Ich war etwas unentschlossen, was ich als Foto der Woche posten sollte – aus dem Februar wären eigentlich noch eine ganze Reihe Fotos aus Esslingen bzw. aus Hamburg (Miniaturwunderland) da, aber passend zu Ostern wollte ich eigentlich etwas frühlingshafteres. Statt Osterglocken (inzwischen verblüht) oder Magnolien (dito) habe ich mich für dieses filigrane Überbleibsel einer Hortensie aus dem letzten Sommer entschieden. Zugegeben, nicht ganz frühlingshaft – aber auch in diesem Geist steckt das Versprechen auf neues Blühen.
Auf dem Weg zur Kommunalwahl
Am 9. Juni 2024 findet in Baden-Württemberg nicht nur die Europawahl statt, sondern auch die Kommunalwahl in den Gemeinden, Stadt- und Landkreisen. Und wie jede Wahl, so hat auch diese einen Vorlauf. Bereits im Sommer letzten Jahres haben wir in Gundelfingen begonnen, uns zwischen Ortsvorstand und aktueller Fraktion Gedanken darüber zu machen, wer für die Liste angefragt werden kann.
Als Gemeinde mit 12.000 Einwohner*innen besteht der Gundelfinger Gemeinderat aus 22 Plätzen, eine Teilortswahl gibt es glücklicherweise nicht mehr. Das heißt auch: 22 Leute zu finden, die bereit sind, mit ihrer Person für die grüne Sache in die Öffentlichkeit zu gehen. Die Liste haben wir dann am 30. November 2023 gewählt, zudem zwei Ersatzkandidat*innen. Wie bei jeder grünen Liste gilt das Frauenstatut, d.h. jeder zweite Platz (1, 3, 5, …) ist für eine Frau reserviert. Herausgekommen ist eine bunte Mischung aus Menschen, die lange für die grüne Sache aktiv sind und einer ganzen Reihe neuer Gesichter, aus Parteimitgliedern und Sympathisant*innen, die – zum Teil in anderen Gruppen wie etwa Foodsharing oder Flüchtlingshelferkreis aktiv – bereit waren, auf unsere Liste zu gehen. Die Liste umfasst ein Altersspektrum von 18 bis 80 Jahre (und ganz schön viele Akademiker*innen …).
Ein paar Tage später, am 7. Dezember 2023 haben wir dann noch unsere sechs Kandidat*innen für den Wahlkreis Gundelfingen (mit Glottertal, St. Peter und Heuweiler) für die Kreistagswahl nominiert. Der Kreistag hat insgesamt 60 Kreisrät*innen, die in zwölf Wahlkreisen gewählt werden – Gundelfingen ist mit vier Mandaten einer der kleinsten Wahlkreise.
Parallel zur Suche nach Kandidat*innen haben wir uns überlegt, was Themen für unser Wahlprogramm sein könnten. Dazu fand im Oktober 2023 ein erster Workshop statt, auf dem Ideen gesammelt wurden. In mehreren Iterationen entstand daraus ein Wahlprogramm, das in seiner finalen Form am 14. März 2024 beschlossen wurde. Natürlich gibt es ein paar Dauerbrennerthemen, die in jedem grünen Wahlprogramm für Gundelfingen auftauchen – etwa die Verkehrssituation. Verstärkt in den Blick rücken mit dem diesjährigen Programm soziale Fragen und – auch motiviert durch die Demonstrationen in den ersten Monaten des Jahres – das Thema Demokratie und Beteiligung. Gleichzeitig wurde in der Debatte um das Programm deutlich, dass es viele Themen gibt, die nur bedingt oder gar nicht in kommunaler Zuständigkeit liegen. Gemeinden haben in Baden-Württemberg eine starke Stellung, aber vieles wird doch auf anderen Ebenen entschieden.
Mit Liste und Programm steht jetzt der Wahlkampf bevor. Ab Mitte April darf in Gundelfingen plakatiert werden und sind Infostände möglich. Beides werden wir natürlich nutzen. Hinzu kommt die Öffentlichkeit in sozialen Medien als weiteres Feld. Für den Wahlkampf laufen aktuell die letzten Vorbereitungen – der Kreisverband hat beim Landesverband Plakate und Materialien für Infostände bestellt, es gibt Fotos der Kandidat*innen, und ich bin gerade dabei, unser Programm und unsere Liste in eine Form zu bringen, die dann verteilt und beworben werden kann. Hilfreich dafür sind Layoutvorgaben und ‑elemente, die der Landesverband im Rahmen der Kampagne „Dafür sind wir hier.“ bereit stellt, und die dann an lokale Gegebenheiten angepasst werden können. Nicht zuletzt heißt Wahlkampf auch, zu organisieren, wer was in die Hand nimmt, wer wann am Stand steht und welche weiteren Aktionen sinnvoll sind, um für unser Programm und unsere Liste zu werben.
Spannend bleibt jetzt, wie eigentlich das Umfeld aussieht, in dem wir um Stimmen werben. Mit sechs Plätzen stellen wir derzeit die zweitgrößte Fraktion nach den Freien Wählern; außerdem sind SPD und CDU im Gemeinderat vertreten. All diese Gruppierungen treten wieder an – über weitere Listen etwa aus dem verschwörungstheoretischen Milieu gibt es bisher nur Gerüchte. Gestern war die Deadline für die Einreichung von Listenvorschlägen, es dürfte also in Kürze klar sein, auf wen die Bürger*innen Gundelfingens am 9. Juni ihre Stimmen verteilen können. Bis dahin haben wir als Ortsverband noch einiges zu tun – auch das gehört zu gelebter Demokratie dazu.
