Äpfel und Birnen vergleichen
Ich kaufe inzwischen zu ungefähr 80–90% Bioprodukte. Das mag auch daran liegen, dass ich inzwischen eine Kundenkarte bei „meinem“ Bioladen habe und damit das Preisniveau halbwegs erträglich ist. Letztlich kaufe ich aber aus politischen Gründen „bio“: weil ich Probleme damit habe, wie der agrarindustrielle Komplex wirtschaftet, weil ich, wenn ich schon Milchprodukte und Eier verzehre, zumindest keine Massentierhaltung damit unterstützen möchte, und weil ich – zum Beispiel beim Kaffee und bei Schokolade – inzwischen „fair“ und „bio“ verbinden kann und sich das sozio-ökologisch gut anfühlt.
Ich weiss, dass es viele gibt, die den Bio-Konsum weniger politisch begründen, sondern – LOHAS ist hier das Schlagwort – mit Lifestyle und „Health“ (vgl. auch NVS II). Aber auch kontrolliert biologisch angebauter fairer Rohrohrzucker ist Zucker, um nur ein Beispiel zu nennen, warum „bio“ nicht automatisch „gesund“ bedeutet. Insofern wundern mich die jetzt viel diskutierten Ergebnisse des Stiftung-Warentest-Vergleichs zwischen biologisch angebauten und konventionellen Produkten wenig. Und ja: dass, wenn beim Anbau weniger Gift eingesetzt wird (auch z.B. Kupferlösungen im Weinbau sind letztlich Gift), dann auch weniger Pestizide im Essen sind: auch das wundert mich nicht wirklich.
Gleichzeitig muss schon gefragt werden, mit was für einem Verständnis die Stiftung Warentest an den Vergleich rangegangen ist. Zumindest zwischen den Zeilen scheint da die alte Tonnen-Ideologie durchzuscheinen. Gut ist, wo viel drinsteckt – Hochleistungskühe, überdüngte Felder, aufgeputsche Kunstlebensmittel, und was möglichst billig ist. Mit der SZ kann also die Frage gestellt werden, was die politische Agenda dahinter ist, Biolebensmittel schlechtzureden („sind ja gar nicht besser“) – vor allem dann, wenn die Ergebnisse des Vergleichs diese Aussage gar nicht decken.
Und auch dem Fazit der SZ kann ich mich nur anschließen:
Aber gemessen an den Ansprüchen, mit denen die ökologische Landwirtschaft eigentlich angetreten ist, bleibt es dabei: Bio war und ist besser. Besser für die Umwelt, die Tiere und letztlich auch für den Menschen.
Es geht also nicht um Gesundheitsförderung und „medicinal food“, sondern um einen viel weiter gefassten Begriff von Gesundheit – vergleichbar der Definition der WHO. Die Ansprüche ökologischer Landwirtschaft bestehen eben nicht darin, hochpreisige Nischenlebensmittel mit Wellnessfaktor zu produzieren, sondern ein Ernährungssystem zu etablieren, dass Lebensmittel herstellt, die nicht auf Massentierhaltung angewiesen sind, die Böden und Grundwasser in der Bewirtschaftung schonen und die idealerweise in regionaler Nähe produziert werden.
Anders gesagt: letztlich verbergen die so objektiv erscheinenden Testergebnis und Noten, dass dahinter immer ein – durchaus auch offengelegter, aber nichtsdestotrotz gesetzter – Maßstab der Bewertung steht. Insofern vergleicht die Stiftung Warentest hier Äpfel und Birnen.
Warum blogge ich das? Erstens, weil mich die Frage nach der Agenda hinter dem Schlechtreden von Biolebensmitteln durchaus auch umtreibt – und zweitens, weil ich es interessant finde, was für ein Echo diese – ja immer wieder mal auftauchenden – Meldungen haben. Kurz gesagt: die Politik des Biolebensmittelkonsums. Und drittens, weil ich glaube, dass wir „Ökos“ auch eine Spur Selbstkritik brauchen – eine qualitative Inhaltsanalyse der Produktwerbung und der einschlägigen Magazine dürfte zu Tage fördern, dass gerade in den letzten Jahren die für den Boom so förderliche Botschaft „Gesundheit“ immer wieder gerne nach vorne gestellt wurde.
In eigener Sache: „Service temporarily unavailable“ – 503
Dass Strato nicht unbedingt die beste Lösung ist, um ein WordPress-Blog zu hosten (zumindest mit einem der kleineren Pakete), weiss ich. Das äußert sich z.B. in dem doch recht lahmen Seitenaufbau. Trotzdem liegt mein Blog da seit geraumer Zeit, und die Schwelle, über einen Serverumzug nachzudenken, ist mir bisher zu hoch.
