Warum ich dann doch nicht gestreikt habe

Wie das so ist: gra­de war der lan­ge Text fer­tig, gra­de woll­te ich auf „Ein­trag spei­chern“ kli­cken, hängt sich mein Rech­ner auf. Also, zwei­ter Ver­such, etwas kürzer: 

Warum ich heute nicht gestreikt habe

Ver­mut­lich haben es gar nicht so vie­le Men­schen mit­be­kom­men: im Rah­men der „Tarif­be­we­gung“ von ver.di – also dem Ver­such, die 38,5‑Stunden-Woche im öffent­li­chen Dienst zu ret­ten und die Län­der zurück in einen ein­heit­li­chen Tarif­ver­trag zu bewe­gen – wur­de heu­te auch die Uni­ver­si­tät Frei­burg bestreikt. Ich wuss­te das auch nicht, bis vor ein paar Tagen eine Mail aus dem Reko­rat kam, die ver­se­hent­lich an alle Mit­ar­bei­te­rIn­nen der Uni geschickt wur­de, und in der Vor­ge­setz­te gebe­ten wur­den, dem Rek­to­rat mit­zu­tei­len, wer denn alles streikt. Aha: die Uni streikt also auch, und nicht nur die Müll­ab­fuhr (die aus irgend­wel­chen Grün­den bei uns der­zeit trotz­dem funk­tio­niert). Ges­tern dann also die Fra­ge: mit­strei­ken oder nicht? Nach län­ge­rem Suchen fand ich den Auf­ruf des Per­so­nals­rats zum Streik. Ist also offi­zi­ell, das mit dem Streik. So rich­tig viel stand da aller­dings auch nicht: ein paar sinn­vol­le Grün­de, die nüch­ter­ne Uhr­zeit 8.30 Uhr (früh!) und die Tat­sa­che, dass nach dem Ende der Kund­ge­bun­gen um 11 Uhr mit Bus­sen nach Straß­burg gefah­ren wer­den soll, um dort wei­ter­zu­strei­ken (war­um auch immer, ver­mut­lich wegen der EU-Dienst­leis­tungs­richt­li­nie, stand da jeden­falls nicht). 

Ange­sichts der Uhr­zeit dann doch noch­mal die Fra­ge: extra früh auf­ste­hen, um zu strei­ken? Denn so rich­tig viel Sinn ergibt das mit einem Streik als Akti­ons­form für mich – und ver­mut­lich für vie­le ande­re wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rIn­nen auf den übli­chen BAT-2a/2‑­Dritt­mit­tel­stel­len – nicht. Ers­tens merkt es, wenn nicht gera­de ein Semi­nar aus­fällt, nie­mand; und zwei­tens ist mei­ne Arbeit glück­li­cher­wei­se so fle­xi­bel und auto­nom, dass ich selbst dafür ver­ant­wort­lich bin, recht­zei­tig zu diver­sen Dead­lines diver­se For­schungs­be­rich­te abzu­lie­fern. Nicht zu arbei­ten, heißt dann: das spä­ter nach­ho­len zu müs­sen, und letzt­lich fak­tisch mehr unbe­zahl­te Über­stun­den zu machen. Bei Leu­ten, die auf einer hal­ben Stel­le pro­mo­vie­ren, sieht die Situa­ti­on noch kras­ser aus. Da ist es fast eher eine Form von Selbstständigkeit.

Für einen Streik sprach für mich vor allem, dass ich eigent­lich genau zu der Betrof­fe­nen­grup­pe gehö­re: mein eines Dritt­mit­tel­pro­jekt ist aus­ge­lau­fen, mit dem neu­en Pro­jekt gab es einen neu­en Ver­trag, und der sah dann plötz­lich 20,5 Stun­den wöchent­li­che Arbeits­zeit und diver­se Klau­seln vor, die ver­mut­lich auf „Weg­fall von Urlaubs- und Weih­nachts­geld“ hinauslaufen. 

Ich bin dann also tat­säch­lich früh auf­ge­stan­den, zur Uni gegan­gen und habe etwa 100 Men­schen gefun­den, die vor dem Hin­ter­ein­gang des KG II stan­den und sich eine lang­wei­li­ge Rede anhör­ten. Die meis­ten davon mit roter Kap­pe und ver.di-Streik-Plastikumhang. Außer­dem gab es zwei Trans­pa­ren­te, und zwei oder drei Leu­te von Links­ruck, die auf umfunk­tio­nier­ten Links­ruck-Stan­dard­de­mo­stan­dar­ten Wer­bung für die WASG mach­ten. Nie­mand dabei, den ich ken­ne, und 100 Leu­te sind auch etwas wenig für die Uni mit ein paar tau­send Beschäf­tig­ten. Und phan­ta­sie­vol­le Aktio­nen (Stu­di­pro­tes­te set­zen da an Hoch­schu­len die Maß­stä­be) sehen anders aus. 

Also war­te ich erst­mal ab, gucke mich unschlüs­sig um und ent­schlie­ße mich dann, qua­si als Gegen­pro­be mal im Insti­tut vor­bei­zu­schau­en. Dort läuft alles sei­nen gewohn­ten Gang, von einem Streik scheint hier nie­mand etwas mit­ge­kriegt zu haben. Die Faul­heit oder Feig­heit sieg­te dann, und statt zu strei­ken, bin ich mit mei­nem Pro­jekt ein gan­zes Stück weitergekommen.

Irgend­wann spä­ter am Tag war ich dann mal in der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek – halb befürch­tend, dass die­se zu ist (das wäre jeden­falls mein Ziel gewe­sen, wenn ich einen Uni­streik orga­ni­siert hät­te) – aber da lief alles sei­nen gewohn­ten Gang.

Ver.di beklagt sich dar­über, dass der Bereich „Bil­dung, Wis­sen­schaft und For­schung“ so schlecht orga­ni­siert ist, und for­dert zu Soli­da­ri­tät auf. Mich wun­dert das nicht wirk­lich – abge­se­hen von den Per­so­nal­rats­wah­len und Per­so­nal­ver­samm­lun­gen ist von den Gewerk­schaf­ten ver.di und GEW an der Uni wenig zu sehen. Und über­zeu­gen­de Kon­zep­te dafür, wie Leu­te auf rela­tiv eigen­stän­di­gen Wis­sen­schaft­le­rIn­nen-Stel­len ange­spro­chen wer­den sol­len, sind mir bis­her auch nicht aufgefallen. 

> ver.di zum Streik
> zum Wei­ter­le­sen: Mar­cus Ham­mer­schmitt: Rück­kehr des Streiks?

Photo of the week: Journey of waiting VI: stacked

stacked

Natür­lich gibt es inzwi­schen auch ganz vie­le Baby­fo­tos – aller­dings haben wir uns ent­schlos­sen, die­se erst­mal nicht öffent­lich zugäng­lich zu machen. Wer Zora sehen will, kann sich ger­ne an mich wen­den, um eine Ein­la­dung zu der pri­va­ten FlickR-Grup­pe zu erhal­ten, in der Zoras Baby­fo­tos gesam­melt sind. Für die Pho­to of the week-Serie bleibt es aller­dings erst­mal bei ande­ren Motiven.