Während die christlichen Kirchen sich weiter als Missionarskirchen verstehen und deswegen die Kirchentürkontrollen ablehnen, gibt es andere Überlegungen aus dem Vatikan, die einmal mehr deutlich machen, dass das Weltbild der katholischen Kirche weiterhin geschlossen und gruselig ist.
Unter dem schönen Schlagwort eines „ganzheitlichen Umweltschutzes“ – warum auch nicht, Bewahrung der Schöpfung usw. als gemeinsames Anliegen, so der erste Gedanke – heißt es dann beim Herrn Ratzinger auch:
„Die Kirche muss auch den Menschen schützen vor der Selbstzerstörung. Es ist eine im rechten Sinne verstandene Ökologie des Menschen notwenig.“ Es sei keine altmodische Metaphysik, wenn die Kirche von der Natur des Menschen als Mann und Frau spreche und davon, dass diese Ordnung respektiert werden müsse.
Und der logische Schluss des ganzen:
Was häufig mit dem Wort „Gender“ gesagt und gemeint wird, läuft letztlich auf eine Selbstemanzipation des Menschen von der Schöpfung und vom Schöpfer hinaus. Der Mensch will sich selber erschaffen und ausschließlich und allein sich selber um das kümmern, was ihn betrifft. So lebt er aber gegen die Wahrheit, gegen den Schöpfergeist.
Und selbstverständlich endet Ratzinger dann mit dem Verweis darauf, dass die Ehe unter Naturschutz gestellt werden müsse.
Natürlich kann die (katholische) Kirche das Projekt einer Emanzipation des Menschen nicht gut heißen. Schon klar. Aber es macht auch noch einmal deutlich, dass potenzielle Bündnispartner für Ziele wie eine nachhaltige Entwicklung und eine ökologische Zukunft der Gesellschaft eine ganze Reihe ziemlich ungenießbarer Ideologismen mitschleppen. Interessant wird es, wenn „der Mensch“ hier mal nicht als Singular verstanden wird – dann werden aus Menschen Gesellschaften, und die wollen sich zwar selbst „erschaffen“, begrenzen sich aber gleichzeitig im Sinne reflexiver Modernisierung auch selbst. Schöpfungsgottheiten sind dafür nicht notwendig.
Dass der Papst an der Zweigeschlechtlichkeit so hartnäckig festhält, ist ärgerlich. Wenn er diese Überzeugung aufgeben würde und die soziale Konstruiertheit von Geschlechterrollen akzeptieren würde, bliebe natürlich keine Möglichkeit, z.B. den Ausschluss von Frauen aus Kirchenämtern weiterhin zu legitimieren. Insofern ist es verständlich.
Noch ärgerlicher ist die – ebenfalls logisch daraus ableitbare – Vorstellung, dass die Zweiteilung der Welt in Männer und Frauen auch für die Ehe (und dementsprechend auch für jegliche sexuelle Beziehungen) gelten müsse, dass also kirchlicher Umweltschutz als Bewahrung der Schöpfung usw. letztlich eben auch so verstanden wird, dass Homosexualität eine Gefahr für die Menschheit darstellt. Damit liefert ein wichtiger Aufmerksamkeitsgenerator Bausteine für all diejenigen, die ihre Homophobie und ihren Hass auf das Jenseits der Heteronormativität gewaltsam ausleben wollen.
Mein Fazit aus dem Ganzen: In der katholischen Kirche ist weiterhin kein Platz für moderne Menschen. Und im Umkehrschluss muss das eigentlich heißen: in einer progressiven Gesellschaft und Staatengemeinschaft sollte kein Platz für eine katholische Kirche sein, die versucht, Mittelalter in der Spätmoderne zu spielen.
Bleibt die Frage, wie lange zum Beispiel der parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion Volker Beck bei der (richtigen) Empörung und Erschütterung über derartige Äußerungen bleibt – und wann daraus der Schluss gezogen wird, dass bei aller Bündnisfreude für ökologische Themen eine Zusammenarbeit zwischen Grünen und katholischer Kirche ernsthaft in Frage gestellt werden muss.
Warum blogge ich das? Weil ich mich frage, was das strategische Kalkül hinter der Veröffentlichung derartiger Botschaften zu diesem Zeitpunkt ist.