Photo of the week: Wiesloch-Walldorf

Wiesloch-Walldorf

 
Wir hat­ten Frak­ti­ons­klau­sur. Die fin­det zwei­mal im Jahr statt, ein­mal im Janu­ar, zum Ein­stieg in den par­la­men­ta­ri­schen Betrieb nach der Win­ter­pau­se, und ein­mal im Sep­tem­ber, par­al­lel zu den Ein­schu­lungs­ter­mi­nen, zum Ein­stieg in den Betrieb nach der Som­mer­pau­se. Die dies­jäh­ri­ge Janu­ar­klau­sur der Land­tags­frak­ti­on fand in der tra­di­ti­ons­rei­chen Stadt Wies­loch statt (wie ich gelernt habe: ein Orts­na­me, der weder mit Wie­se noch mit Loch zu tun hat). 

Um mit dem öffent­li­chen Ver­kehr nach Wies­loch zu kom­men, ist ein Umstieg von Bahn oder S‑Bahn auf den Bus not­wen­dig. Dazu dient der hier abge­bil­de­te Bahn­hof Wies­loch-Wall­dorf in einem Indus­trie­ge­biet zwi­schen den bei­den Gemein­den. Der Bus­bahn­hof (oben auf einem Park­haus) hat eine gewis­se futu­ris­ti­sche Anmu­tung, ins­be­son­de­re, wenn er halb­wegs men­schen­leer ist. Mei­ne ers­te Asso­zia­ti­on beim War­ten auf den Bus war dann auch, dass hier gut ein Thril­ler mit Sci­ence-Fic­tion-Ele­men­ten gedreht wer­den könnte.

Bei der Frak­ti­ons­klau­sur ging’s übri­gens auch um zukunfts­las­ti­ge The­men: Bil­dungs­po­li­tik (u.a. mit einem Besuch der Park­ring­schu­le St. Leon-Rot, für mich ein inter­es­san­ter Ein­blick in die Pra­xis einer Gemein­schafts­schu­le) und Digi­ta­li­sie­rung (inkl. Bil­dung für eine digi­ta­li­sier­te Welt) stan­den auf der Tages­ord­nung. Aber auch mit eher sehr rück­wärts­ge­wand­ten Din­gen beschäf­tig­te sich die Frak­ti­ons­klau­sur, was u.a. in einer Reso­lu­ti­on zu „PEGIDA“ mündete.

Kurz: Kompass am Fenster

Zuversicht & Reflexive ModernisierungAls Anfang des Jah­res die Nach­richt des Todes des gro­ßen Sozio­lo­gen Ulrich Beck bekannt wur­de, waren es – zumin­dest in mei­ner Time­line – auf­fäl­lig vie­le Grü­ne, die sich mit Erin­ne­run­gen und Bezü­gen zu Wort mel­de­ten. Die im Tscher­no­byl­jahr 1986 erschie­ne­ne Risi­ko­ge­sell­schaft ist in gewis­ser Wei­se auch ein pro­gram­ma­tisch grü­nes Buch, und das betrifft nicht nur die öko­lo­gi­schen Risi­ken, son­dern auch die Indi­vi­dua­li­sie­rungs­the­se und den Blick auf eine sich ver­än­dern­de Arbeits­welt. In die­sem Zusam­men­hang fiel mir dann auch noch ein­mal auf, dass am Fens­ter der grü­nen Frak­ti­ons­sit­zungs­saals im Land­tag Baden-Würt­tem­berg die Wor­te „Refle­xi­ve Moder­ni­sie­rung“ (und „Zuver­sicht“) kle­ben. Wäh­rend der Saal der CDU von einem Kru­zi­fix geschmückt wird, und bei der SPD Leder­ses­sel ste­hen, hängt bei uns der poli­ti­sche Kom­pass am Fenster.

Inzwi­schen habe ich erfah­ren, dass die­se Begrif­fe ca. 2006 von der dama­li­gen Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­re­rin Hedi Chris­ti­an auf­ge­klebt wor­den sind. Der Bezug zu Ulrich Beck ist nur ein indi­rek­ter – die Frak­ti­on hat­te 2006 einen Road­map-Pro­zess (»Road­map 2016«) lau­fen (wer im Archiv der Frak­ti­on sucht, fin­det die­ses his­to­ri­sche Doku­ment von Ralph Bürk und Bir­git Locher-Fin­ke auch heu­te noch). Ein Ele­ment die­ser aus heu­ti­ger Sicht durch­aus wir­kungs­vol­len Road­map ist das Set­zen auf „refle­xi­ve“ statt auf „addi­ti­ve“ oder „line­ar-expan­si­ve“ Moder­ni­sie­rung: Nicht immer mehr, nicht Neu­es zusätz­lich zum Bestehen­den, son­dern eine stän­di­ge Anpas­sung und Ver­än­de­rung bestehen­der Struk­tu­ren an neue Her­aus­for­de­run­gen, um mit begrenz­ten Res­sour­cen klar­zu­kom­men. Auf die­sem Weg ist die „refle­xi­ve Moder­ni­sie­rung“, die Ulrich Beck in die Welt getra­gen hat, ans Fens­ter der Land­tags­frak­ti­on gekom­men, immer im Blick­feld des Frak­ti­ons­vor­stands und der Regie­rungs­mit­glie­der am run­den Tisch der Fraktionssitzungen. 

