Degrowth muss wachsen, oder: Selbstbegrenzung statt Verzicht?

Degrowth 2014, Leipzig

Heu­te ist in Leip­zig die Degrowth-Kon­fe­renz zu Ende gegan­gen. Da waren rich­tig vie­le Leu­te – so um die 3000. Was dann zu Beginn auch halb­wegs stolz ver­kün­det wur­de – in Bar­ce­lo­na 150 Leu­te, in Paris 450, jetzt noch­mal ein erheb­li­ches Wachs­tum. Super, wir sind vie­le! Degrowth wächst. Oder steckt da ein Wider­spruch drin?

Vier Tage lang ging es in Leip­zig vor allem um eines: um Wachs­tum. Dass Degrowth ein hip­pes The­ma ist, zeig­te sich nicht nur an der gro­ßen Teil­neh­men­den­zahl, son­dern auch an der Viel­falt. Die Kon­fe­renz war halb­wegs inter­na­tio­nal. Sie wur­de von den übli­chen Ver­bän­den aus der Umwelt- und der Eine-Welt-Bewe­gung eben­so unter­stützt wie von den Par­tei­stif­tun­gen der SPD, der Grü­nen und der LINKEN. Der Fokus schwank­te zwi­schen radi­ka­ler Kri­tik am Wachstum=Kapitalismus und Geschäfts­mo­del­len, zwi­schen Per­ma­kul­tur­bas­te­lei­en und sozi­al- und geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Theo­rie­schlach­ten. Es war genug für alle da. 

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Kurz: Teleobiologie

Vor eini­gen Tagen wur­de dar­über berich­tet, dass in unse­rer nächs­ten galak­ti­schen Nach­bar­schaft der Pla­net Glie­se 832c ent­deckt wor­den ist, der deut­lich grö­ßer als die Erde ist (fünf­fa­che Erd­mas­se), aber wohl so halb­wegs in einer bewohn­ba­ren Zone liegt, und eben auch ein Gesteins-(und-Wasser?)-Planet ist. Super-Erde, heißt das dann. 

Glie­se 832c liegt nur 16 Licht­jah­re von hier ent­fernt. Oder, anders gesagt, nur rund 150.000.000.000.000 km. Irgend­wo las ich, dass die der­zeit schnells­ten Raum­son­den für die­se 16 Licht­jah­re ein paar tau­send Jah­re brau­chen wür­den. Nähe ist also doch sehr rela­tiv – und selbst ein hypo­the­ti­sches Raum­fahr­zeug, das mit Licht­ge­schwin­dig­keit fliegt, wäre hin und zurück noch mehr als eine Gene­ra­ti­on unter­wegs (muss ja auch beschleu­nigt und abge­bremst werden). 

Inso­fern ist es extrem unwahr­schein­lich, dass ein Pla­net wie Glie­se 832c je von Men­schen betre­ten wer­den wird. Was eher im Raum des Wahr­schein­li­chen für die nächs­ten Jahr­zehn­te liegt, ist der Bau eines extrem hoch­auf­lö­sen­den Tele­skops, mit dem direk­te Auf­nah­men die­ses Pla­ne­ten gemacht wer­den könn­ten. Span­nend fin­de nun die Fra­ge, was pas­sie­ren wür­de, wenn über der­ar­ti­ge Auf­nah­men (oder ande­re Metho­den) ein ein­deu­ti­ger Nach­weis erbracht wür­de, dass es auf Glie­se 832c intel­li­gen­tes Leben gibt. Besu­che sind unmög­lich, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­si­gna­le brau­chen eben­falls 16 Jah­re pro Stre­cke, Unter­hal­tun­gen füh­ren geht also auch nicht so ein­fach. Was wären die kul­tu­rel­len Kon­se­quen­zen hier auf der Erde, wenn wir ziem­lich sicher nach­wei­sen könn­ten, dass es anders­wo im All intel­li­gen­tes Leben gibt?

Kurz: Zurück in die Zukunft?

Lost lettersAuf Tree­hug­ger lese ich, dass es einen gewis­sen Trend zurück zu „dum­men“ Mobil­te­le­fo­nen gibt, also den robus­ten Gerä­ten von z.B. Nokia, mit einer über meh­re­re Tage rei­chen­den Akku­lauf­zeit, ohne Spe­zi­al­funk­tio­nen, ohne Inter­net, aber eben mit Tele­fon und SMS. Und einem Wecker. Auch wenn ich eher mal bezwei­feln wür­de, ob das tat­säch­lich ein ver­läss­li­cher Trend ist, fin­de ich die­se Gegen­be­we­gung zur gesell­schaft­li­chen Durch­set­zung des Smart­phones durch­aus inter­es­sant und beobachtenswert.

Ein Grund dafür ist ein ganz per­sön­li­cher: Mein gutes altes Sam­sung mag nicht mehr so recht, d.h. zur Zeit bin ich selbst auf ein „Alt­ge­rät“ ange­wie­sen, um zumin­dest tele­fo­nisch und per SMS erreich­bar zu sein, wenn ich unter­wegs bin. Was beruf­lich unab­ding­bar ist. Das mit der ein­ge­schränk­ten Erreich­bar­keit wird sich dann ändern, wenn das Fair­pho­ne irgend­wann im Som­mer in sei­ner zwei­ten Inkar­na­ti­on auf den Markt kommt. Bis dahin fehlt mit das mobi­le Inter­net. Bzw. es fehlt mir nicht kom­plett, son­dern es fehlt mir dann, wenn ich nicht gera­de in einem ICE mit funk­tio­nie­ren­dem Tele­kom-Hot­spot sit­ze. Ent­spre­chend kann ich die Zug­fahrt­zeit nur noch sehr viel ein­ge­schränk­ter für alles nut­zen, was Netz vor­aus­setzt – den Abruf dienst­li­cher Mails eben­so wie der inten­si­ve Social-Media-Kon­sum (oder der Blick in mei­nen Online­ka­len­der). Nervt manch­mal, hat aber auch etwas entschleunigendes. 

