Politik, Mut und Forschung

Forschungskongress -- BuffettGes­tern und heu­te fand der For­schungs­kon­gress der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on statt, der unter dem Mot­to „Neu­gier und Ver­ant­wor­tung – For­schung für die Gesell­schaft von mor­gen“ stand ((mich wun­dert das Neu­gier etwas, ich hät­te Neu­gier­de geschrie­ben, aber das nur neben­bei)). Ich möch­te jetzt gar nicht aus­führ­lich vom Kon­gress berich­ten – der hat­te sei­ne span­nen­den und zum Nach­den­ken anre­gen­den Sei­ten ((wie viel natur­wis­sen­schaft­li­che Bil­dung muss in Kin­der­gär­ten, damit spä­ter Nobel­prei­se statt­fin­den)), aber auch Dis­kus­sio­nen und Panels, die eher wie­der­holt haben, was schon oft in unter­schied­li­chen Zusam­men­hän­gen dis­ku­tiert wurde. 

Vor allem zwei Sachen neh­me ich von dem Kon­gress mit. 

Das eine ist die Beob­ach­tung, dass Leu­te aus ganz unter­schied­li­chen Kon­tex­ten (Wis­sen­schaft samt allen dis­zi­pli­nä­ren Unter­tei­lun­gen, Hoch­schul­ver­wal­tun­gen, Poli­tik) es mehr oder weni­ger hin­ge­kriegt haben, mit­ein­an­der zu dis­ku­tie­ren. Das hat nicht immer geklappt ((und manch­mal habe ich mich dann auch über Natur­wis­sen­schaft­ler geär­gert, die mit gro­ßer Selbst­ver­ständ­lich­keit davon aus­ge­gan­gen sind, dass das ihnen so ver­trau­te Para­dig­ma der natur­ge­setz­li­chen Kau­sal­erklä­rung auch für sozia­le Kon­tex­te gilt)), aber für Leu­te mit ganz unter­schied­li­chen Denk­sti­len und Eigen­lo­gi­ken doch ganz gut.

Beamer IDas zwei­te ist das Schluss­wort von Kris­ta Sager, dass sich um die Fra­ge des Mutes gedreht hat. Genau­er gesagt: zum einen ging es dar­um, dass es beim The­ma For­schung eine gan­ze Rei­he von Span­nungs­bö­gen gibt, in denen Grü­ne gar nicht so klar posi­tio­niert sind: die Span­nung zwi­schen der titel­ge­ben­den Neu­gier­de und der ethi­schen Ver­an­wor­tung und den damit ver­bun­de­nen Gren­zen von For­schung, aber auch die Span­nung zwi­schen dem immer wie­der ger­ne her­an­ge­zo­ge­nem Ord­nungs­prin­zip Wett­be­werb und der offen­sicht­lich für bestimm­te For­men von Wis­sen­schaft doch not­wen­di­ge ruhi­gen Ecken und frei­en Zei­ten, den Spiel­räu­men. Die­se Span­nungs­bö­gen sind das eine – das ande­re ist die Fest­stel­lung von Kris­ta Sager, dass Poli­tik oft wenig mutig ist. Das hat etwas mit dem Ver­mei­den von Risi­ken zu tun, aber auch damit, dass muti­ge Ent­schei­dun­gen oft mit Ver­trau­ens­kul­tu­ren ver­bun­den sind. Mut und Miss­trau­en pas­sen schlecht zusam­men, eben­so­we­nig wie Mut und Mikro­ma­nage­ment und dich­te Kon­trol­len. Ganz unab­hän­gig vom The­ma For­schungs­po­li­tik fin­de ich es einen inter­es­san­ten Gedan­ken, dar­über nach­zu­den­ken, wie mutig Poli­tik sein kann, darf und muss (und wann eher Mut ange­bracht, wann eher Vor­sicht), wie­so Mut oft nicht belohnt wird, wel­che Rol­le Angst und die Ver­mei­dung von Unsi­cher­heit für poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen spielt, usw. Eine dar­über hin­aus­ge­hen­de Poin­te gibt es kei­ne, los­wer­den woll­te ich das trotz­dem mal. Viel­leicht fühlt sich ja jemand her­aus­ge­for­dert, den Gedan­ken wei­ter­zu­spin­nen. Bitteschön!

