Der elektrische Chauffeur

Street car with spring meadow II

Laut der groß ange­leg­ten Stu­die Mobi­li­tät in Deutsch­land 2008 hat­te zum Befra­gungs­zeit­punkt etwa sie­ben Pro­zent der Bevöl­ke­rung ab 17 Jah­ren kei­nen Füh­rer­schein. Wie das 2015 aus­sieht, wer­den wir erst nächs­tes Jahr wis­sen, eine Neu­auf­la­ge die­ser Befra­gung ist der­zeit in Arbeit. Die Grö­ßen­ord­nung wird ähn­lich sein; im Jahr 2002 waren es etwa 7,5 Prozent. 

Ich fin­de das inter­es­sant, weil ich selbst zu die­sen etwa sie­ben Pro­zent gehö­re. Kei­nen Füh­rer­schein zu machen, war – als ich 18, 19, 20 Jah­re alt war – eine bewuss­te Ent­schei­dung im Sin­ne eines öko­lo­gi­schen Lebens­stils. Nach dem Mot­to, dass, wer einen Füh­rer­schein hat, auch Auto fah­ren will. 

„Der elek­tri­sche Chauf­feur“ weiterlesen

Kulturkampf um das imaginäre Land

Adopt a pop culture I

Um die Zukunft und die Ver­gan­gen­heit – so weit sie als Sci­ence Fic­tion bzw. als Fan­ta­sy ima­gi­niert wer­den – fin­det der­zeit, von der grö­ße­ren Öffent­lich­keit weit­ge­hend unbe­merkt, ein Kul­tur­kampf statt. Unbe­merkt, aber nicht unwich­tig, denn wo anders als in die­sem Gen­re ent­steht das kol­lek­ti­ve Ima­gi­nä­re? Ein heiß dis­ku­tier­tes Sym­ptom für die­sen Kul­tur­kampf sind die vor weni­gen Tagen bekannt­ge­ge­be­nen Hugo-Nomi­nie­run­gen. Um das zu ver­ste­hen, ist aller­dings etwas Hin­ter­grund notwendig.

„Kul­tur­kampf um das ima­gi­nä­re Land“ weiterlesen

Kurz: Auf in die Zukunft, Baden-Württemberg!

"Auf in die Zukunft"Im reiz­vol­len Sig­ma­rin­gen star­te­te heu­te der Pro­gramm­pro­zess der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen mit dem ers­ten von vier Zukunfts­fo­ren. Zum Auf­takt skiz­zier­te im öffent­li­chen Teil Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann Erfol­ge und zukünf­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen grü­ner Poli­tik im Länd­le. Danach bestand die Mög­lich­keit für die Bevöl­ke­rung, mit Minis­te­rIn­nen und Abge­ord­ne­ten ins Gespräch zu kom­men. Der Bil­dungs­tisch war dabei – wie immer bei sol­chen Gele­gen­hei­ten – stark umla­gert. Auch das ist Poli­tik des Gehört­wer­dens.

Nach der Mit­tags­pau­se (vegan oder vege­ta­risch, ganz nach Wahl) ging’s dann par­tei­in­tern wei­ter mit Foren (bei mir: zum einen Bil­dung, zum ande­ren Hoch­schu­le – da durf­te ich auch einen Input geben), in denen Ideen für das Wahl­pro­gramm gesam­melt und in sehr kon­struk­ti­ver Wei­se dis­ku­tiert wur­den. Wer denkt, nach vier Jah­ren grün-rot und einem zu gro­ßen Tei­len erle­dig­tem Koali­ti­ons­ver­trag sei alles getan, was zu tun ist, täusch­te sich: „5 Jah­re mehr Zukunft“, wie es auf dem Ver­an­stal­tungs­but­ton hieß, wür­den Baden-Würt­tem­berg durch­aus gut tun. Es gibt vie­les, was ange­sto­ßen wur­de, aber noch nicht zu Ende geführt ist, und es gibt – gera­de, wenn die gefragt wer­den, die sich nicht Tag für Tag mit der Umset­zung von Gesetz­ent­wür­fen und Ver­ord­nun­gen befas­sen – vie­le, vie­le Ideen dafür, wo ein Kabi­nett Kret­sch­mann II noch ganz neue Din­ge anpa­cken könnte.

