Unsortierte Gedanken nach der Wahl 2025

Der Wahl­sonn­tag ist jetzt fast schon eine Woche her. Und nach Wahl­ana­ly­sen in den ver­schie­dens­ten Kon­tex­ten bin ich immer noch nicht so ganz sicher, wie ich die­ses Wahl­er­geb­nis bewer­ten und ein­ord­nen soll. 

Ich fan­ge mal mit mei­ner Pro­gno­se an. Die sah so aus:

Wenn ich das zusam­men­neh­me, kom­me ich zu einem aus mei­ner Sicht nach heu­ti­gem Stand mög­li­chen Wahl­aus­gang, bei dem BSW drau­ßen bleibt, die Lin­ke deut­lich ein­zieht (sagen wir: 8,5%), die FDP knapp rein­kommt (5,1%), wir Grü­ne eher am unte­ren Ende der Umfra­gen lan­den (12,5%), die SPD viel­leicht auf 16 Pro­zent kommt, die AfD eher bei 23 Pro­zent lan­det und CDU/CSU zusam­men nur 27,5 Pro­zent erreichen.

Gar nicht mal so weit weg vom tat­säch­li­chen Ergeb­nis. Wir Grü­ne haben die 12,5 auch noch­mal geris­sen, obwohl es zu Beginn des Wahl­abends so aus­sah, als ob wir irgend­wo zwi­schen 12 und 13 Pro­zent lan­den wür­den. Am Schluss reich­te es nur für 11,6 Pro­zent, das ist in etwa das Niveau der Euro­pa­wahl 2024. Die AfD ist bei „nur“ 20,8 Pro­zent gelan­det, die Uni­on war mit 28,6 Pro­zent mini­mal bes­ser als ich das ver­mu­tet hat­te, die SPD erreich­te 16,4 Pro­zent und BSW (knapp) und FDP (deut­lich) ver­pass­ten den Ein­zug. Und ja: die Lin­ke kam auf 8,8 Pro­zent. Auch das also nah an mei­nem Gefühl nach den letz­ten Umfra­gen vor der Wahl und der Stimmungslage.

Im Par­la­ment sit­zen damit fünf Frak­tio­nen: CDU/CSU mit 208 Sit­zen, die AfD mit 152 Sit­zen (!), die SPD mit 120 Sit­zen, Grü­ne mit 85 Sit­zen und die Lin­ke mit 64 Man­da­ten. Dazu kommt noch ein Sitz der SSW. In der Sum­me 630, zumin­dest in die­ser Hin­sicht hat das neue Wahl­recht gehal­ten, was es ver­spro­chen hat (und wird prompt von der Uni­on ange­grif­fen, weil eini­ge CDU- und CSU-Erst­stim­men­sie­ger dies­mal nicht einziehen). 

Neben der rech­ne­risch mög­li­chen Mehr­heit von CDU/CSU und AfD ist die ein­zi­ge poli­ti­sche rea­lis­ti­sche Koali­ti­on eine aus CDU und SPD.

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🙁

New York VI (Trump Tower / Emergency Exit)

Noch läuft die Aus­zäh­lung. Aber wenn ich den Pro­gno­sen der New York Times ver­trau­en kann – und die dahin­ter lie­gen­den Zah­len, der mas­si­ve Umschwung nach rechts sehen so aus – dann müss­te ein Wun­der gesche­hen, damit Kama­la Har­ris die­se Wahl noch gewinnt. Ich glau­be nicht an Wunder.

Ich gehe davon aus, dass der nächs­te Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten Donald Trump sein wird – mit einer Mehr­heit im Supre­me Court und im Senat, wahr­schein­lich auch im Reprä­sen­tan­ten­haus. Gleich­zei­tig hat die­ser Trump einen Plan, egal, wie sehr er sich davon rhe­to­risch distan­ziert. Inso­fern ist Trump 2024 nicht Trump 2016, son­dern etwas schlim­me­res. Und sein Vize­prä­si­dent steht nicht für die klas­si­sche repu­bli­ka­ni­sche Par­tei, son­dern für einen neu­en Faschis­mus. Das alles in Zei­ten, in denen die USA als ver­läss­li­cher Part­ner eigent­lich gebraucht wür­den – im Kli­ma­schutz, in der Ver­tei­di­gung der Ukrai­ne, im welt­wei­ten Kampf um Demo­kra­tie. Die­se Leer­stel­le wer­den wir bit­ter zu spü­ren bekommen.

2016 war ein Schock, ein böses und uner­war­te­tes Erwa­chen. 2024 fühlt sich anders an. Ich hat­te dar­an geglaubt, dass Har­ris eine Chan­ce hat, dass der Schwung ihrer Kan­di­da­tur bis hier­her reicht. Statt des­sen hat die Pola­ri­sie­rung zuge­nom­men, die zwi­schen Stadt und Land, zwi­schen Küs­ten und dem Lan­des­in­ne­ren – und fast über­all haben mehr Leu­te, bei höhe­rer Wahl­be­tei­li­gung, Trump gewählt als vor vier bzw. sogar vor acht Jah­ren. Objek­tiv betrach­tet war Biden ein guter Prä­si­dent. Gewür­digt wur­de das nicht. Und ich sehe schon die Legen­den, die gestrickt wer­den – dass die Demo­kra­ten viel­leicht doch lie­ber einen wei­ßen Mann hät­ten auf­stel­len sol­len, dass es bes­ser gewe­sen wäre, sich noch stär­ker auf das eine oder ande­re rech­te Nar­ra­tiv ein­zu­las­sen. Und auch davor habe ich Angst.

