Kurz: Munition

In der grü­nen BAG Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik haben wir über einen län­ge­ren Zeit­raum die Fra­ge des Ver­hält­nis­ses von Wis­sen­schaft und Poli­tik dis­ku­tiert. In Baden-Würt­tem­berg lässt sich die­se Pro­ble­ma­tik gera­de mus­ter­gül­tig bestau­nen: zu den neu ein­ge­führ­ten Gemein­schafts­schu­len gibt es eine wis­sen­schaft­li­che Begleit­for­schung. Ein Gut­ach­ten aus die­ser Begleit­for­schung zu einer Schu­le, das wohl – ich ken­ne es nicht – eine Rei­he von Schwach­punk­ten und Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten auf­lis­tet, war dann ges­tern für die FAZ Grund­la­ge genug für einen Mehr­spal­ter, in dem die Gemein­schafts­schu­le in Grund und Boden ver­teu­felt wur­de. Und natür­lich gefun­de­nes Fres­sen für den Oppo­si­ti­ons-Wolf. Den inter­es­siert nicht, dass es ein Gut­ach­ten zu einer Schu­le ist, und die kom­plet­te Stu­die erst im Janu­ar abge­schlos­sen ist. Den inter­es­siert nicht, dass die Logik wis­sen­schaft­li­cher Arbei­ten und Bewer­tun­gen eine ande­re ist als die der Poli­tik. Der sieht nur einen wei­te­ren Stroh­halm, um sein liebs­tes Vor­ur­teil zu bestä­ti­gen, das in der so pein­li­chen wie bekann­ten For­de­rung mün­det, Gemein­schafts­schu­len aller­höchs­tens zu dul­den, aber auf kei­nen Fall wei­ter aus­zu­bau­en. So wird aus Wis­sen­schaft Muni­ti­on – was kei­ner Sei­te gerecht wird.

Kurz: Fast auf Kretschmanns Spuren

Der Minis­ter­prä­si­dent macht Som­mer­wan­de­run­gen durchs Länd­le – letz­te Woche in Würt­tem­berg, die­se Woche im badi­schen Lan­des­teil. Den Auf­takt mach­te Wald­kirch – Emmen­din­gen, und weil das ganz in der Nähe von Frei­burg liegt, woll­te ich mir mal anschau­en, wie das mit der Bür­ger­be­tei­li­gungs­form „zusam­men wan­dern und reden“ so funktioniert.

Lei­der woll­te ich ganz klug in Wald­kirch den Weg Bahn­hof – Stadt­park – Bahn­hof ver­mei­den, und war­te­te des­we­gen am Bahn­hof, Ein­stieg zum Vier­bur­gen­weg und zur Kas­tel­burg, auf die Wan­der­grup­pe Kret­sch­mann. Und war­te­te, und war­te­te – und bin dann ein­fach allei­ne los­ge­gan­gen. Was ein sehr schö­ner Aus­flug wur­de, mit den bes­ten Brom­bee­ren, die ich je gefun­den habe. Kurz vor Emmen­din­gen, bei der Rui­ne Hoch­burg, traf ich dann auf die etwa 70 Per­so­nen umfas­sen­de Wan­der­grup­pe; vie­le Grü­ne, aber auch eine gan­ze Rei­he von Bür­ge­rIn­nen mit poli­ti­schen Anlie­gen. (Des Rät­sels Lösung: die Grup­pe war über Buch­holz statt über die Kas­tel­burg gelau­fen – und kam des­we­gen gar nicht am Bahn­hof Wald­kirch vorbei).

Was neh­me ich mit? 12 bis 15 km Weg­stre­cke sind gegen Ende hin ziem­lich anstren­gend. Respekt allen, die regel­mä­ßig auf sol­chen Stre­cken unter­wegs sind. Auch der MP ist ganz schön tough – dass er Aus­dau­er und Zuhö­ren ver­bin­den kann, zeigt er ja auch sonst. Und auch wenn ich mich bezüg­lich des Mit­wan­derns selbst über­lis­tet habe: schön, dass ich end­lich mal einen nähe­ren Blick auf einen Teil der Regi­on wer­fen konn­te, den ich sonst immer nur vom Zug aus bestau­ne. Kas­tel­burg und Hoch­burg neh­me ich mir auf jeden Fall als Kin­der-Aus­flugs­ziel mit (aber nicht bei­de auf einmal!)

