Kurz: Carta, mal durchgezählt (mit langen Updates)

Ich schät­ze Car­ta sehr. Laut Selbst­be­schrei­bung ist Car­ta ein „Autoren­blog für digi­ta­le Öffent­lich­keit, Poli­tik und Öko­no­mie“. Ich neh­me es eher als kura­tier­te, neue Form digi­ta­ler Öffent­lich­keit wahr denn als Blog, fast schon mehr ein Maga­zin neu­en Typs. Umso mehr freut es mich, dass eini­ge mei­ner Tex­te auch bei Car­ta erschie­nen sind. Und ich lese Car­ta eben­falls sehr gerne.

Heu­te aller­dings wun­der­te ich mich – nicht zum ers­ten Mal – über das Gefühl, in einem rei­nen Män­ner­me­di­um zu lesen. Jeder Arti­kel ist mit einem klei­nen, schwarz-wei­ßen Autoren­bild ver­se­hen, und es sind eben ganz über­wie­gend Män­ner, die einen da anbli­cken. So jeden­falls mein Gefühl. Und weil so ein Gefühl trü­gen kann, habe ich halb­wegs empi­risch ein­fach mal die letz­ten 100 Bei­trä­ge genom­men – ein Zeit­raum, der von Mit­te Febru­ar bis heu­te reicht – und durch­ge­zählt. Mei­nem sub­jek­ti­ven Emp­fin­den nach ist das kein Zeit­raum, der durch beson­de­re Män­ner­the­men gekenn­zeich­net gewe­sen wäre, Fuß­ball oder so; ich ken­ne mich da aller­dings zuge­ge­be­ner­ma­ßen nicht so beson­ders aus, was Män­ner­the­men wären. 


AutorIn­nen der zwi­schen Mit­te Febru­ar und heu­te erschie­ne­nen 100 Arti­kel in Car­ta, geord­net nach Anzahl der Arti­kel pro Autor/pro Autorin. Lese­bei­spiel: Der Autor mit den meis­ten Arti­keln hat im Unter­su­chungs­zeit­raum elf Arti­kel ver­öf­fent­licht, die Autorin mit den meis­ten Arti­keln zwei. Klei­nes Bild: Geschlech­ter­ver­tei­lung der AutorIn­nen bezo­gen auf die 100 zuletzt erschie­nen Artikel.

Jeden­falls bestä­ti­gen die Daten mein Gefühl doch recht deut­lich. 89 Pro­zent der Bei­trä­ge stamm­ten von Män­nern. Von den 53 Per­so­nen, die in die­sem Zeit­raum auf Car­ta ver­öf­fent­lich haben oder ver­öf­fent­licht wur­den, waren gera­de ein­mal sie­ben Frau­en (13% der Per­so­nen, 8/100 Bei­trä­gen). Fast alle davon sind nur mit einem ein­zi­gen Bei­trag in die­sem Zeit­raum ver­tre­ten, eine ein­zi­ge Frau mit zwei Bei­trä­gen. Das wun­dert mich dann doch, weil es natür­lich sehr viel mehr Frau­en gibt, die zu „digitale[r] Öffent­lich­keit, Poli­tik und Öko­no­mie“ lesens­wer­te Din­ge im Netz schrei­ben. War­um tau­chen die auf Car­ta kaum auf? Ich las­se das jetzt ein­fach mal so ste­hen. Viel­leicht löst es ja eine Debat­te aus.

* * *

P.S.: Vera Bun­se von Car­ta mach­te mich dar­auf auf­merk­sam, dass die­se Debat­te nicht ganz neu ist (und sie kei­ne Lust dar­auf hat, sich aktu­ell dar­an zu betei­li­gen). Was ich ein Stück weit nach­voll­zieh­bar finde.

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Kurz: Der neue Herd

Mei­ne Eltern haben mir zum Geburts­tag einen neu­en Herd geschenkt. Der ist jetzt da, und glänzt, und dass er da ist, ist auch des­we­gen eine tol­le Sache, weil beim alten nur noch zwei Plat­ten rich­tig benutz­bar waren.