2024 ist tie­fe Frus­tra­ti­on. Egal, ob es X war oder die Rus­sen, oder schlim­mer noch, ehr­li­che Begeis­te­rung bei einer gro­ßen Zahl Wähler*innen für ein zutiefst reak­tio­nä­res Pro­jekt – das sind alles kei­ne guten Vor­aus­set­zun­gen für die kom­men­den Jahr­zehn­te. Nicht nur in den USA. Wir spü­ren das ja auch hier. Die Wah­len im Osten, die Wah­len in Ita­li­en und den Nie­der­lan­den, in Öster­reich, in Frank­reich. 2025 dann eine Bun­des­tags­wahl, bei der, jede Wet­te, die Merz-Uni­on voll auf Popu­lis­mus-Kurs gehen wird. Muss das sein?

Kurz: OB-Wahl 2018 – Freiburg

Seit einer guten hal­ben Stun­de haben die Wahl­lo­ka­le geöff­net, und ich wer­de mich gleich auch auf den Weg dort­hin machen, und – ganz kon­ser­va­tiv – dafür stim­men, dass Frei­burg wei­ter­hin von die­sem grü­nen Ober­bür­ger­meis­ter regiert wird. 

Inter­es­sant ist bei die­ser Wahl ja das Bewerber*innen-Feld: drei­ein­halb Per­so­nen, die irgend­wie behaup­ten, grün oder grün-nah zu sein oder gewe­sen zu sein, und zwei rech­te Popu­lis­ten. Rele­van­te Konkurrent*innen für den Amts­in­ha­ber Die­ter Salo­mon dürf­ten aller­dings nur die Stadt­rä­tin der Grün-Alter­na­ti­ven Frak­ti­on, Moni­ka Stein, und der SPD-Kan­di­dat, Mar­tin Horn, sein (der in einem Inter­view auch irgend­was von grün-nah sag­te). Wäh­rend Die­ter auf grün-dun­kel-gol­de­ne Ele­ganz mit Remi­nis­zenz an hol­län­di­sche Meis­ter setzt – zumin­dest in der Bild­spra­che – hat sich Moni­ka im Wahl­kampf als authen­ti­sche Lin­ke mit gro­ßem Wis­sen über die The­men der Stadt insze­niert. Und Mar­tin Horn? Ich neh­me ihm immer noch nicht ab, die Stadt wirk­lich ver­stan­den zu haben. Und ich fra­ge mich, wie­so ein Wahl­kampf auf Halblü­gen (die angeb­li­che schlech­te Stel­lung der Digi­ta­li­sie­rung in Frei­burg) und Fähn­chen-in-den-Wind-dre­hen (für und gegen mehr Woh­nun­gen, …) auf­bau­en muss. Nein, da bin und blei­be ich misstrauisch.

Ich habe, das gebe ich ehr­lich zu, eine Zeit lang über­legt, ob nach zwei Amts­zei­ten von acht Jah­ren, wie sie das auf star­ke Oberbürgermeister*innen fokus­sier­te baden-würt­tem­ber­gi­sche Kom­mu­nal­wahl­recht nun ein­mal vor­sieht, noch eine wei­te­re Amts­zeit für Die­ter Salo­mon sinn­voll ist (da ver­fängt also das Horn’sche Pla­kat). Und dann habe ich mal über­legt, was ich in ande­ren Städ­ten sehe und was ich aus ande­ren Städ­ten höre, und bin zum kla­ren Schluss gekom­men, dass es Frei­burg mit Die­ter sehr gut geht. Klar: wir haben ein Woh­nungs­pro­blem, ich lei­de auch dar­un­ter – aber auch das hat mehr mit der Attrak­ti­vi­tät der Stadt zu tun als mit feh­len­der Poli­tik, so mei­ne Ein­schät­zung. Das Bür­ger­amt funk­tio­niert gut, die städ­ti­schen Muse­en und das Thea­ter haben ein tol­les Pro­gramm, die Schu­len und Kin­der­ta­ges­stät­ten nut­zen die Frei­räu­me, die die lan­des­ge­setz­li­chen Vor­ga­ben las­sen, und Frei­burg ist und bleibt eine badisch-libe­ra­le Stadt. Inso­fern drü­cke ich Die­ter die Dau­men, dass es heu­te Abend für eine wei­te­re Amts­zeit reicht – und wün­sche mir für die­se ein paar gro­ße Schrit­te, was z.B. die städ­te­bau­li­che Pla­nung Die­ten­bach anbe­langt, ger­ne auch einen Schuss mehr Bür­ger­be­tei­li­gung und Ver­ständ­nis für den sozia­len Mix, der Frei­burg eben auch ausmacht.

