energien umzustellen. Aus Sicht der FDP könnte das auch die „H2-Ready-Gasheizung“ sein, oder Holzpellets. Nun ja. Zudem soll die Wärmewende sozial abgefedert werden, allerdings – Lindner betonte das – nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern aus dem Sondertopf Klima- und Transformationsfonds. Ach ja: und Autobahnen und Schienenstrecken sollen von PV begleitet werden, im Detail ist da allerdings vieles noch unklar.
Schön ist das alles nicht. Vieles wurde schon im Koalitionsvertrag bzw. im letzten Koalitionsausschuss festgelegt und musste nun erneut – gegen erneute Zugeständnisse an die FDP – verhandelt werden. Deren Bockigkeit scheint sich zumindest kurzfristig auszuzahlen. Eventuell war es schon ein Erfolg, dass nicht noch mehr an Klimazielen eingerissen wurde. Die FDP jubiliert und geht in ihren Interpretationen weit über das hinaus, was vereinbart wurde. Ich vermute deswegen, dass sie bei der nächsten Gelegenheit erneut blockieren und nachbohren werden, und dass es keine Verlässlichkeit gibt. Das Wort Lindners scheint nicht viel zu zählen. Die SPD schaut zu und lässt machen. Mein Eindruck: Scholz will niemand etwas zumuten. Er will der Kanzler sein, der dafür sorgt, dass der Klimaschutz niemand lästig wird, das sich nichts verändert – eine ziemlich konservative Position für den selbsternannten „Klimakanzler“ einer „Fortschrittskoalition“. Auch das: keine Überraschung.
Was machen wir jetzt damit? Ich habe eine gewisse Restzuversichtlichkeit, dass die grünen Minister*innen es doch schaffen, ein paar entscheidende Hebel zu stellen, beim Windkraftausbau, bei der Photovoltaik, eben auch bei der Wärmewende. Dass die Verkehrspolitik in den Händen der FDP liegt, stellt sich – Koalitionsvertrag hin oder her – als großer Fehler heraus. In der Summe: keine verlorenen Jahre für den Klimaschutz, aber es reicht halt nicht, wenn eine von drei Parteien hier vorangeht, und die anderen bremsen, wo es nur geht. Wäre das in einer schwarz-grünen Koalition besser? Es gibt nichts, was darauf hindeutet. Wäre ein Aufkündigen der Koalition, der Gang in die Opposition oder in unsichere Neuwahlen besser: auch das sehe ich nicht.
Aber vielleicht braucht es eine Spur mehr Härte und Schärfe. Niemand mag eine Regierung, die sich streitet. Das ist eine Binsenweisheit. Aber eine grüne Koalitionspartnerin, die immer nur Zusgeständnisse macht, macht sich kleiner, als sie ist. Wenn Blockaden und Angriffe auf SPD und FDP notwendig sind, um etwas zu erreichen – dann muss das wohl so sein. Schön ist das nicht. Aber vielleicht effektiv. Und letztlich kommt es, weil die Klimakrise mit einer Wachstumsfunktion verbunden ist, darauf an, so schnell wie möglich Pflöcke einzurammen und weichen zu stellen. Wir wissen jetzt, dass die FDP dazu nichts beiträgt, und dass der „Klimakanzler“ lieber zuschaut, als zu führen. Es hängt also an uns.
Photo of the week: Opfinger See
Photo of the week: Flowering trees
Das WissZeitVG als Musterbeispiel der Verschlimmbesserung
Ich bin seit zwölf Jahren nicht mehr an der Uni beschäftigt, und beruflich wie ehrenamtlich gehört Hochschulpolitik schon seit einigen Jahren nicht mehr zu meinem Portfolio. Trotzdem ärgere ich mich sehr über den jetzt vorgelegten Eckpunkte-Entwurf der Ampel-Hochschulpolitiker*innen und des BMBF zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Neben einigen vielleicht sinnvollen Punkten wie etwa Mindestlaufzeiten für studentische Verträge ist ein zentraler Eckpunkt dieser Reform die Verkürzung der Post-Doc-Zeiten von sechs auf drei Jahre. Und das sorgt berechtigterweise gerade für eine Welle der Empörung in den sozialen Medien, auf die die genannten Hochschulpolitiker*innen leider alles andere als professionell reagieren. (P.S.: inzwischen hat das BMBF zumindest nochmal neue Gespräche angeboten … ein großer Erfolg für #ichbinhanna, ich hoffe, da bewegt sich dann auch etwas).
Irgendwie gab es da wohl den Glauben, dass die Reform mit hübschen Sharepics, einem lächelnden Politiker*innen-Foto und ein paar netten Worten „verkauft“ werden kann. Die bei einem solchen Punkt vorhersehbare Kritik – nicht nur von Leuten, die jetzt gerade Post-Docs sind, also nach der Promotion an der Hochschule forschen und lehren, sondern auch von vielen Professor*innen, der GEW und sogar der Hochschulrektorenkonferenz – scheint für einige überraschend gekommen zu sein. Umso mehr klammern sich die Ampel-Politiker*innen daran, dass sie es doch gut meinen, und dass alle, die es kritisch sehen, nur nicht verstanden haben, wie gut sie es meinen. Ich nehme wahr, dass dies bei der SPD und bei der ja eng mit dem BMBF verbundenen FDP etwas mehr passiert und die grüne Haltung von Laura Kraft und Nina Stahr etwas verhaltener ausfällt, aber das mag mein Bias bzw. eine leise Hoffnung sein, dass ein solches Gesetz letztlich nicht durch die Ampel durchgehen kann. Jedenfalls dann nicht, wenn alle hochschulpolitischen Akteur*innen jetzt gemeinsam deutlich machen, dass das so einfach großer Mist ist.
Gleichzeitig zeigt diese Reform, wie schwierig gute und gelingende Hochschulpolitik ist. Das hat leider etwas mit unserem Föderalismus zu tun: für die Regelung der Arbeitszeiten ist der Bund zuständig, für das meiste andere an Hochschulen die Länder.
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