Dar­an hängt dann die gro­ße Fra­ge, ob die Epo­che der all­ge­gen­wär­ti­gen Ver­netz­heit und der lücken­lo­sen Kom­mu­ni­ka­ti­on im Rück­blick in zwan­zig, fünf­zig oder hun­dert Jah­ren als Start­punkt einer neu­en Nor­ma­li­tät oder als eine für spä­te­re Gene­ra­tio­nen schwer ver­ständ­li­che Pha­se all­ge­mei­ner Auf­ge­regt­heit gedeu­tet wer­den wird. Geschich­te und tech­no­lo­gi­sche Moden fol­gen ja nicht unbe­dingt linea­ren Kur­ven, son­dern pen­deln, bewe­gen sich auf Spi­ra­len oder S‑Kurven. Inso­fern führt der oben ver­link­te Arti­kel zumin­dest vor Augen, dass es auch anders sein könn­te, dass der nächs­te Schritt nach dem Smart­phone eben nicht das in Klei­dung (Goog­le Glass z.B.) oder gar ins Gehirn inte­grier­te all­ge­gen­wär­ti­ge Inter­face zum glo­ba­len Netz­werk sein muss, son­dern dass auch ein Rück­schlag des Pen­dels eine Mög­lich­keit sein kann, hin zu einer Deu­tung von stän­di­ger kom­mu­ni­ka­ti­ver Nähe z.B. als ein Pri­vi­leg, das nur ganz weni­gen, aus­ge­wähl­ten Per­so­nen gewährt wird, statt das Ein­tau­chen in den andau­ern­den qua­si­öf­fent­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­strom als der­nier cri zu zelebrieren.

Flucht vom Planeten Erde

On a search for the falling star XII

Ana­tol Ste­fa­no­witsch reg­te sich heu­te über, sagen wir mal, die tech­nik­be­zo­ge­ne Ober­fläch­lich­keit der Mensch­heit auf. Also, dass z.B. sehr viel mehr Geld in Smart­phone­schnick­schnack fließt als in z.B. die bemann­te Raum­fahrt. Ich fas­se sei­ne Tweets mal zusammen:

Wir könn­ten längst auf dem Mars sein. Statt­des­sen lesen wir atem­lo­se Nach­rich­ten von einer Fir­men­zen­tra­le namens „Space­ship Cam­pus“. Und zwar der Fir­men­zen­tra­le eines Kon­zerns für Unter­hal­tungs­elek­tro­nik, nicht etwa für Raumfahrt.

Dumm nur, dass die­se Fir­men­zen­tra­le längst Stahl‑, Glas- und Beton­schrott sein wird, wenn uns klar wird, dass wir auf der Erde fest­sit­zen. (Bzw., unse­re Nach­kom­men, die dann zum Trost mit Ber­gen unse­res Elek­tronik­mülls spie­len können.)

Aber viel wich­ti­ger: Das neue iPho­ne, es wird viel­leicht ein gekrümm­te Dis­play haben! Gekrümmt! Ist Wis­sen­schaft nicht wundervoll? 

Ich konn­te dann nicht anders, als ihm zu wider­spre­chen. Nicht, weil ich die Fra­ge der Dis­play­krüm­mung des neu­en iPho­nes beson­ders wich­tig fän­de, son­dern weil ich die Besied­lung ande­rer Pla­ne­ten für ein ziem­lich uto­pi­sches Vor­ha­ben hal­te. Also für eines, das sich gut für – lite­ra­ri­sche – Uto­pien eig­net (und natür­lich noch viel bes­ser für (New) Space Ope­ra), das mir aber als Ret­tungs­kon­zept für das Über­le­ben der Mensch­heit doch höchst unge­eig­net erscheint.

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Darf Politik das? Konstruktive Technologiepolitik am Beispiel 3D-Druck

Sand cake

Vor ein paar Tagen hat Rein­hard Büti­ko­fer eine Stu­die des Öko-Insti­tuts (20-Sei­ten-Fas­sung der Stu­die, pdf) vor­ge­stellt, die im Auf­trag der Frak­ti­on „Die Grünen/Europäische Freie Alli­anz“ im euro­päi­sche Par­la­ment die (öko­lo­gi­schen) Risi­ken und Chan­cen der Tech­no­lo­gie des 3D-Drucks bewer­tet hat. Auch Hei­se hat dar­über berich­tet; dort heißt es u.a., dass die grü­ne Frak­ti­on aus der Stu­die die For­de­rung ablei­tet, eine Arbeits­grup­pe ein­zu­set­zen, die sich Gedan­ken dazu macht, ob und wenn ja wie der 3D-Druck euro­pa­weit regu­liert wer­den soll.

Das hat – erwar­tungs­ge­mäß? – zu einem klei­nen Netz-Auf­schrei geführt. Der Ver­gleich mit dem Inter­net liegt nahe – was, eine neue Tech­no­lo­gie, die sich gera­de aus der Babykrip­pe erhebt, soll sofort tot­re­gu­liert wer­den?! Wie soll denn da eine Gold­grä­ber­stim­mung auf­kom­men! Und über­haupt! Technikfeinde!

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