Flash Fiction: Elfenflügel

Als Rode­rich heu­te sei­ne Maus in die Hand neh­men woll­te, ent­deck­te er einen Elfen­flü­gel. Den hob er ganz vor­sich­tig ins Licht – bei jedem Atem­hauch droh­te er ihm zu ent­flie­hen – und sah die fei­nen Struk­tu­ren, die in die gla­si­ge Sub­stanz hin­ein­ge­wirkt waren. Er seufz­te. So wie ein Flü­gel eines Ahorn­sa­mens, aber viel klei­ner und durch­sich­ti­ger und fei­ner. So wie eine Feder, aber eben doch ganz anders. Jemand ande­res hät­te die­sen Flü­gel für den eines Insekts hal­ten kön­nen. Aber wie­so soll­te ein Insekt aus­ge­rech­net auf sei­ner Maus einen Flü­gel ver­lie­ren, und wozu? Rode­rich war sich sicher, dass er einen Elfen­flü­gel gefun­den hat­te, und um das zu ver­ste­hen, braucht es eine Vor­stel­lung davon, wie sein Schreib­tisch aussieht.

Nicht jeder Schreib­tisch ist so voll­ge­packt wie der von Rode­rich. Orga­nisch gewach­se­ne Papier­ber­ge bil­den das Roh­ma­te­ri­al die­ser Archi­tek­tur, gebän­digt durch meh­re­re inzwi­schen tief in der Schreib­tisch­stadt ver­bor­ge­ne Bücher, Büro­werk­zeu­ge, die lan­ge ver­miss­te Klei­der­bü­gel, die Metall­ver­stre­bung der Schreib­tisch­lam­pe – so eine, die Inge­nieu­re an ihren Zei­chen­ti­schen haben – und natür­lich durch den Schreib­tisch selbst. Die fein zise­lier­te Stadt aus Papier erstreckt sich über meh­re­re Stock­wer­ke. Unter­ir­disch – also unter­halb der Schreib­tisch­plat­te – fin­den sich über­ein­an­der gela­ger­te Akten­ord­ner, die aus der Per­spek­ti­ve sehr klei­ner Lebe­we­sen wie Kel­ler­ge­wöb­le wir­ken wür­den. Dar­über tür­men sich, wohl auf zwei Drit­teln der Schreib­tisch­flä­che, kom­pakt ver­schach­tel­te Bau­wer­ke mit baro­cken Aus­buch­tun­gen, Erkern und behaue­nen Seiten. 

Ein Drit­tel des Tisches bleibt Rode­rich, aber mit den gan­zen digi­ta­len Medi­en braucht er ja nicht mehr viel Platz. Da steht der Bild­schirm, da liegt die Tas­ta­tur, und für die Maus ist auch noch Platz. Mit eini­ger Sor­ge betrach­tet Rode­rich aller­dings den sich nach und nach ent­wi­ckeln­den Über­hang, der hin­ter dem Maus­pad in die Höhe ragt. Wenn der so wei­ter­wächst, dann wird das Maus­pad in nicht allz­uf­er­ner Zukunft in einer Höh­le liegen.

Von die­ser Klip­pe aus muss­te der Elfen­flü­gel auf die Maus hin­ab­ge­fal­len sein. Als Bot­schaft? Es wäre nicht das ers­te Mal. Schon vor eini­gen Wochen war Rode­rich auf Wider­stand gesto­ßen, als er ver­sucht hat­te, einen der Papier­sta­pel umzu­gra­ben, auf der Suche nach einem Buch, das bereits vor Wochen wie­der in der Biblio­thek hät­te ste­hen sol­len. Inzwi­schen nahm Rode­rich lan­ge Umwe­ge in Kauf, um das Pro­vi­so­ri­um zu umge­hen, in dem die Biblio­thek der­zeit unter­ge­bracht war. Er fand es erstaun­lich, dass Mahn­ge­büh­ren einen zu sol­chen Schrit­ten zwin­gen kön­nen, aber so war es halt. Aber lie­ber der Biblio­thek aus dem Weg gehen als noch ein­mal zu erle­ben, wie eine harm­los aus­se­hen­de Akten­map­pe sich beim Ver­such, sie hoch­zu­he­ben, als zent­ner­schwer erwies. Auch der Weg von der ande­ren Sei­te war ver­sperrt. Zwar konn­te er eini­ge Blät­ter umschich­ten – und mein­te dabei, ein Grol­len und lei­ses Flu­chen zu hören – aber dann hät­te er fast in die offe­ne Sche­re gegrif­fen. Und er war sich sicher, dass hier weni­ge Minu­ten zuvor noch kein geöff­ne­tes Sche­ren­blatt in die Höhe geragt hat­te. Als er erneut nach dem Sta­pel griff, tra­fen drei Steck­na­deln sei­ne Fin­ger. Das tat weh und ging zu weit. 