Photo of the week: Frost-rimmed II

Frost-rimmed II

 
Ich hat­te mir ja gewünscht, dass die­ses Jahr lang­wei­lig wird. Lei­der scheint auch 2015 der Pratchett’sche Fluch „May you live in inte­res­t­ing times“ zuzu­schla­gen. Der Anschlag auf die Redak­ti­on der Char­lie Heb­do – den ich als Anschlag auf die Pres­se­frei­heit lese – und die fol­gen­den Ereig­nis­se haben mich scho­ckiert. War­um das so ist, wie das mit einer klei­ner wer­den­den Welt zusam­men­hängt, und war­um mich die­je­ni­gen irri­tie­ren, die jetzt anfan­gen, Mei­nungs­frei­heit (gegen­über dem Staat und gegen­über der Gesell­schaft) zu rela­ti­vie­ren, dar­über könn­te ich vie­le Wor­te ver­lie­ren, las­se es aber an die­ser Stel­le blei­ben. Für heu­te: Je suis Char­lie, je suis Ahmed, je suis juif.

Kurz: Ein Jahr Ländle-Wahlkampf steht bevor

Pro­gram­me gibt es noch kei­ne (unse­res ent­steht in einem mehr­stu­fi­gen Pro­zess bis Herbst 2015), so ste­hen doch die Per­so­nen fest, die im Früh­jahr 2016 Minis­ter­prä­si­dent von Baden-Würt­tem­berg wer­den wol­len: Win­fried Kret­sch­mann hat ange­kün­digt, wie­der anzu­tre­ten (und ist ja auch recht beliebt). Die SPD wird wohl Finanz­mi­nis­ter und Lan­des­vor­sit­zen­den Nils Schmid ins Feld füh­ren. Und die CDU-Basis hat unlängst, ein biss­chen über­ra­schend, den Noch-Land­tags­prä­si­den­ten Gui­do Wolf, dem­nächst Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der CDU, dem­nächst evtl. auch Par­tei­vor­sit­zen­der der CDU, zum desi­gnier­ten Kan­di­da­ten gekürt. Im Janu­ar wird ein CDU-Par­tei­tag das Basis­vo­tum dann aller Wahr­schein­lich­keit nach bestätigen. 

Einer die­ser drei Män­ner – grü­ner Lan­des­va­ter, küh­ler Finan­zer oder Maxi-Land­rat – wird also im Früh­jahr 2016 Minis­ter­prä­si­dent von Baden-Würt­tem­berg wer­den. Bis dahin ist es noch etwas hin, die Wahl wird wohl im März 2016 statt­fin­den. Und obwohl Win­fried Kret­sch­mann dafür gewor­ben hat, nicht jetzt schon in den Wahl­kampf zu star­ten, wird es wohl dar­auf hin­aus­lau­fen. Die CDU wird sich noch weni­ger als in den letz­ten drei­ein­halb Jah­ren auf kon­struk­ti­ve Oppo­si­ti­ons­po­li­tik ein­las­sen, son­dern noch einen Zahn Fun­da­men­tal­kri­tik zule­gen (und sei es auch in Gedich­te ver­packt). Bis­her sind’s die Neben­sät­ze, die ver­rä­te­risch sind – so hat Gui­do Wolf ange­kün­digt, dass die jet­zi­gen Gemein­schafts­schü­le­rIn­nen noch ihren Abschluss machen dür­fen. Klingt erst mal nett, heißt im Klar­text, dass die CDU die über 200 neu­en Gemein­schafts­schu­len im Land aus­lau­fen las­sen möch­te, wenn sie denn die Chan­ce dazu bekommt. Gleich­zei­tig wird – auch das war in den Haus­halts­re­den der CDU schon zu hören – das Blau­en vom Him­mel ver­spro­chen, bei­spiels­wei­se die Rück­nah­me von Kür­zun­gen und Ver­schie­bun­gen bei den Beam­ten­ge­häl­tern bei gleich­zei­tig strik­tem Spar­kurs. Passt irgend­wie nicht zusam­men, inter­es­siert aber kei­ne Wahl­kämp­fe­rIn am Landtagsredepult.

Aber auch in der Koali­ti­on wird das Kli­ma 2015 ver­mut­lich rau­er wer­den. Bis­her lie­gen wir in den Wahl­um­fra­gen vor der SPD und das soll auch so blei­ben. Selbst­ver­ständ­lich sieht der klei­ne­re Koali­ti­ons­part­ner das anders und wird noch stär­ker ver­su­chen, sich zu pro­fi­lie­ren. Auch hier dürf­te die Bil­dungs­po­li­tik ein The­men­feld wer­den, in dem 2015 inter­es­sant wird – und dass in der Innen­po­li­tik grü­ne Pro­jek­te aus dem Koali­ti­ons­ver­trag nicht mit Prio­ri­tät 1 bear­bei­tet wor­den sind, ist auch kein Geheim­nis. Ich ver­mu­te, dass 2015 kei­ne neu­en gro­ßen Vor­ha­ben mehr aufs Lan­des­gleis gesetzt wer­den, dass aber bei allem Pro­fi­lie­rungs­wil­len bei­den Par­tei­en auch klar ist, dass Streit in der Koali­ti­on bei­den scha­det. Auch inso­fern wird 2015 ein lan­des­po­li­tisch inter­es­san­tes Jahr werden.