War­um blog­ge ich das? Weil man­ches eher in Notiz­bü­cher passt, mir das aber gut für das Blog geeig­net schien. Und weil’s hier WLAN gibt ;-)

Neues vom Länderrat

Länderrat Mainz: das NamensschildDer Län­der­rat ist der „Klei­ne Par­tei­tag“ der Grü­nen. Aus Baden-Würt­tem­berg gibt es dort sechs Dele­gier­te, einer davon bin ich. Aller­dings tagt die­ses Gre­mi­um rela­tiv sel­ten. Ich wur­de im Herbst 2005 gewählt – seit­dem gab es eine Sit­zung. Die nächs­te fin­det am 14. April in Bre­men statt (im Weser-Sta­di­on, war­um auch immer – in Bre­men, weil da Land­tags­wahl ist), und heu­te war die Tages­ord­nung in der Post (ist auch online zu fin­den). Dem­nach wird’s um – wun­der, wun­der – Kli­ma­schutz, Kin­der­po­li­tik, Poli­tik gegen Rechts­extre­mis­mus (klingt nach Wahl­pla­ka­ten) sowie – da wird’s dann inter­es­san­ter – den „Stra­te­gie­wech­sel in Afgha­ni­stan“ gehen. Bis auf den Punkt Afgha­ni­stan erwar­te ich da jeweils nicht die gro­ßen Kon­tro­ver­sen, gespannt bin ich trotz­dem auf die eigent­li­chen Anträ­ge, die aller­dings noch nicht vorliegen.

War­um blog­ge ich das? Als Bei­trag zu mei­ner per­sön­li­chen Transparenzoffensive.

Vogelperspektive auf Übermorgen

Z_Punkt, eine Zukunfts­for­schungs­fir­ma, hat jetzt ein net­tes PDF mit den 20 „Mega­trends“ zusam­men­ge­stellt. Mega­trends meint damit die gro­ben Rich­tun­gen des glo­ba­len sozia­len Wan­dels. Genau­er gesagt:

Mega­trends sind lang­fris­ti­ge und über­grei­fen­de Transformationsprozesse.Wir sehen sie als wir­kungs­mäch­ti­ge Ein­fluss­grö­ßen, die die Märk­te der Zukunft prägen.

Teil­wei­se geht es dabei um tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen, teil­wei­se um den sozia­len Wan­del. Zusam­men ergibt das Bild, das Z_Punkt hier – natür­lich vor allem aus der Per­spek­ti­ve: dar­auf müs­sen Unter­neh­men reagie­ren – eine ziem­lich kla­re Vor­stel­lung dar­über, was in viel­leicht zwan­zig Jah­ren der Kon­text von All­tags­le­ben und Poli­tik sein wird.

Die Trends rei­chen vom demo­gra­fi­schen Wan­del, einer neu­en Stu­fe der Indiv­dua­li­sie­rung und dem wach­sen­den Gesund­heits­markt über stei­gen­de Betei­li­gung von Frau­en oder die Wis­sens­öko­no­mie bis hin zu Kli­ma­wan­del, Urba­ni­sie­rung, dem Auf­stieg Indi­en und Chi­nas und einer wach­sen­den glo­ba­len Bedro­hung. Vie­les davon ist inzwi­schen (sozio­lo­gi­sches oder feul­lie­to­nis­ti­sches) All­ge­mein­gut, ande­res wird auch anders­wo dis­ku­tiert – das Schö­ne an der Zusam­men­stel­lung von Z_Punkt ist der Ein­druck, einen Über­blick über wich­ti­ge Ent­wick­lun­gen zu gewin­nen, von denen anders­wo eben oft nur ein Teil gese­hen und ein gro­ßer Teil aus­ge­blen­det bleibt. Also die Vogel­per­spek­ti­ve auf Übermorgen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich krank im Bett lie­ge, gera­de kein unter­halt­sa­mes Buch da ist, und mein Lap­top so schön klein ist. 

