Experimenteller Technikoptimismus – Update 2017

Man with dog III

Judith Hor­chert, Mat­thi­as Kremp und Chris Stö­cker schrie­ben vor zwei Jah­ren über fünf Tech­no­lo­gien, die unse­ren All­tag rasant ver­än­dern wer­den. Ich war skep­tisch, ob Robo­tik, auto­no­me Fahr­zeu­ge, künst­li­che Intel­li­genz, VR und auto­ma­ti­sche Über­set­zun­gen „on the fly“ sich wirk­lich so schnell durch­set­zen wer­den, wie Hor­chert, Kremp und Stö­cker das damals vermuteten.

Vor einem Jahr habe ich mir den dama­li­gen Ent­wick­lungs­stand ange­schaut. Mein dama­li­ges Fazit:

Vor einem Jahr war ich noch sehr skep­tisch, dass es hier tat­säch­lich zu Durch­brü­chen kommt und ent­spre­chen­de Tech­no­lo­gien – von den Robo­tern bis zur all­ge­gen­wär­ti­gen KI – Ein­zug in den All­tag fin­den und sich auch tat­säch­lich durch­set­zen. Gera­de was die Sprach- und Bil­der­ken­nung angeht, und alles, was dar­auf auf­baut, ist in den letz­ten Mona­ten extrem viel passiert. 

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Pass auf, was du dir wünscht. Politische Netzkommunikation und die Verteidigung der Gegenöffentlichkeit

1960s wallpaper II

Pass auf, was du dir wünscht. Neben diver­sen direkt­de­mo­kra­ti­schen Uto­pien des Alle-stim­men-jeder­zeit-über-alles-ab gehör­te zu den Pro­jek­tio­nen, die Ende der 1990er Jah­re auf das damals frisch aus dem Ei geschlüpf­te „World Wide Web“ gewor­fen wur­den, auch die Idee, dass es sich hier­bei um das ers­te demo­kra­ti­sche Mas­sen­me­di­um han­deln könnte. 

Jede und jeder wür­de sei­ne eige­ne Sei­te ins Netz stel­len kön­nen. Es wür­de direk­te, nie­der­schwel­li­ge Rück­ka­nä­le geben, so dass eine Kom­mu­ni­ka­ti­on ohne insti­tu­tio­nel­le Hür­den mög­lich wäre. Jour­na­lis­ti­sche Gate­kee­per wür­den ihren Job ver­lie­ren, weil sie in Zei­ten der direk­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on nicht mehr gebraucht wür­den. Die Zei­tung wür­de täg­lich per­so­na­li­siert aus­ge­lie­fert wer­den. Idea­ler­wei­se wür­de alles direkt kom­men­tier­bar wer­den, jede Web­site zum Ort des gesell­schaft­li­chen Dis­kur­ses wer­den. Und selbst­ver­ständ­lich wür­de nur noch die Kraft der Argu­men­te ohne Anse­hen der Per­son zäh­len. Schließ­lich wäre alles sofort über­prüf­bar. Vor­ur­tei­le wür­den in der text­ba­sier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on ausgeblendet. 

So wur­de das „damals“ gedacht.

Es kam genau­so, und doch anders, und wahr­schein­lich hät­ten schon die Fla­me­wars und Dis­kus­si­ons­kul­tu­ren im Use­net, in Chat­rooms und in Mail­box­fo­ren als Vor­zei­chen dafür gese­hen wer­den müs­sen. Trol­le, Fla­mes, anony­me Belei­di­gun­gen und hate speech, ja selbst Dis­kus­sio­nen dar­über, wie mit „Bots“ umzu­ge­hen ist – all das sind kei­ne neu­en Phä­no­me­ne, son­dern Stan­dard­mo­ti­ve der Netzethnographie.

Für die jün­ge­ren Leser*innen: vor dem World Wide Web fand Netz­kom­mu­ni­ka­ti­on zu einem gro­ßen Teil im Use­net (und ähn­lich in Mail­box­sys­te­men) statt, einer Rei­he per Mail bedien­ba­rer, the­ma­tisch sor­tier­ter Dis­kus­si­ons­fo­ren. Für die his­to­risch Inter­es­sier­ten bie­tet das WZB-Pro­jekt Kul­tur­raum Inter­net hier eine Viel­zahl von Fund­stel­len aus einer längst ver­gra­be­nen Vergangenheit.

Und heu­te?