Rode­rich kleb­te ein Pflas­ter auf den Hand­rü­cken, setz­te sich wie­der auf sei­nen Schreib­tisch­stuhl und wun­der­te sich dar­über, dass der Bild­schirm schwarz blieb. Bei genaue­rem Hin­se­hen leuch­te kei­ne der Leucht­di­oden. Und als er unter den Schreib­tisch kroch, um nach der Ursa­che zu for­schen, fand er die Steck­do­sen­leis­te aus­ge­steckt. Er fürch­te schon um sei­ne Fest­plat­te, fass­te sich dann aber mit einem Schmer­zen­schrei an den Kopf. Die spit­ze Kan­te eines der hier gesta­pel­ten Akten­ord­ner hat­te ihn gerammt! Auch hier eine blu­ten­de Wun­de, und ein wei­te­res Pflas­ter, die­ses direkt am Haar­an­satz. Danach lief der Rech­ner wie­der, als wäre nichts gewe­sen, und auch die Tage und Wochen dar­auf hat­te sich sein Schreib­tisch wie ein Schreib­tisch und nicht wie eine wehr­haf­te Elfen­stadt verhalten. 

Doch jetzt: der win­zig­klei­ne Elfen­flü­gel, der so harm­los glän­zend auf sei­ner Maus gele­gen war. Rode­rich ahn­te, was das zu bedeu­ten hat­te. Ja, er brauch­te gar nicht mal die Wiki­pe­dia auf­ru­fen oder ins Rol­len­spiel-Hand­buch zu schau­en: ein der­ar­ti­ges Opfer einer der Elfen konn­te nur eine – womög­lich töd­li­che? – Dro­hung aus der Schreib­tisch­stadt sein. Er seufz­te noch ein zwei­tes Mal. 

Wenn er die Maus vor die Tas­ta­tur schob – das Maus­pad als Bau­grund muss­te er natür­lich an sei­nem Platz lie­gen las­sen – ja, so konn­te es gehen. Das Schrei­ben am Com­pu­ter war auf die­se Wei­se zwar ein wenig unbe­quem; aber doch bes­ser, als sich mit den Elfen aus der papier­er­nen Stadt anzu­le­gen. Viel­leicht war es an der Zeit, den Tisch ganz aufzugeben.

Elf Sätze zum Sorgerecht

Flight geometry

Bei Ant­je Schrupp und bei der Mäd­chen­mann­schaft wer­den die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen rund um das Sor­ge­recht ana­ly­siert und hef­tig dis­ku­tiert. Mein ers­ter Ein­druck: die Auf­he­bung des Veto­rechts für nicht-ehe­li­che Müt­ter beim Sor­ge­recht ist eben­so sinn­voll wie der Vor­schlag von Jus­tiz­mi­nis­te­rin Leu­theus­ser-Schnar­ren­berg, künf­tig das gemein­sa­me Sor­ge­recht auch bei nicht mit­ein­an­der ver­hei­ra­te­ten Eltern als Stan­dard ein­zu­füh­ren. Die­se Sicht der Din­ge mag auch mit mei­ner per­sön­li­chen Situa­ti­on zu tun haben. Ich bin froh, dass mei­ne Part­ne­rin und ich das gemein­sa­me Sor­ge­recht für unse­re bei­den Kin­der haben (die­se Mög­lich­keit gibt es erst seit 1998) – das passt zu unse­rer Vor­stel­lung ega­li­tä­rer Eltern­schaft. Und ich kann bestä­ti­gen, was wohl auch ande­re erfah­ren haben, dass es näm­lich als nicht ver­hei­ra­te­tes Paar ein ziem­li­cher Auf­wand ist, das gemein­sa­me Sor­ge­recht zu bean­tra­gen. Dazu müs­sen Vater und Mut­ter gemein­sam beim Jugend­amt erschei­nen – wir haben das aus prak­ti­schen Grün­den und nach Bera­tung durch unse­re Heb­am­me vor der Geburt gemacht -, sich einen Vor­trag dar­über anhö­ren, dass die Ent­schei­dung nur durch Gerichts­ur­teil wie­der auf­heb­bar ist, und die Part­ne­rin wird ganz unvoll­jäh­rig noch­mal ganz beson­ders auf die Trag­wei­te ihres Ent­schlus­ses hin­ge­wie­sen. Dass es unter die­sen Umstän­den häu­fig dazu kommt, dass unver­hei­ra­te­te Paa­re das gemein­sa­me Sor­ge­recht nicht bean­tra­gen, erscheint mir plau­si­bel – und die Karls­ru­her Ent­schei­dung ein Schritt hin zu einer Gleich­stel­lung von ver­hei­ra­te­ten und nicht ver­hei­ra­te­ten Paaren.