Photo of the week: Night in Esslingen I
Esslingen liegt nicht nur am Neckar, der Neckar teilt die Stadt auch in das eigentliche Stadtgebiet auf der einen Neckarseite und diverse Vorstädte und Erweiterungen auf der anderen Neckarseite. Der Weg vom Bahnhof zu meiner Esslinger Wohnung führt über den Neckar, d.h. über die Pliensaubrücke, eine interessante Mischung aus historischem Wachturm, alter Neckarbrücke, den letzten Schienenspuren einer nicht mehr fahrenden Straßenbahn und Rampe für Fuß- und Radverkehr. Eigentlich gäbe es auch einen direkten Weg vom Bahnhof zur Brücke, der ist derzeit aber wegen Bauarbeiten am Neckar gesperrt, d.h. mein Weg ist dadurch etwas länger. Und ab und zu wundere ich mich darüber, wieso jetzt doch Autos auf der Fußgängerbrücke fahren oder wo überall geparkt werden kann …
Kurz: Legalisierung ante portas
Bundesratssitzungen sind normalerweise eher dröge. Heute anders. Die Website bundesrat.de war immer wieder down, auf Youtube sahen rund 30.000 Leute dem Stream zu, und im Chat neben dem Stream sausten Brokkoli-Emojis, Unverständnis für Unionsredner*innen und Zuspruch für Karl „King“ Lauterbach nur so durch. Richtig: es ging um das Cannabisgesetz.
Im Endeffekt hat es im Bundesrat keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses gegeben. In den Reden wurde deutlich, dass die Union auf Totalblockade setzt und – Bundesgesetz hin oder her – an einem maximal repressiven Kurs beispielsweise in Bayern festhalten will. Andere Länderminister*innen betonten dagegen eher Zustimmung zum Ziel der Legalisierung und Entkriminalisierung, sahen aber Probleme im Vorgehen des Bundes und in einzelne Regelungen. Eigentlich wäre ein Vermittlungsausschuss (VA) der richtige Ort, um diese Unklarheiten zu klären. Dass es trotzdem keine Mehrheit dafür gab, lag an vielen Enthaltungen, lag sicherlich auch an dem offensiven Blockadekurs der Unionsspitze – jede Anrufung des VA wäre risikoreich geworden – und lag im Endeffekt auch daran, dass das Land Sachsen ungültig abgestimmt hat. (Stimmabgaben sind im Bundesrat nur einheitlich möglich – Ministerpräsident Kretschmer stimmte für den VA, sein Minister Dulig aus der SPD dagegen, damit zählte die Stimmabgabe im Ergebnis nicht).
Persönlich kann mir dieses Gesetz fast egal sein – ich habe weder an Cannabis noch an Alkohol ein Interesse (auch im Unterschied zu z.B. dem CDU-Chef Merz) – politisch ist dieses Ergebnis auch aus meiner Sicht ein Erfolg. Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) hat das in seiner Rede deutlich gemacht: es geht um Kontrolle und Jugendschutz, um ein Ende des Schwarzmarkts und die Entkopplung von anderen Drogen. Und dafür ist eine klug gemachte Legalisierung der deutlich bessere Weg als Drohung und Polizei. Nicht zuletzt: die Ampel zeigt, dass es manchmal doch einen Fortschritt geben kann.
Drei Gedanken zu „Was ihr wollt. Wie Protest wirklich wirkt.“
Friedemann Karig, der mir bisher vor allem über den einen oder anderen prononcierten Tweet auf Mastodon aufgefallen war – ich bin nicht der große Podcast-Hörer, sonst wäre das sicher anders – hat vor ein paar Tagen das rund 180 Seiten umfassende Buch Was ihr wollt. Wie Protest wirklich wirkt veröffentlicht. Das Buch geht auf die Geschichte von Protesten ein, und legt einen besonderen Fokus auf die Aktionen der Letzten Generation. Es lässt sich geschmeidig weglesen – im Nachgang bin ich dann aber doch an drei Punkten hängengeblieben.
Erstens die Titelfrage, wie Proteste wirken. Wenn ich das richtig zusammenfasse, dann ist Karig eher skeptisch bezüglich quantitativen Ansätzen. Nicht jeder Protest, an dem 3,5 Prozent der Bevölkerung teilnehmen, war erfolgreich. Überhaupt stellt sich natürlich die Frage, was die Wirkung eines Protestes ist. In autoritären Regimen ist der Sturz der Regierung noch ein relativ klar umrissenes Erfolgskriterium. In Demokratien geht es darum, die politische Agenda zu verändern. Und das kann etwas sein, das sehr langen Atem braucht. Karig führt hier in Anlehnung an die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ die Idee einer „Ökologie der Aufmerksamkeit“ ein. Es geht nicht einfach um „mehr Aufmerksamkeit“, sondern darum, dass sich das richtige Narrativ durchsetzt.
Mit Narrativ meint Karig eine erzählerische Einheit, die politische Debatten strukturieren hilft, und die drei Elemente aufweist: „Wer ist Handelnder (Protagonist)? Wer ist Gegenspieler (Antagonist)? Welche Werte stehen auf dem Spiel?“ (S. 99). Daraus lässt sich dann ableiten, dass die beiden entscheidenden Fragen einer Ökologie der Aufmerksamkeit von Protesten folgende sind: „Welche Geschichte erzählt Protest über sich und seinen Gegenstand? Und: Wer sind in dieser Geschichte die Bösen?“ (S. 101). „Drei Gedanken zu „Was ihr wollt. Wie Protest wirklich wirkt.““ weiterlesen