Ökologische Verelendungstheorie

Cloudporn III

In die­ser Woche fin­det der „Earth Over­shoot Day“ statt – also der Tag, an dem der Res­sour­cen­ver­brauch des Jah­res das nach­hal­tig nutz­ba­re Res­sour­cen­bud­get des Jah­res über­schrei­tet. Idea­ler­wei­se soll­te er frü­hes­tens auf dem 31. Dezem­ber lie­gen, statt des­sen wächst der Res­sour­cen­ver­brauch, so dass er im Herbst und inzwi­schen deut­lich im Som­mer liegt. Jahr für Jahr rückt das Datum des Earth Over­shoot Days nach vor­ne. So weit die Fakten. 

Was mich umtreibt, ist etwas, was sich – je nach Lau­ne – als „TINA-Para­dig­ma“ der Öko­sze­ne oder als „öko­lo­gi­sche Ver­elen­dungs­theo­rie“ beschrei­ben ließe. 

TINA, „The­re is no alter­na­ti­ve“ stammt wohl von der frü­he­ren bri­ti­schen Pre­mier­mi­nis­te­rin Mar­ga­ret That­cher, aber auch Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel agiert ger­ne „alter­na­tiv­los“. In bei­den Fäl­len ist damit gemeint, dass die jewei­li­ge (neo­li­be­ra­le) Poli­tik den ein­zi­gen über­haupt denk­ba­ren Weg dar­stellt. Ange­sichts der öko­lo­gi­schen Fak­ten liegt es nahe, TINA zu über­neh­men: Die Welt muss öko­lo­gi­scher und nach­hal­ti­ger wer­den, oder sie wird unter­ge­hen. Klingt nach einer ein­fa­chen Wahr­heit, ist aber letzt­lich doch kom­pli­zier­ter – denn TINA könn­te auch „The­re is no auto­ma­tism“ heißen.

Das heißt: Aus den öko­lo­gi­schen Fak­ten folgt noch lan­ge kei­ne poli­ti­sche Ein­sicht, denn die­ser Wil­lens­bil­dungs­pro­zess fin­det nach wie vor in der poli­ti­schen Are­na statt, in der unter­schied­li­che Inter­es­sen, Welt­sich­ten und „Sach­zwän­ge“ auf­ein­an­der pral­len. Fak­ten im Sin­ne außer­so­zia­ler Tat­sa­chen spie­len bei der Mei­nungs­bil­dung eine Rol­le (Kret­sch­mann: „Gegen Zah­len lässt sich nicht anbrül­len!“) – aber sie sind eben nicht der ein­zi­ge Fak­tor. Was als wahr gilt, was wie inter­pre­tiert wird, was gese­hen und was aus­ge­blen­det wird, wel­cher Weg in Rich­tung Nach­hal­tig­keit als taug­lich ange­se­hen wird, und wel­cher nicht – hier haben wir es mit sozia­len Tat­sa­chen zu tun, die sich eben nicht auto­ma­tisch aus den schlich­ten Res­sour­cen­ver­brauchs­zah­len und deren Extra­po­la­ti­on erge­ben. Poli­tik braucht wei­ter­hin über­zeu­gen­de Akteu­re und Akteurinnen. 

Wenn öko­lo­gi­sche Poli­tik alter­na­tiv­los ist, dann heißt das also noch lan­ge nicht, dass nicht hart dar­an gear­bei­tet wer­den muss, die­se Alter­na­ti­ve auch tat­säch­lich zur im Dis­kurs domi­nan­ten poli­ti­schen Opti­on zu machen. Und sie dann auch noch umzusetzen.