Aller­dings gibt es auch Argu­men­te, die gegen die Rege­lung einer gemein­sa­men Sor­ge als Stan­dard­fall spre­chen, und die mich jetzt auch ein biß­chen ins Grü­beln gebracht haben. Das eine ist der in die­sem taz-Kom­men­tar schön zum Aus­druck gebrach­te Punkt, dass „Vater­schaft“ ganz unter­schied­li­ches bedeu­ten kann, von der ega­li­tä­ren Fami­li­en­ar­beit oder der Allein­ver­ant­wor­tung bis hin zu einem „Will-damit-nichts-zu-tun-haben“: da stellt sich schon die Fra­ge, ob eine sol­che Fest­le­gung für alle Fäl­le passt, bzw. wie das gere­gelt wer­den kann. Noch schwer­wie­gen­der erscheint mir das von bei­den oben ver­link­ten Blogs ange­spro­che­ne Argu­ment, dass mit der gemein­sa­men Sor­ge von leib­li­cher Mut­ter und leib­li­chem Vater letzt­lich ein ganz bestimm­tes sozia­les – hete­ro­nor­ma­ti­ves – Modell von Fami­lie und Eltern­schaft gefea­tured wird, und dass hier die bio­lo­gi­sche Eltern­schaft gegen­über einer wie auch immer zustan­de gekom­me­nen sozia­len Eltern­schaft klar prä­fe­riert wird. Jedes Kind braucht Eltern – aber müs­sen das genau zwei sein, genau ein Mann und genau eine Frau (die zusam­men das Kind gezeugt haben)?

P.S.: Wahr­schein­lich ist das recht­lich-poli­ti­sche Kon­zept Fami­li­en­ver­trag hier der letzt­lich sinn­volls­te Weg.

F4, Java und die Korruption (Nachtrag 4)

Kurz das Wich­tigs­te: Die Feh­ler­mel­dung „asser­ti­on fai­led“ von Micro­soft Visu­al C++ Run­time Libra­ry (Line 132 in t2kstrm.c) taucht auf, wenn ein Teil der Java-Run­time-Engi­ne (JRE) bei bestimm­ten in Java geschrie­be­nen Pro­gram­men – zum Bei­spiel der Tran­skrip­ti­ons­soft­ware F4, Ver­si­on 3, unter Win­dows XP, aber auch bei ande­ren Pro­gram­men – im Win­dows-Schrif­ten­ord­ner auf Schrift­ar­ten im For­mat TTF stößt, die „kor­rupt“ sind (z.B. ungül­ti­ge Ver­wei­se im Datei­auf­bau, nicht ganz stan­dard­kon­form). Um die­se Java-Pro­gram­me trotz­dem zum Lau­fen zu brin­gen, ist es not­wen­dig, die­se Schrift­ar­ten zu löschen – was wie­der­um nicht so ganz ein­fach ist, wie ich selbst erfah­ren durf­te. Was ich gemacht habe, was pas­siert ist, und wie ich mein Sys­tem wie­der zum Lau­fen gekriegt habe, steht unten. Wer es nach­ma­chen möch­te: auf eige­ne Gefahr.