Lesenswertes zum Frauentag

Anläss­lich des heu­ti­gen Inter­na­tio­na­len Frau­en­ta­ges möch­te ich auf zwei Links hin­wei­sen, die für Men­schen jeg­li­chen Geschlechts, die sich mit Geschlech­ter­rol­len, Gen­der Main­strea­ming, Chan­cen­gleich­heit, Femi­nis­mus, Eman­zi­pa­ti­on und ähn­li­chen The­men beschäf­tig­ten, ziem­lich span­nend sind.

Das eine gibt es nur heu­te: das taz-Dos­sier „Miss Femi­nis­mus“, das eine gan­ze Rei­he lesens­wer­ter Arti­kel zum The­ma alter und neu­er Femi­nis­mus im In- und Aus­land vereint.

Das ande­re gibt es immer, aber heu­te ist es beson­ders lesens­wert: Der/die/das Gen­der­blog mit Bei­trä­gen von Frau­en (und an ande­ren Tagen auch von Män­nern) zu allem rund um Frau­en- und Geschlech­ter­for­schung, Que­er Stu­dies, Femi­nis­mus und Geschlechterpolitik.

Neu: jetzt mit Klimafaktor

Die Nach­rich­ten­la­ge der letz­ten paar Tage ist ver­wir­rend. Ich mei­ne damit Schlag­zei­len wie die folgenden:

Oder anders gesagt: zur Zeit ist Kli­ma­schutz so „in“, dass selbst die CSU, die Deut­sche Bank, die Bun­des­re­gie­rung und so gut wie jedes Nach­rich­ten­me­di­um nichts bes­se­res zu tun hat, als Din­ge zu for­dern, für die die Grü­nen vor eini­gen Jah­ren noch Wah­len (Tem­po­li­mit, Auto­fah­ren muss teu­rer wer­den) oder Pos­ten (Fern­rei­se­ver­bo­te!) ver­lo­ren haben. Und jetzt über­schla­gen sich die ein­zel­nen Akteu­re mit Vor­schlä­gen, was noch alles getan wer­den könn­te (Glüh­bir­nen ver­bie­ten, …)? Und das alles „nur“, weil der IPCC-Bericht fest­stellt, dass der men­schen­ge­mach­te Kli­ma­wan­del ers­tens hoch­wahr­schein­lich und zwei­tens nicht mehr kom­plett auf­zu­hal­ten sein wird? Oder, weil irgend­wel­che Stars schon seit einem hal­ben Jahr lie­ber Hybrid als SUV fah­ren und das auch bei der Oscar-Ver­lei­hung ver­kün­den? Ich möch­te ja ger­ne glau­ben, dass die CSU, die Deut­sche Bank, die Bun­des­re­gie­rung und über­haupt alle jetzt von der Not­wen­dig­keit sofor­ti­gen Han­delns für die Ret­tung des Kli­mas über­zeugt sind (die Kom­pe­tenz dafür wird übri­gens wei­ter­hin eher den Grü­nen zuge­schrie­ben). Aber so ganz über­zeugt bin ich noch nicht. So ein biß­chen zu schnell war das Umschal­ten auf grü­ne Paro­len doch, ein biß­chen zu sehr erin­nert das gan­ze an die gan­zen ande­ren media­len Kata­stro­phen der letz­ten Zeit, die von null auf hun­dert in aller Mun­de waren. Und eine Woche spä­ter ver­ges­sen. Ich bin also gespannt, ob den vie­len Ankün­di­gun­gen und Vor­schlä­gen jetzt tat­säch­lich Taten fol­gen – und was davon in ein, zwei Mona­ten doch wie­der ganz anders aussieht. 

Nach­trag: Die Tele­po­lis von heu­te hat einen Arti­kel, der in eine ganz ähn­li­che Rich­tung geht, wie ich gera­de sehe: Thors­ten Ste­ge­mann: Stra­te­gie­spie­le mit grü­ner Tarn­far­be.

War­um blog­ge ich das? Dass beim Kli­ma­schutz (und der Anpas­sung an den Kli­ma­wan­del) was pas­sie­ren muss, fin­de ich poli­tisch not­wen­dig. Die Dis­kurs­si­tua­ti­on fin­de ich dage­gen eher umwelt­so­zio­lo­gisch spannend.