Ein Problem, das im Zusammenhang mit Strato oft berichtet wird, ist der „Fehler 503 – Service temporarily unavilable“. Bisher dachte ich, dass das eben schlicht ein Zeichen von Überlastung ist – zuviele Zugriffe parallel, zu wenig parallele Datenbankverbindungen möglich oder so. Henning hat mir jetzt berichtet, dass er beim Kommentieren reproduzierbar diesen Fehler bekommt – während andere in der gleichen Zeit kommentieren konnten. Seltsam!
Mit ein wenig Googlen bin ich auf eine möglich Lösung gekommen: im Bereich „ServerSide Security“ unter den Paket-Einstellungen ist (automatisch) ein lernender Spam-Filter für „Gästebucheinträge“ aktiviert. Der scheint manchmal ein bißchen übereifrig zu sein – zudem kann WordPress selbst ganz gut mit Spam umgehen. Ich habe diesen Filter jetzt deaktiviert und hoffe, dass das die 503-Quote ein wenig senkt.
Grundgesetz in Afghanistan (Update: Bundespräsident Köhler zurückgetreten!)
Heute ist der Tag des Grundgesetzes. Das Grundgesetz wird 61 Jahre alt – und auch, wenn es eine ganze Reihe von fragwürdigen Operationen gab (ich denke da z.B. an die faktische Abschaffung des Asylrechts), ist es doch insgesamt noch recht rüstig.
Im Grundgesetz geregelt ist auch der Einsatz der „Streitkräfte“ – also der Bundeswehr – im Normalfall und im „Verteidigungsfall“. Der Normalfall ist u.a. in den Artikeln Artikel 24 (2), 80a und 87a geregelt:
Artikel 24 (2)
(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
Artikel 80a
(1) Ist in diesem Grundgesetz oder in einem Bundesgesetz über die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung bestimmt, daß Rechtsvorschriften nur nach Maßgabe dieses Artikels angewandt werden dürfen, so ist die Anwendung außer im Verteidigungsfalle nur zulässig, wenn der Bundestag den Eintritt des Spannungsfalles festgestellt oder wenn er der Anwendung besonders zugestimmt hat. Die Feststellung des Spannungsfalles und die besondere Zustimmung in den Fällen des Artikels 12a Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.
(2) Maßnahmen auf Grund von Rechtsvorschriften nach Absatz 1 sind aufzuheben, wenn der Bundestag es verlangt.
(3) Abweichend von Absatz 1 ist die Anwendung solcher Rechtsvorschriften auch auf der Grundlage und nach Maßgabe eines Beschlusses zulässig, der von einem internationalen Organ im Rahmen eines Bündnisvertrages mit Zustimmung der Bundesregierung gefaßt wird. Maßnahmen nach diesem Absatz sind aufzuheben, wenn der Bundestag es mit der Mehrheit seiner Mitglieder verlangt.
Artikel 87a
(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.
(3) Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann den Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen.
(4) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.
Auch das Amt des Bundespräsidenten als höchstem Repräsentaten ist im Grundgesetz geregelt. Der aktuelle Amtsinhaber, Horst Köhler, hat einen Blitzbesuch in Afghanistan durchgeführt. Dabei sagte er u.a. folgendes:
„Meine Einschätzung ist aber, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren“, sagte er weiter. Als Beispiel für diese Interessen nannte Köhler „freie Handelswege“, weil davon auch Arbeitsplätze und Einkommen abhingen.
Auch andere Medien berichten darüber, beim Deutschlandradio gibt/gab es das Interview im Wortlaut (Link auf fefe.de). Eine Einschätzung dazu findet sich auch bei Jörg Rupp.
Was ist jetzt das Problem, wenn der Bundespräsident am Tag des Grundgesetzes deutlich macht, dass er es für sinnvoll hält, von der bisherigen Grundlage für den Einsatz der Bundeswehr abzuweichen. Das „Freihalten von Handelswegen“ – also der militärische Schutz wirtschaftlicher Interessen – ist jedenfalls doch etwas deutlich anderes als z.B. die Gewährleistung einer friedlichen Weltordnung im Rahmen eines Sicherheitssystems. Ob das so zusammenpasst?
Beim (laienhaften) Blick in das Grundgesetz wird aber noch etwas anderes deutlich: das rechtliche Konstrukt, das die aktuellen Militäreinsätze erlaubt, ist doch arg wacklig. Denn wenn es sich dabei tatsächlich um den (im Grundgesetz geregelten) Verteidigungsfall handeln würde, dann sind damit – eigentlich – drastische Grundrechtseinschränkungen im Inneren verbunden.
Warum blogge ich das? Weil mich ein Statusupdate von Bernhard Goodwin auf die Idee gebracht hat. Und weil ich mich frage, warum das Deutschlandradio die entsprechende Passage nachträglich aus dem Interview genommen hat.
Update (31.05.2010): Damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet – wie die Tagesschau soeben meldet, hat Bundespräsident Köhler seinen Rücktritt erklärt – wegen seiner Äußerung in Afghanistan.