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Wie Frauen und Männer das Internet nutzen

Ich war eigent­lich auf der Suche nach was ganz ande­rem (näm­lich sozio­de­mo­gra­phisch auf­ge­schlüs­sel­ten Daten zur Ver­füg­bar­keit von Mobil­te­le­fo­nen in pri­va­ten Haus­hal­ten) beim Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt, bin dabei aber auf die Publi­ka­ti­on Pri­va­te Haus­hal­te in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft gesto­ßen (Fach­se­rie 15, Rei­he 4, 2009). Das ist eine im April und Mai 2009 durch­ge­führ­te euro­pa­wei­te Erhe­bung zur Nut­zung und Ver­füg­bar­keit von Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie. Die­se fin­det alle drei Jah­re statt. 

Im ver­link­ten Ergeb­nis­band fin­den sich nun zwar lei­der kaum Aus­sa­gen zur IuK-Tech­no­lo­gie Mobil­te­le­fon (nur zur mobi­len Inter­net­nut­zung), aber dafür anders inter­es­san­tes – näm­lich nach Geschlecht* und nach Alter auf­ge­schlüs­sel­te Daten zur Nut­zung des Inter­net. Die wich­tigs­ten davon habe ich mal in zwei Tabel­len gepackt. Im eigent­li­chen Bericht sind noch eini­ge Daten mehr ent­hal­ten, aber die­se hier erschie­nen mir beson­ders interessant:


Tabel­len zur Netz­nut­zung, Daten­quel­le: Stat. Bun­des­amt, Fach­se­rie 15, Rei­he 4, 2009. Ankli­cken zum Vergrößern

In den Tabel­len sind jeweils Pro­zent­an­ga­ben nach Geschlecht (m/w/gesamt) und Alters­grup­pe ange­ge­ben; alle Anga­ben in der obe­ren Tabel­le bezie­hen sich auf Per­so­nen des ange­ge­be­nen Geschlechts und Alters, die im ers­ten Quar­tal 2009 das Netz genutzt haben. In der unte­ren Tabel­le sind die­se umge­rech­net auf die Gesamt­be­völ­ke­rung (also inkl. Nicht-Nut­ze­rIn­nen) in der jewei­li­gen Kom­bi­na­ti­on aus Geschlecht und Alters­grup­pe. Die Anga­be „u“ ist der „/“ aus der amt­li­chen Tabel­le und bedeu­tet, dass die Zahl der Fäl­le im Feld zu klein für eine siche­re Anga­be ist (d.h. weni­ger als 50 Fäl­le). Befragt wur­den in die­ser amt­li­chen Erhe­bung ins­ge­samt 23556 Personen.

Inter­es­sant ist nun der Blick auf die lachs­far­ben und baby­blau­en Fel­der. Baby­blau steht dafür, dass hier der jewei­li­ge Anteil bei den Män­nern um mehr als 3 Pro­zent­punk­te über dem der Frau­en liegt; lachs­far­ben mar­kiert die umge­kehr­te Dif­fe­renz. Auch wenn das nicht die sinn­volls­te Metho­de ist, um über die Signi­fi­kanz von Unter­schie­den zwi­schen zwei Grup­pen zu spre­chen, ergibt sich zumin­dest schnell ein Bild.

In der letz­ten Spal­te – Gesamt­be­völ­ke­rung unab­hän­gig vom Alter – sind es nur drei bzw. (bezo­gen auch auf die Nicht-Nut­ze­rIn­nen, die nach Geschlecht dif­fe­rie­ren) nur ein Item, bei dem die Nut­zung durch Män­ner nicht um min­des­tens drei Pro­zent­punk­te über der Nut­zung durch Frau­en liegt. Mehr Män­ner als Frau­en sind mobil im Inter­net, mehr Män­ner als Frau­en schau­en Fern­se­hen oder hören Radio im Inter­net, mehr Män­ner machen Online-Ban­king und laden Com­pu­ter­spie­le her­un­ter. Die Spann­wei­te der Unter­schie­de ist dabei beacht­lich und reicht von 5 Pro­zent­punk­ten beim E‑Government (Behör­den­kon­takt per Netz) bis zu 26 Pro­zent­punk­ten Dif­fe­renz beim Down­load von Software.

Kei­ne (nen­nens­wer­te) Dif­fe­renz ergibt sich in die­ser Betrach­tungs­wei­se für die drei „akti­ven“ Items: nicht nach Geschlecht unter­schied­lich fällt dem­nach die Netz­nut­zung für eMail und für ande­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men (Chat­ten und Foren­kom­men­ta­re hat das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hier zusam­men­ge­wor­fen) aus – und auch bei der Erstel­lung eige­ner Inhal­te gibt es kaum Differenzen. 