Wenn auch die ande­ren drei Zukunfts­fo­ren so ver­lau­fen, dann bin ich guten Mutes, dass wir mit einem Pro­gramm in die Land­tags­wahl gehen kön­nen, das nicht nur (berech­tig­tes) Lob für das seit 2011 Erreich­te ent­hält, son­dern bunt und viel­fäl­tig gera­de auch im Hin­blick auf zukünf­ti­ge Pro­jek­te und Her­aus­for­de­run­gen sein wird, die dar­auf auf­bau­en kön­nen. Five more years!

Experimenteller Technikoptimismus

Street art computer

Die Zukunft vor­her­zu­sa­gen, ist noto­risch schwie­rig. Den­noch wird es – die Geschich­te des Retro­fu­tu­ris­mus eben­so wie der apo­ka­lyp­ti­schen War­nun­gen zeugt davon – immer wie­der ver­sucht. Judith Hor­chert, Mat­thi­as Kremp und Chris Stö­cker ver­su­chen es heu­te auf Spie­gel Online mit einem Stück zu Fünf Tech­no­lo­gien, die unse­ren All­tag ver­än­dern wer­den.

Mit etwas tech­nik­so­zio­lo­gi­schem Bauch­ge­fühl aus­ge­stat­tet füh­le ich mich hier zum Wider­spruch ange­sta­chelt. Ich hal­te es für unwahr­schein­lich, dass sich die fünf von Spie­gel Online beschrie­be­nen digi­ta­len Tech­no­lo­gien in den nächs­ten sagen wir mal fünf Jah­ren weit in den gesell­schaft­li­chen All­tag hin­ein ver­brei­ten wer­den. Zu oft sind genau in die­sen Berei­chen schon Revo­lu­tio­nen aus­ge­ru­fen wor­den. Und trotz der Ver­wei­se auf das Moo­re­sche Gesetz, auf stei­gen­de Rechen­power, Durch­brü­che in Robo­tik und neu­ro­na­len Netz­wer­ken hal­te ich es für unwahr­schein­lich, dass es bei all die­sen fünf Tech­no­lo­gien nicht nur zu tech­ni­schen Durch­brü­chen kommt (Pro­to­ty­pen gibt es), son­dern auch gesell­schaft­lich durch­set­zungs­fä­hi­ge Anwen­dungs­mo­del­le gefun­den wer­den. Das Video­te­le­fon oder die Leucht­stoff­röh­re lie­fern hier inter­es­san­te Beispiele.

Aber viel­leicht ist das auch nur mein zuneh­men­der Kon­ser­va­ti­vis­mus – schließ­lich habe ich die für die Offen­heit für neue Tech­no­lo­gien magi­sche Gren­ze von 30 Jah­ren schon län­ger über­schrit­ten. Kurz­um: Wer recht hat, wird sich in den nächs­ten Jah­ren zei­gen. Des­we­gen habe ich eine Rei­he von lee­ren Erin­ne­rungs­ar­ti­keln ange­legt, die Word­Press im Abstand von jeweils einem Jahr auto­ma­tisch pos­ten wird – mit der Auf­for­de­rung, mal nach­zu­schau­en, wie es um die Durch­set­zung der jewei­li­gen Tech­no­lo­gien bestellt ist.

Und weil nicht klar ist, ob es den SpOn-Arti­kel dann noch geben wird, lis­te ich die Pro­gno­sen von Hor­chert et al. hier noch ein­mal auf:

  1. Robo­tik: „Künf­tig aber dürf­ten Maschi­nen, die schein­bar auto­nom einem oder gleich meh­re­ren Zwe­cken die­nen, sich zuneh­mend in unse­rem All­tag breit­ma­chen. Als schwei­gen­de Hel­fer in Kran­ken­häu­sern, als Lager­ar­bei­ter im Couch­tisch-For­mat oder als Ein­park­hel­fer. Vom Staub­sauger, Fens­ter­put­zer, über Lie­fer­droh­nen bis hin zu huma­no­iden Maschi­nen wie Bax­ter, die in Fabrik­be­trie­ben diver­se Auf­ga­ben übernehmen.“
  2. Selbst­fah­ren­des Auto: „Dass man sich in sechs bis acht Jah­ren per App ein Taxi ohne Fah­rer wird bestel­len kön­nen, darf als sicher gel­ten. Und auf Lkw-Rast­plät­zen an Auto­bah­nen könn­te es mit­tel­fris­tig merk­lich lee­rer werden.“
  3. Vir­tu­el­le Rea­li­tät: „Schon in weni­gen Jah­ren wird man im Zug oder im Flug­zeug Men­schen mit VR-Gerät am Kopf statt mit Lap­top oder Tablet als Film­ab­spie­ler antref­fen. Und es wer­den Unter­hal­tungs­for­ma­te ent­ste­hen, die wir uns noch gar nicht vor­stel­len können.“
  4. Auto­ma­ti­sche Über­set­zung on the fly: „Schon bald dürf­te es nor­mal sein, dass Tou­ris­ten in Japan, Spa­ni­en oder Kroa­ti­en ein­fach die Sät­ze in ihre Smart­phones spre­chen, die sie sagen möch­ten. Das Han­dy über­setzt die Ant­wor­ten dann ebenfalls.“
  5. Künst­li­che Intel­li­genz: „Die digi­ta­le Lebens­welt der Zukunft braucht noch ein Betriebs­sys­tem. Die­se Auf­ga­be wird aller Wahr­schein­lich­keit nach die Tech­no­lo­gie über­neh­men, die man heu­te Künst­li­che Intel­li­genz (KI) nennt. In eini­gen Jah­ren wird man ver­mut­lich nur noch ‚Com­pu­ter‘ oder ‚Tele­fon‘ zu ihr sagen.“

Soweit die Pro­gno­sen. Am 14. Febru­ar 2016 wer­de ich dann zum ers­ten Mal nach­schau­en, was jeweils der Stand die­ser Tech­no­lo­gien ist. Ich bin gespannt.

War­um blog­ge ich das? Als klei­nes Expe­ri­ment zum The­ma Lang­zeit­blog­gen und Techniksoziologie.

Lesezeichen: „Among Others“ und anderes

Titel Among OthersIn den letz­ten Wochen habe ich ziem­lich viel gele­sen; auch die Weih­nachts­zeit etc. haben das ihre dazu bei­getra­gen, dass ich Zeit dazu gefun­den habe. Dazu gehör­ten unter ande­rem Wil­liam Gib­sons neu­er Roman The Peri­phe­ral (teil­wei­se recht span­nend, aber irgend­wie nicht ganz so groß­ar­tig, wie ich das erwar­tet hät­te), Ken MacLeods Des­cent (Ufos ins Schott­land, oder viel­leicht auch nicht), Ben Aaron­vitchs Fox­glove Sum­mer (mit eng­li­schen Elfen und Ein­hör­nern) und Ursu­la K. Le Guins über ihr gan­zes Werk zurück­schau­en­de Kurz­ge­schich­ten­samm­lung The Unre­al & The Real (die mir noch ein­mal sehr deut­lich gemacht hat, war­um ich LeGu­in für eine her­aus­ra­gen­de Schrift­stel­le­rin hal­te, und ihren Stil sehr mag). Außer­dem kamen meh­re­re tau­send Sei­ten Peter F. Hamil­ton dazu, den ich bis­her ver­passt hat­te. Andy Weirs The Mar­ti­an – klas­si­sche har­te Sci­ence Fic­tion mit einem Schuss Mac­Gy­ver – muss­te ich an einem Stück lesen. 

Der eigent­li­che Anlass für die­sen Blog­ein­trag ist aber Jo Walt­ons Among Others, das Ende der 1970er Jah­re in Wales und Süd­eng­land spie­len­de gehei­me Tage­buch eines Teen­agers, das bereits Anfang 2011 erschie­nen ist. 

Mor­ween, nach einem Unfall ver­krüp­pelt, wird auf ein Inter­nat geschickt. Sie ist klug und beob­ach­tet sich selbst und ihre Umwelt ziem­lich genau. Die klas­si­sche Außen­sei­ter­ge­schich­te. Walt­on ver­webt geschickt zwei Erzähl­strän­ge inein­an­der. Die Coming-of-Age-Geschich­te eines Mäd­chens aus unüber­sicht­li­chen Fami­li­en­ver­hält­nis­sen, die vor ihrer Mut­ter weg­ge­lau­fen ist, und Halt und Freund­schaft fin­det im Sci­ence-Fic­tion- und Fan­ta­sy-Kanon der 1970er Jah­re, und eine Geschich­te über Magie, Feen und die Mut­ter als böse gewor­den­de Hexe.

„Lese­zei­chen: „Among Others“ und ande­res“ weiterlesen