Eine interessante Frage wäre ja mal, seit wann IKEA dieses für Picknicks mit Kindern extrem praktische Plastikgeschirr im Programm hat. Die Blumenteller und die ovalen Teller entstammen unterschiedlichen Jahrgängen, und auch die Becher haben sich im Lauf der Zeit immer mal wieder leicht gewandelt. Mein subjektiver Eindruck: neonbuntes, leicht durchsichtiges IKEA-Plastikgeschirr ist ein Phänomen der 2000er Jahre und wird eines Tages zur Chronometrie genutzt werden können. Oder?
Nicht von dieser Welt
In den letzten Tagen sind mir zwei ganz unterschiedliche Bücher über den Weg gelaufen, die sich mit dem Großwerden von Kindern und Jugendlichen mit Asperger-Syndrom befassen. Dabei handelt es sich zum einen um The Quarry, das letzte Buch des zu früh verstorbenen schottischen Autors Iain Banks, und zum anderen um die Graphic Novel Schattenspringer, in die ich auf der Website der Autorin Daniela Schreiter hineinblättern konnte.
Routinebruch
Wie schnell die Dinge doch vertraut werden! Und wie sehr sie, wenn sie denn praktisch sind, so in alltägliche Routinen und Praktiken eingebunden werden, dass der Umgang kein Nachdenken mehr erfordert.
Dass das so ist, fällt – eine alte Weisheit der Techniksoziologie – immer dann auf, wenn die eingeübten Routinen scheitern. Also latente Panik und Organisationsstress, weil morgen der öffentliche Nahverkehr in Freiburg bestreikt wird. Kein Schlafwandeln zur Straßenbahnhaltestelle, sondern die aktive Überlegung, wie ich bloß zum Bahnhof komme – und abends wieder weg davon. Aber der Anlass für diesen Text ist nicht der Streik der öffentlichen Dienste, so lästig wie nachvollziehbar er sein mag. Ein anderes Stück Technik tut nicht mehr: das Nexus 7, mein Tablet, gut eineinhalb Jahre ist es alt geworden.
Kurz: Die Modelleisenbahn
Eine der netten Sachen daran, Kinder zu haben (und Eltern, die nichts wegwerfen ;-) …), ist es, Schätze aus der eigenen Kindheit wieder ans Licht zerren zu können. Zum Beispiel die Modelleisenbahn, mit der ich vor Jahrzehnten gespielt habe. Märklin H0, wobei mir das Landschafts- und Häuserbauen deutlich wichtiger war als der Zugverkehr, wenn ich mich richtig an diese Zeit erinnere. Die haben wir vor ein paar Tagen generationenübergreifend wieder aufgebaut; die lange Jahre vor sich hin rostende Lok wurde von meinem Papa wieder betriebsfähig gemacht, und auch die Schienen und der alte Trafo – Analogsteuerung – taten’s noch (na ja, mit ein bisschen Funkensprühen hier und da).
Ach ja, Fotos habe ich auch gemacht. Denen ist anzusehen, dass mein Jugendich Dinge gerne mal ein bisschen schief aufgeklebt hat; die Zeit hat das ihre dazu getan. Die ist in „Hügeln a.d.M.“ stehengeblieben, wo auch immer das liegen mag, und was auch immer in den 1950er-Jahre-Reihenhäuschen (die auch damals schon anachronistisch wirkten) so vor sich gegangen ist. Letzten Sonntag jedenfalls fuhr der Zug wieder.
Kurz: Vereinbarkeit heißt Verzicht auf Perfektion
In der ZEIT ist aktuell ein Text zu lesen, in dem zwei Väter sich beklagen. Weil … das wird nicht so ganz klar. Irgendwie klappt es nicht so richtig mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kindern und Karriere. Sie fühlen sich schlecht, weil sie, wenn sie denn schon mal Zeit für das Kind haben, doch berufliche SMS schreiben, und überhaupt: Überforderung. Und dann: Ratlosigkeit.
Ich kann das zum Teil nachvollziehen. Ich bin die halbe Woche alleine für meine beiden Kinder zuständig, und trotz guter Betreuungsinfrastruktur und sozialem Netzwerk kann das ganz schön stressig sein. Aber gehört das nicht dazu? Die Entscheidung für Kinder war bei mir eine ziemlich bewusste. Und für mich war sie auch eine bewusste Entscheidung gegen Karriere um jeden Preis. Keine Ahnung, ob ich ohne Kinder an der Uni geblieben und dort die Wüste der Prekarität erfolgreich durchschritten hätte. Aber ich bin da, wo ich bin, mit einer bewusst auf 70 Prozent der „Normalarbeitszeit“ angelegten Stelle im Politikbetrieb, die ich spannend finde, und die so einigermaßen gut genug bezahlt ist, um auch mit 70 Prozent finanziell über die Runden zu kommen. Da sind dann keine großen Sprünge möglich, ist halt so. Dass das arbeitsmäßig klappt, hat im übrigen auch was damit zu tun, dass ich zum Teil im Home Office arbeiten kann, dass meine Arbeitgeberin mir viel Flexibilität erlaubt – und dass meine Familienverpflichtungen eben auch ein guter Grund sind, um nicht an jedem Meeting teilzunehmen und an manchen Tagen sehr pünktlich zu gehen.
Verzicht auf Perfektion aber nicht nur auf der Karriereseite, sondern auch auf der Kinderseite: Kinder großzuziehen, ist, sollte, finde ich, Alltag sein. Familienarbeit heißt eben auch Kochen, Waschen, Putzen, Kinder ins Bett bringen, … und nicht nur: „Qualitätszeit“. Und gemeinsam anwesend zu sein heißt eben – meine ich – nicht, als Elternteil die Kinder ständig betüdeln zu müssen. Die sollen doch groß und selbstständig werden, nicht kleingehalten im Amüsierbetrieb. Sehe ich jedenfalls so, und das klappt auch halbwegs gut. Ob’s den Standards von ZEIT-Autoren entspricht, weiß ich nicht.
P.S.: Lesenswert zu dem Ganzen auch Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, der zum Teil nochmal ein bisschen anders an die Sache herangeht, und gerade wegen Karriere – und den entsprechenden finanziellen Spielräumen – einen Weg gefunden hat, beides zu vereinbaren.