Soweit bestä­tigt sich zunächst das eta­blier­te Bild netz­af­fi­ner Män­ner und weni­ger netz­af­fi­ner Frauen.

Wird nun das gan­ze nach Alter dis­agr­eg­giert, zei­gen sich erstaun­li­che Dif­fe­ren­zen zwi­schen den­je­ni­gen ab 25 Jah­ren und den bei­den Alters­grup­pen dar­un­ter. Hier gibt es jetzt näm­lich plötz­lich Berei­che der Netz­nut­zung, die häu­fi­ger von Frau­en als von Män­nern betrie­ben wer­den. Nament­lich geht es dabei wie­der um die The­men EMail-Schrei­ben, sons­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on im Netz und das Erstel­len eige­ner Inhal­te. Dazu kommt ein leich­ter Vor­sprung beim E‑Government. Die Dif­fe­renz beim Online-Ban­king ebnet sich ein. 

Sowohl beim Down­load von Soft­ware, beim Down­load von Com­pu­ter­spie­len wie auch bei der Nut­zungs­häu­fig­keit und bei der mobi­len Nut­zung bleibt die Geschlech­ter­dif­fe­renz > 3 % dage­gen erhalten.

Wie sind die­se Daten nun zu inter­pre­tie­ren? Gehen weib­li­che digi­tal nati­ves ganz anders an das Netz ran als Frau­en über 24 Jah­ren? Oder sind hier Geschlech­ter­ver­hält­nis­se im Sin­ne bei­spiels­wei­se der zuneh­men­den Ver­ant­wor­tung für Fami­li­en­ar­beit, die dann weni­ger Zeit für einen – eh männ­lich kon­no­tier­ten (Schön­ber­ger 1999, 2008) – expe­ri­men­tel­len Umgang mit neu­en Tech­no­lo­gien lässt? 

Und natür­lich über­tra­gen sich die all­tags­welt­li­chen Pro­zes­se und Prak­ti­ken des doing gen­ders auch ins Netz – femi­nis­ti­sche Blogger(i/I)nnen kön­nen davon ein Lied sin­gen, das betrifft aber auch Zuwei­sun­gen von Tätig­keits­be­rei­chen, als nor­mal ange­se­he­ne Akti­vi­tä­ten und erwar­te­tes Ver­hal­ten. In die­sem Zusam­men­hang ist es auf­fäl­lig, dass es gera­de die „kom­mu­ni­ka­ti­ven“ Berei­che sind, in denen Frau­en stär­ker oder ähn­lich stark in der Netz­nut­zung ver­tre­ten sind wie Män­ner. Das könn­te jetzt natu­ra­lis­tisch inter­pre­tiert wer­den, im Sin­ne eines „Frau­en sind halt kom­mu­ni­ka­ti­ver, Män­ner repa­rie­ren halt lie­ber das Auto spie­len halt lie­ber Computerspiele“. 

Ich hal­te eine sol­che Inter­pre­ta­ti­on aber nicht nur für unwahr­schein­lich, son­dern auch für gefähr­lich – und wür­de eher davon aus­ge­hen, dass hier zwei Din­ge zu beob­ach­ten sind: Ers­tens die Nor­ma­li­sie­rung der Netz­nut­zung, also eine Ver­schie­bung vom expe­ri­men­tell-tech­ni­schen ins all­täg­lich-untech­ni­sche, so dass das Netz schon lan­ge nicht mehr als „Män­ner­do­mä­ne“ zu betrach­ten ist. Die­se Ver­all­täg­li­chung ist aber nicht auf alle Tätig­keits­fel­der und Gerä­te glei­cher­ma­ßen aus­ge­rich­tet und gleich­mä­ßig ver­teilt. Das Instal­lie­ren von Soft­ware oder der „neue“ mobi­le Netz­zu­gang ragen hier heraus.