Wenn TINA der Leit­stern der har­ten Neo­li­be­ra­len ist, dann ist die Ver­elen­dungs­theo­rie der Hoff­nungs­trä­ger einer bestimm­ten Sor­te von Mar­xis­tIn­nen. Zuge­spitzt und popu­la­ri­siert: der Kapi­ta­lis­mus wird letzt­lich durch eine zuneh­men­de Ver­schlech­te­rung der Lebens­be­din­gun­gen der Arbei­te­rIn­nen schon selbst dafür sor­gen, dass es zur gro­ßen Revo­lu­ti­on und zum Umschwung der Ver­hält­nis­se kommt. So etwas in der Art gibt es auch in grün – wenn Peak Oil über­schrit­ten ist, wenn die Böden aus­ge­laugt sind, wenn die Nah­rungs­mit­tel­ver­sor­gung zusam­men­ge­bro­chen ist – spä­tes­tens dann, mit der gro­ßen Kri­se, wird der gro­ße Umschwung zu nach­hal­ti­gen und öko­lo­gi­schen Pro­duk­ti­ons- und Lebens­wei­sen kom­men. Weil’s halt ein­fach gar nicht anders geht, und dann jeder und jede die öko­lo­gi­sche Wahr­heit sehen wird.

Mal abge­se­hen davon, dass bei der Hoff­nung auf Ver­elen­dung immer auch Zynis­mus mit­schwingt, hal­te ich die eine wie die ande­re Vari­an­te die­ser Vor­stel­lung für falsch. Auch hier sind die Ver­hält­nis­se kom­pli­zier­ter, auch hier scheint es mir kei­ne Auto­ma­tis­men zu geben. Allein schon des­we­gen, weil die welt­wei­ten Chan­cen und öko­lo­gi­schen Abhän­gig­kei­ten so ungleich ver­teilt sind bzw. als unglei­che Ver­tei­lung geschaf­fen und auf­recht erhal­ten wur­den und wer­den. Zudem blei­ben Inno­va­ti­ons­kraft und gegen­läu­fi­ge Ten­den­zen unterbelichtet.

Unterm Strich bleibt die Aus­sa­ge, dass es dumm wäre, öko­lo­gi­sche Poli­tik auf die Hoff­nung auf Auto­ma­tis­men auf­zu­bau­en. Es bleibt die Not­wen­dig­keit – und das ist Arbeit – sich in den unter­schied­lichs­ten gesell­schaft­li­chen Are­nen wei­ter­hin selbst dar­um zu küm­mern, dass es in Rich­tung Nach­hal­tig­keit geht. Dar­auf, dass sich hier bereits eini­ges bewegt, dass es durch­aus auch posi­ti­ve Nach­rich­ten gibt, Hoff­nun­gen zu set­zen, erscheint mir weit­aus sinn­vol­ler, als es die men­ta­le Vor­be­rei­tung auf den „unaus­weich­li­chen“ öko­lo­gi­schen Kol­laps wäre. 

War­um blog­ge ich das? Weil es manch­mal hilf­reich ist, sich die Begren­zun­gen der poli­ti­schen Wirk­sam­keit außer­so­zia­ler Fak­ten vor Augen zu füh­ren. Selbst psy­cho­lo­gisch lässt sich ganz gut erklä­ren, war­um es manch­mal ein­fa­cher ist, kon­tra­fak­tisch auf z.B. einer unbe­ding­ten Wachs­tums­ori­en­tie­rung zu behar­ren, als die Gren­zen des Wachs­tums zur (poli­ti­schen) Kennt­nis zu nehmen.

Kurz: Flexible Arbeit und der Achtstundentag

Viel­leicht ver­zerrt mein per­sön­li­cher Erfah­rungs­hin­ter­grund (Aka­de­mi­ker, bis­her an der Uni und in der Poli­tik tätig) hier mei­ne Wahr­neh­mung, aber ich fin­de die For­de­rung der Arbeit­ge­ber, vom Acht­stun­den­tag abzu­rü­cken, zumin­dest in Tei­len nachvollziehbar. 