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Nach der Digitalisierung: Was bleibt?

Small waterfall II

Ver­mut­lich muss ich den Titel die­ses Blog­bei­trags erklä­ren, und ver­mut­lich muss ich dafür etwas wei­ter ausholen. 

Aus­gangs­punkt ist die Art und Wei­se, wie wir – z.B. in der grü­nen Par­tei, oder in der Wis­sen­schaft, oder in den Medi­en – den Pro­zess der Digi­ta­li­sie­rung betrach­ten, ver­ste­hen und vor allem auch dar­stel­len. Immer wie­der fin­den sich da Bil­der wie das der (vier­ten indus­tri­el­len) Revo­lu­ti­on, der Zei­ten­wen­de, der neu­en Ära oder Epo­che. Der „digi­ta­le Wan­del“ ver­än­dert alles, kein Stein bleibt auf dem ande­ren, und was ges­tern noch galt, wird mor­gen unge­wiss sein. Das lässt sich jetzt zum einen auf ver­schie­de­ne Berei­che durch­de­kli­nie­ren – was macht „DeepT­ech“ (so der schö­ne Begriff, den Hol­ger Schmidt auf der Open! 2016 für die Kom­bi­na­ti­on aus Inter­net-der-Din­ge, Sen­so­rik, AR/VR, Künst­li­che Intel­li­genz und ver­teil­te Platt­form­mo­del­le präg­te) mit der Auto­mo­bil­in­dus­trie, wird die Arbeits­welt und der All­tag „in Zukunft“ ganz anders aus­se­hen als heu­te, ändern sich fun­da­men­tal nicht nur Bil­dung, Kom­pe­ten­zen und Kul­tur­tech­ni­ken, son­dern auch Vor­stel­lun­gen von Raum und Zeit, usw. usf. Das gan­ze lässt sich als tech­no­phi­le Uto­pie zeich­nen, oder als Mene­te­kel, als War­nung vor der gro­ßen Kata­stro­phe (Face­book zer­stört, Goog­le hat uns im Griff, …). 

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Gefrorene Zeit

Patterns of frost I

Z., die bald elf Jah­re alt wird, mein­te vor kur­zem zu mir, dass sie es bedau­re, sich an vie­le Ereig­nis­se aus ihrer frü­hen Kind­heit nicht erin­nern zu kön­nen. Ich kann das gut nach­voll­zie­hen, denn mir geht es so ähn­lich. Was ich nahe­zu aus­wen­dig ken­ne, ist dage­gen die Sequenz der Fotos in mei­nem – von mei­ner Mut­ter ange­leg­ten – Foto­al­bum (zwei Bän­de). In mei­nem Fall ist es ein groß­for­ma­ti­ges Buch, mit Sei­ten aus Kar­ton, getrennt durch Trans­pa­renz­pa­pier. Die Fotos – Papier­ab­zü­ge ana­lo­ger Foto­gra­fie -, vor allem die aus den ers­ten Lebens­jah­ren, haben die typi­sche oran­ge­sti­chi­ge Fär­bung ange­nom­men, die alle aus mei­ner Gene­ra­ti­on ken­nen dürf­ten, und die heu­te „1970er“ signalisiert.

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Dauerschleifen

Merry lettuce snails I

Patri­cia Camma­ra­ta hat was über die Gesell­schaft der Live­ti­cker auf­ge­schrie­ben, und ja, da ist eini­ges dran. Ich, eben­falls Jahr­gang 1975, zwar immer schon poli­tisch inter­es­siert, aber eben­falls lan­ge ohne Fern­se­her, kann mich noch gut an die Zeit erin­nern, als Ereig­nis­se am nächs­ten Tag in den Zei­tun­gen stan­den. Oder viel­leicht eine hal­be Minu­te in den Radio­nach­rich­ten ein­ge­nom­men haben. Jour­na­lis­tisch gefil­tert, zwar sicher­lich auch mit Mei­nung, aber nicht in einem Sumpf von Spe­ku­la­ti­on in Dau­er­schlei­fe ausgebreitet.

Es gibt eine Sehn­sucht nach ein­fa­che­ren Zei­ten. In der nost­al­gi­schen Ver­klä­rung der Ver­gan­gen­heit, mit dem Blick auf den eige­nen Erfah­rungs­ho­ri­zont, erscheint 2016 als das Jahr, in dem die Welt ins Cha­os stürzt. Emo­tio­nal geht mir das auch so. 

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