Zwei­tens ist gera­de in die­sem ver­all­täg­lich­ten Netz ein Durch­schla­gen der ganz „nor­ma­len“ Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten zu beob­ach­ten, und zwar sowohl auf der Ebe­ne „erlaub­ter“ und als rol­len­kon­form wahr­ge­nom­me­ner Akti­ons­fel­der als auch auf der Ebe­ne struk­tu­rel­ler Ein­schrän­kun­gen – also Kin­der­er­zie­hung als Bruch­li­nie zwi­schen den Alters­grup­pen. Das spie­gelt sich dann ver­mut­lich auch in den ein­zel­nen Berei­chen wie­der, also bei­spiels­wei­se trotz der fast iden­ti­schen Antei­le beim Erstel­len eige­ner Inhal­te, im Phä­no­men der männ­li­chen Alpha-Blogger.

So inter­es­sant die­se sta­tis­ti­schen Daten sind – eigent­li­ches Wis­sen dar­über, wie die­se Dif­fe­ren­zen zu Stan­de kom­men, war­um sie sich in bestimm­ten Berei­chen über die Alters­grup­pen hin­weg fort­set­zen und in ande­ren auf­bre­chen, braucht ande­re Metho­den – also den Blick auf die Prak­ti­ken der Netz­nut­zung, die Ana­ly­se des dis­kur­si­ven Doing Gen­ders und die Unter­su­chung der struk­tu­rel­len Mög­lich­kei­ten. Dane­ben wäre es m.E. auch sinn­voll, die Dif­fe­ren­zie­rung noch wei­ter zu trei­ben – die Sek­tio­nie­rung nach Alter und Geschlecht zeigt Abhän­gig­kei­ten vom Lebens­ver­lauf. Das sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hat sei­ne Daten auch nach Bil­dungs­stand dis­agg­re­giert – aber eben nicht gekop­pelt mit den ande­ren Fak­to­ren. Natür­lich gerät auch da die Reprä­sen­ta­tiv­sta­tis­tik an ihre Gren­zen (schon jetzt sind eini­ge Fel­der nicht aus­wert­bar, weil die Fall­zah­len zu klein wer­den). Prin­zi­pi­ell jedoch wäre, wenn schon das quan­ti­ta­ti­ve Para­dig­ma bemüht wer­den soll, genau hier der nächs­te Schritt, also beim Blick dar­auf, wie sozia­le Her­kunft – viel­leicht auch die Fami­li­en­struk­tur – mit Alter und Geschlecht interagieren.

P.S.: Ich bin mir sicher, dass es Blogs und wei­te­re For­schungs­ar­bei­ten zu die­sem The­men­feld gibt. Nach­dem ich eigent­lich auf der Suche nach etwas ganz ande­rem war, habe ich da jetzt nicht wei­ter recher­chiert, son­dern nur das, was ich eh gera­de in der Hand hat­te, her­bei­ge­zo­gen. Über Hin­wei­se in den Kom­men­ta­ren wür­de ver­mut­lich nicht nur ich mich freuen.


* Selbst­ver­ständ­lich geht das sta­tis­ti­sche Bun­des­amt dabei von Zwei­ge­schlecht­lich­keit aus.

Lite­ra­tur
Schön­ber­ger, Klaus (1999): »Inter­net zwi­schen Spiel­wie­se und Fami­li­en­post. Doing Gen­der in der Netz­nut­zung«, in Eike Hebecker/Frank Kleemann/Harald Neymanns/Markus Stauff (Hrsg.): Neue Medi­en­wel­ten. Zwi­schen Regu­lie­rungs­pro­zes­sen und all­täg­li­cher Aneig­nung. Frank­furt: Cam­pus, S. 249–270.

Schön­ber­ger, Klaus (2008): »Doing Gen­der, kul­tu­rel­les Kapi­tal und Prak­ti­ken des Blog­gens«, in Hen­gart­ner, Thomas/Simon Micha­el: Bil­der-Bücher-Bytes. Ber­lin. www.

Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt (2009): Pri­va­te Haus­hal­te in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft – Nut­zung von Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie. Wirt­schafts­rech­nun­gen. Fach­se­rie 15 Rei­he 4. Wies­ba­den: Sta­tis­ti­sches Bundesamt.

War­um blog­ge ich das? Weil ich nicht den Ein­druck habe, dass Daten
wie die­se all­ge­mein bekannt sind.

Nach­trag: Das gan­ze als Dia­gram­me visua­li­siert gibt es hier:

diagramme-netznutzung
Abbil­dung. Netz­nut­zung nach Alter und Geschlecht.
Quel­le: Stat. Bun­des­amt, eige­ne Dar­stel­lung. Ankli­cken zum Vergrößen.