Wenn es denn tatsächlich so wäre, dass die CDU (und die FDP) jetzt in der Atompolitik umdenken, würde mich das freuen. Überzeugt davon bin ich aber keineswegs, auch wenn Merkel leisere Töne anschlägt und Mappus eine Expertenkommission einberuft. Zum einen, weil ich das wie Michael Spreng als eine vor allem auch dem Wahlkampf geschuldete Inszenierung von Handlungsbereitschaft wahrnehme, die in einem halben Jahr wieder vergessen ist. Wenn Merkel ihren Vorschlag einer Sicherheitsüberprüfung aller AKWs in Deutschland ernst meinen würde, dann müsste es jetzt ein Moratorium geben – eine Abschaltung aller AKWs, dann die Sicherheitsüberprüfung, dann die Wiederzulassung der AKWs, die als sicher angesehen werden. Solange keine Schritte in eine solche Richtung unternommen werden, ist es Krisenbewältigungsrhetorik, sonst nichts. (Von der Rücknahme der Laufzeitverlängerung rede ich erst gar nicht).
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Kurz: AKWs und Erdbeben
Als ich heute morgen von dem schweren Erdbeben in Japan hörte, waren meine ersten Gedanken die an das Ausmass der Zerstörung und des menschlichen Leids, dass durch Erdbeben und Tsunami da gerade – in einer eigentlich auf die Gefahr von Erdbeben ausgerichteten Gesellschaft – ausgelöst wurde. Dann gab es erste Meldungen darüber, dass es an einem AKW brennt, und dass ein zweites AKW – Fukushima Daiishi (Wikipedia, genauer gesagt: 3 von 6 Reaktorblöcken dort) – ernsthafte Probleme mit der Notkühlung hat. Inzwischen wurden eine 3‑km-Zone um das AKW evakuiert, in einer 10-km-Zone wurde die Bevölkerung aufgerufen, die Häuser nicht zu verlassen.
Ich hoffe, dass in Japan – bei all dem Unglück, dass das Erdbeben schon gebracht – nicht auch noch ein GAU dazukommt. Niemand braucht ein zweites Tschernobyl. Ich erinnere mich noch gut: Auch Tschernobyl war weit weg – und trotzdem wurden aus harmlosen grünen Frühlingswiesen vor 25 Jahren hier plötzlich angstbesetzte Gefahrenherde. Selbst wenn die radioaktive Wolke diesmal in Kanada und den USA niederregnen würde, ändert das nichts daran, dass sich einmal mehr zeigt, wie schlecht AKWs und unvorhergesehen Ereignisse zusammenpassen.
AKWs in Erdbebengebieten? Angeblich waren die japanischen AKWs bis zu Beben der Stärke 8,25 ausgelegt – dieses hier erreichte 8,8 8,9 9,0. Nicht weit von hier – keine 30 km – steht das AKW Fessenheim im Oberrheingraben. Eine Erdbebenzone. Sich die 3‑km- und die 10-km-Zone aus Fukushima mal mit dem Epizentrum Fessenheim vorzustellen, ist gruselig – Bad Krozingen, Hartheim und Eschbach liegen alle in den 10-km-Zone, und das Rieselfeld ist nur etwa 20 km von Fessenheim entfernt.
Umso wichtiger, morgen bei der Menschenkette ein deutliches Zeichen für den Ausstieg aus der Atomkraft zu setzen, und bei den Landtagswahlen in diesem Jahr die Atomparteien abzuwählen.
Update: 13.3.2011 – Inzwischen sieht es so aus, dass es wohl in zwei Reaktoren zu einer Kernschmelze gekommen ist bzw. möglich ist – diese werden mit boriertem Meerwasser geflutet. In Onagawa (150 km von Fukushima entfernt) wurden ebenfalls erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen, möglicherweise Strahlung aus Fukushima. Die Sperrzone rund um Fukushima wurde auf 20 km ausgeweitet, etwa 200.000 Menschen wurden (zusätzlich zu all den Tsunami- und Erdbeben-Opfern) evakuiert. Bei der taz gibt es einen guten Überblick darüber, wie die Ereignisse in Fukushima zu bewerten sind.
Darf man jetzt Debatten um den Atomausstieg führen? Nicht nur Greenpeace sagt: „Ja, man muss!“. (Lesenswert in diesem Zusammenhang auch: 3 populäre Irrtümer über Atomkraftgegner).
Mit 60.000 Leuten war die Menschenkette ein solches deutliches Zeichen. Wer Merkel seine Meinung sagen will, kann das bei Campact tun („Fukushima heißt abschalten!“), aktuell schon 25.000. Morgen am Montag wird es um 18 Uhr in über hundert Städten Mahnwachen geben; Freiburg ist auch dabei.
P.S.: Jetzt virtuell oder real Flagge zu zeigen, halte ich ebenfalls für eine symbolisch richtige Handlung. Mehr Gewicht: bei den Wahlen schwarz-gelb nicht verlängern und, so noch nicht geschehen, zu einem Ökostrom-Anbieter wechseln.