Die For­de­rung taucht ja im Kon­text der Digi­ta­li­sie­rungs­de­bat­te auf, aber eigent­lich ist Digi­ta­li­sie­rung hier nur ein Bestand­teil eines grö­ße­ren und schon seit eini­gen Jahr­zehn­ten lau­fen­den Trends, der unter der Über­schrift „Fle­xi­bi­li­sie­rung der Arbeit“ steht. (Und auch die Debat­te um den „Arbeits­kraft­un­ter­neh­mer“ passt hier her­vor­ra­gend …). Letzt­lich geht es um eine Ver­än­de­rung des­sen, was als „Arbeits­kraft“ auf dem Arbeits­markt gehan­delt wird: Weg vom Zur­ver­fü­gung­stel­len phy­si­scher und psy­chi­scher Arbeits­kraft für defi­nier­te Zeit­räu­me – da machen gesetz­li­che Regu­lie­run­gen der Arbeits­zeit viel Sinn – hin zur weit­ge­hend eigen­ver­ant­wort­li­chen Erbrin­gung bestimm­ter Ergeb­nis­se mit wei­ten Spiel­räu­men hin­sicht­lich Arbeits­zeit, Arbeits­ort und ver­wen­de­ter Metho­den und Kom­pe­ten­zen. For­mal zumin­dest wei­ter­hin ange­stellt, aber mit einem Cha­rak­ter von Arbeit, der eini­ge Gemein­sam­kei­ten mit Allein­selbst­stän­di­gen aufweist.

Digi­ta­le Werk­zeu­ge erleich­tern die­se Ent­kopp­lung – und tra­gen dazu bei, dass die Nach­fra­ge nach der zwei­ten Art von Arbeits­kraft steigt, und dass bestehen­de Berufs­bil­der trans­for­miert wer­den. Die­ser Pro­zess ist durch­aus ambi­va­lent – stei­gen­de Auto­no­mie und stei­gen­de Frei­räu­me auf der einen Sei­te, unfrei­wil­li­ge Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me und die Gefahr der räum­li­chen und zeit­li­chen Ent­gren­zung von Arbeit auf der ande­ren Sei­te. Auch hier bleibt poli­ti­sche Regu­la­ti­on not­wen­dig – an die Stel­le des star­ren Acht­stun­den­ta­ges tre­ten für die­se Beru­fe und Bran­chen jetzt Monats- und Jah­res­ar­beits­zeit­kon­ten, Kern­zeit­de­fi­ni­tio­nen und Regeln zur Begren­zung der Erreich­bar­keit, um gern in Kauf genom­me­ne Selbst­aus­beu­tung zu verhindern.

Kurz: Kurs auf 2017

Der­zeit macht eine Pres­se­mit­tei­lung des schles­wig-hol­stei­ni­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Albig (SPD) die Run­de, in der er in Fra­ge stellt, ob die SPD ange­sichts der aktu­el­len Umfra­ge­wer­te über­haupt 2017 einen eige­nen Kanz­ler­kan­di­da­ten auf­stel­len soll. Offen­sicht­lich fühlt sich die SPD im Wind­schat­ten der ewi­gen Kanz­le­rin wohl. Und auch Gabri­el hat ja schon anklin­gen las­sen, dass die Wahl 2017 ver­lo­ren gege­ben wer­den könne.

Ich fin­de das vor­ei­lig. Aus grü­ner Per­spek­ti­ve flammt jetzt reflex­haft wie­der eine Debat­te über Rot-Grün-Rot vs. Schwarz-Grün auf. Ich will einen ande­ren Vor­schlag machen, der ange­sichts von 10 Pro­zent in den Umfra­gen viel­leicht ein biss­chen grö­ßen­wahn­sin­nig sein mag, aber über den wir mal dis­ku­tie­ren soll­ten. Wir gehen nicht mit einem Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen-Duo in die Wahl 2017, son­dern mit einem Kanz­ler­kan­di­da­ten oder einer Kanz­ler­kan­di­da­tin. Eine Person!

Dazu müss­te früh klar sein, wer das ist – Urwahl, war­um nicht – und dann stün­den Bun­des­tags­frak­ti­on, Par­tei und die­se Per­son vor der Her­aus­for­de­rung, in den dann noch fol­gen­den ein­ein­halb Jah­ren von 10 Pro­zent auf 25 Pro­zent in den Bun­des­um­fra­gen zu klet­tern. Mit einer nicht nur unse­re eige­ne Mit­glie­der­schaft über­zeu­gen­den Per­son, mit Geschlos­sen­heit und mit einem kla­ren Gestal­tungs­an­spruch wäre das zwar sicher immer noch nicht ein­fach, aber eben auch nicht unmög­lich – und wür­de wie kein ande­res Vor­ha­ben den Anspruch grü­ner Eigen­stän­dig­keit unter­strei­chen. Die SPD will nicht Kanz­ler wer­den? Wir schon!