Aber: Ich fremd­le noch ein biss­chen mit dem neu­en Herd. Obwohl der neue wie der alte mit Glas­ke­ra­mik arbei­tet. Tech­no­lo­gisch also nichts neu­es. Den­noch: ich fremd­le. Und das hat – neben der Angst, die neue Makel­lo­sig­keit zu beein­träch­ti­gen – viel mit Pra­xis­theo­rie zu tun. Und mit dem, was je nach Theo­rie­rich­tung als tacit know­ledge, als impli­cit know­ledge oder als embo­di­ed know­ledge bezeich­net wird. Also „kör­per­li­ches“ Wis­sen über Hand­lungs­voll­zü­ge, das unter­halb aus­sprech­ba­rer, expli­zi­ter Wis­sens­be­stän­de ange­sie­delt ist.

Klar: Es gibt eine Anlei­tung, in der steht, wel­che Ein­stel­lun­gen für Spie­gelei und wel­che für das Kochen von Was­ser rich­tig sind. Aber das ist es nicht. Beim alten Herd wuss­te ich – so ein Dreh mit dem Hand­ge­lenk, und nach einer gewis­sen Zeit­span­ne dann die­se und jene Geräu­sche. Oder bes­ser gesagt: Ich wuss­te das nicht. Es war ein­fach so. Jetzt ist es anders. Und das Schei­tern die­ser Erwar­tun­gen zeigt, wie eng gera­de die tech­ni­schen Arte­fak­te in ihren Details mit den halb­be­wuss­ten, halb­au­to­ma­ti­schen Hand­lungs­voll­zü­gen sozia­ler Prak­ti­ken ver­bun­den sind. 

Bald wird der neue Herd nicht mehr neu, son­dern ver­traut sein. Aber bis dahin zwingt er mich dazu, Hand­grif­fe expli­zit zu tun, und immer wie­der zu schau­en, ob alles stimmt. Noch fremd­le ich.

Tsunami quergelesen


Inter­net-Tsu­na­mi-Spi­ra­le nach Lachen­may­er et al. 2013, S. 262, Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vor weni­gen Tagen ist eine Stu­die zur poli­ti­schen Öffent­lich­keit und Mei­nungs­bil­dung im Netz erschie­nen (Lachen­may­er et al. 2013). Neu an die­ser Stu­die ist der Fokus dar­auf, wie „Inter­net-Tsu­na­mis“ ent­ste­hen. Damit mei­nen die AutorIn­nen Reso­nanz-Phä­no­me­ne zwi­schen Netz­me­di­en, Mas­sen­me­di­en und letzt­lich der Poli­tik. Mit Hil­fe explo­ra­ti­ver Inter­views und anhand der vier Fall­bei­spie­le der Pla­gi­ats­af­fä­re um Gut­ten­berg, der Occu­py-Wall­street-Bewe­gung, dem Ara­bi­schen Früh­ling und der Anti-ACTA-Bewe­gung nähern die AutorIn­nen sich einer sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Beschrei­bung und Ana­ly­se die­ses Phänomens. 

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Sexismus schadet allen

A Wooden Person

Ich habe, das muss ich zuge­ben, gezö­gert. Weil die Debat­te um den ganz all­täg­li­chen Sexis­mus eine ist, in der jede Äuße­rung eines Man­nes schnell selt­sam erschei­nen kann, irgend­wo zwi­schen Anbie­de­rung und Bes­ser­wis­se­rei. Aber dann ist mir auf­ge­fal­len, dass das, die­se Ver­un­fä­hi­gung der Debat­te, letzt­lich genau ein Teil mei­nes Punk­tes ist: Sexis­mus scha­det allen!

Annett Mei­ritz hat über die Frau­en­feind­lich­keit der Pira­ten geschrie­ben. Im Stern wird von Lau­ra Him­mel­reich, Fran­zis­ka Reich und Andre­as Hoidn-Bor­chers das sexis­ti­sche Ver­hal­ten von FDP-Spit­zen­kan­di­dat Rai­ner Brü­der­le the­ma­ti­siert. Bei­de Arti­kel zusam­men haben eine veri­ta­ble öffent­li­che Debat­te über Sexis­mus aus­ge­löst. Und das ist gut so.

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