Ein letztes Foto aus Wien. Eigentlich wollte ich mir ja das Hundertwasser-Haus anschauen, bin dann aber in der U‑Bahn in die falsche Richtung gestiegen und kurzentschlossen zur Müllverbrennungsanlage Spittelau gefahren. Friedensreich Hundertwasser (auch bekannt für den Bahnhof Uelzen bei Lüneburg) hat hier nach einem Brand in den 1980er Jahren die Fassade der Müllverbrennungsanlage neu gestaltet (nicht im Bild: die goldene Kuppel, die den Schornstein krönt). Ich bin dem Projekt zum ersten Mal als Jugendlicher in einem großformatigen Hundertwasser-Kunstband begegnet, den ich damals geschenkt bekommen habe. Da wird schon deutlich, dass das (dort als „Heizbetrieb Spittelau“ firmierend) eine zwiespältige Sache ist, und dass wohl auch Hundertwasser selbst hin- und hergerissen war, ob er den Auftrag annehmen soll, diese Müllverbrennungsanlage in mitten der Stadt Wien vom Industriezweckbau zu einem Kunstwerk umzugestalten. In dem Buch (Harry Rand, Hundertwasser, Taschen 1991, S. 70) ist ein langer Brief Hundertwassers dokumentiert, in dem er die Vor- und Nachteile abwägt, den Dioxingehalt in der Abluft der MVA beschreibt, das Ideal der abfalllosen Gesellschaft und des völligen Verzichts auf fossile Brennstoffe entwickelt und letztlich die Entscheidung für die Gestaltung „dieses neuen Wahrzeichens“ trifft. Politische Kunst? Dekoration? Kitsch? Wiederverzauberung? Man weiß es nicht.
(Fast interessanter als die Kunst am Bau: die Gestaltung des Platzes davor, nicht von Hundertwasser, sondern durch die Wien Energie, mit solarbetriebenem Schatten- und Kühlespender, Hipster-Würstelstand und Aufenthaltsqualität.)