In der Hardware verborgene Ratlosigkeit
Es ist vermutlich uncool*, Sascha Lobo auf SPON zu zitieren, aber heute schreibt er was ziemlich Intelligentes zum Gefühl der Ratlosigkeit, das die (scheinbare) soziale Nähe des Netzes generiert – und die sich in der blutigen und lieber unsichtbar gehaltenen Hardware-Ebene der Infrastruktur unserer medial vermittelten sozialen Beziehungen noch einmal in ganz besonderer Weise verbirgt – und nur durch bewusstes Ignorieren aushaltbar scheint:
„Die digitale Ratlosigkeit hat dazu noch eine Metaebene, die in der Hardware verborgen liegt: Die Metalle in der Elektronik meines Handys befeuern einen Krieg im Kongo, der seit 1998 sechs Millionen Menschen ihr Leben gekostet hat. Ich empfehle an dieser Stelle dringend, nicht selbst weiterzurecherchieren und schon gar nicht nach unzensierten Fotos dieses Krieges zu suchen, die sich dank sozialer Medien finden lassen. Es wird sonst deutlich komplizierter, sich seine Unbeschwertheit im Umgang mit den schönsten neuen Smartphones zu bewahren. Weder weinerliche Betroffenheit noch akzeptierende Coolness kommt mir hier wie eine richtige Reaktion vor. Ich habe auch nicht vor, deshalb keine Handys mehr zu benutzen. Vielleicht gibt es so etwas wie einen automatischen Zynismus des digitalen Zeitalters, fast alle Fakten zu allen Missständen herausfinden zu können und sie anschließend ignorieren zu müssen.“
Und es ist ja nicht nur Coltan, sondern es sind genauso die Arbeitsbedingungen in den iPhone-Factories in China usw. Aber diese in der Hardware verborgene Grausamkeit ans Licht zu zerren, erscheint fast undenkbar. Was Sascha Lobo hier für sich selbst beschreibt – die Ratlosigkeit, eine brauchbare Haltung und Umgangsweise zu dieser Frage zu finden, den das „Fair-Trade-Handy“ gibt es bis heute nicht, taucht auch in den von mir geführten Interviews immer wieder auf: ein diffuses Wissen darüber, dass unter der Oberfläche und am Ende der langen Produktionsketten Blut am Handy, am Netbook, am Smartphone klebt, das aber nicht handlungsrelevant wird und dem auch kaum Handlungsoptionen offen stehen.
Warum blogge ich das? Weil’s wichtig ist.
* Uncool z.B. deswegen, weil der selbe Sascha Lobo auch schon mal Werbung für den Mobiltelefondienstleister Vodafon gemacht hat …
Photo of the week: KNK XII (Tagungshaus sign)
Von Mittwoch Abend bis Freitag Abend war ich in der Kommune Niederkaufungen*, um dort Interviews für meine Diss. durchzuführen. Untergebracht war ich im Tagungshaus der Kommune (oben zu sehen) – wer ein paar mehr Einblicke und Eindrücke haben möchte, kann sich das Flickr-Set von meinem Aufenthalt in Niederkaufungen anschauen.
* Eines der größten und längstbestehenden Kommuneprojekte in Deutschland (zur Zeit etwa 80 Menschen, die Kommune gibt es seit ungefähr 1986), politisch links ausgerichtet (wobei darunter auch Punkte wie die aus feministischer Perspektive interessante Idee der Abschaffung der Kleinfamilie und einer „politischen Ökologie“ fallen), auch soziologisch spannend durch die Praxis der gemeinsamen Ökonomie und durch das gelebte Konsensmodell der Entscheidungsfindung. Und nette Menschen gibt es dort auch – denen auch an dieser Stelle vielen Dank!
Elf Sätze zum Veggie-Day und zur FDP
Kein Faden ist FDP und CDU derzeit zu dünn, um nicht doch zu versuchen, daran eine Sau durch den Landtagswahlkampf zu zerren. Das neuste Tierchen kommt aus dem Tierschutzkapitel des grünen Landtagswahlprogramms. Dort heißt es auf Seite 69 im Kontext, Tierschutz und Klimaschutz zu verknüpfen: „In Schulen, Mensen und öffentlichen Kantinen sollte über vegane und vegetarische Ernährung aufgeklärt und diese auch immer in guter Qualität angeboten werden.“
Daraus wird dann bei der FDP (mit Bezug auf ominöse Presseberichte und eine Statement von Ulrike Höfken MdB): „Jetzt gehen die Grünen in ihrer Verbotskultur so weit, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern sogar vorschreiben wollen, was diese essen sollen.“
Suche den Unterschied! Wir fordern im Landtagswahlprogramm gar keinen Veggie-Day, sondern wollen in öffentlichen Kantinen a. über vegetarische Ernährung informieren und b. dafür sorgen, dass die Vielfalt an Auswahlmöglichkeiten durch gute vegetarische und vegane Angebote erhöht wird. Was die FDP dagegen haben könnte, ist mir schleierhaft. Entsprechend an den Haaren hergezogen ist der Versuch, Wahlkampf zu betreiben. Aber selbst wenn: Was wäre so schlimm daran, in Kantinen einmal in der Woche nur hochwertiges vegetarisches Essen anzubieten?