Annäherungen an seltsame Welten, oder: Demokratie als Utopie

Side street

Weih­nach­ten ist ja ger­ne gese­hen als Zeit­punkt für Rück­bli­cke auf das ver­gan­ge­ne Jahr. Per­sön­lich kann ich nicht kla­gen, wenn ich auf 2017 zurück­bli­cke. Aber das gro­ße Gan­ze liegt mir schwer im Magen – nach Brexit und Trump gab es 2017 nicht nur neu auf­flam­men­de Krie­ge und Kon­flik­te, son­dern auch Wahl­er­geb­nis­se in Euro­pa, bei denen doch erschre­ckend vie­le Men­schen rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei­en und deren Kandidat*innen gewählt haben. Die AfD sitzt jetzt nicht nur in diver­sen Land­ta­gen, son­dern auch im Bun­des­tag. In Frank­reich und in Öster­reich wur­den Rechtsaußen-Präsident*innen nur knapp ver­hin­dert. Und in Öster­reich regiert nun die FPÖ mit und dreht das Rad des Fort­schritts zurück. 

Und wenn ich bei mei­nen häu­fi­gen Zug­fahr­ten – oder selbst im Bekann­ten­kreis – mit­krie­ge, über was Men­schen sich unter­hal­ten, was sie bewegt, was ihre Grund­an­nah­men sind: auch dann ist da erschre­ckend viel dabei, was gut zu die­sen rech­ten Ten­den­zen passt. Und ich fra­ge mich, was in die­sen Men­schen eigent­lich vor­geht. Wie sie die Welt sehen. 

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Kurz: Oktoberwahlen

So rich­tig glück­lich macht mich ja weder die Wahl in Nie­der­sach­sen, noch die in Öster­reich, noch jetzt die in Tsche­chi­en. Öster­reich und noch mehr Tsche­chi­en (stärks­te Par­tei: ein Ber­lus­co­ni-Ver­schnitt, danach kom­men Rech­te, Pira­ten (!), noch mehr Rech­te, und dann erst das übli­che Par­tei­en­spek­trum) zei­gen mal wie­der einen mas­si­ven Rechts­po­pu­lis­mus­ruck. In Öster­reich wird’s Schwarz-Blau oder Rot-Blau, bei­des eher eklig.

Und dass in Öster­reich (nach Abgang der jun­gen Grü­nen Rich­tung KPÖ auf­grund von per­so­nel­len Strei­tig­kei­ten um Wahl­lis­ten für die Hoch­schul­wah­len und Spal­tung – ein nicht wie­der auf­ge­stell­ter bekann­ter Par­la­men­ta­ri­er mach­te sei­ne eige­ne popu­lis­ti­sche Lis­te auf) die Grü­nen klar an der dor­ti­gen 4%-Hürde schei­ter­ten, gefällt mir nicht. Ich hof­fe, da kommt es jetzt zu einer Neu­auf­stel­lung und nicht zur wei­te­ren Zer­le­gung; bis­her waren mir die öster­rei­chi­schen Grü­nen eigent­lich vor allem als inno­va­ti­ve und sym­pa­thi­sche grü­ne Par­tei auf­ge­fal­len, die lan­ge vor uns ent­deckt hat, wie wich­tig gute Kam­pa­gnen sind. Also nichts mit tu felix austria.

Und Nie­der­sach­sen? Die Neu­wah­len wur­den vor­ge­zo­gen, weil Rot-Grün nach dem Wech­sel von Elke Twes­ten zur CDU sei­ne Mehr­heit ver­lor. Schwarz-Gelb hät­te also vor der Wahl eine Mehr­heit gehabt. Nach der Wahl feh­len Rot-Grün zwei Stim­men zur Mehr­heit (mit kla­ren inter­nen Ver­schie­bun­gen von Grün zu Rot), aber da die AfD trotz der in Nie­der­sach­sen beson­ders aus­ge­präg­ten Zer­strit­ten­heit ein­ge­zo­gen ist, hat auch Schwarz-Gelb kei­ne Mehr­heit. Jamai­ka auf Lan­des­ebe­ne haben die Grü­nen klar aus­ge­schlos­sen, eine Ampel will die FDP nicht mit­ma­chen (genau wie 2016 in Baden-Würt­tem­berg) – wenn sich da nie­mand bewegt, kommt es zur gro­ßen Koali­ti­on unter Füh­rung der wei­ter­hin star­ken SPD. Und wenn die Lin­ke rein­ge­kom­men wäre, statt knapp an der Fünf-Pro­zent-Hür­de zu schei­tern, sähe jetzt alles anders aus – eben­so, wenn die Wähler*innen der Kleinst­par­tei­en ihre Stim­me den grö­ße­ren gege­ben hät­ten. (Sag­te ich schon, dass ich ein Prä­fe­renz­wahl­sys­tem sinn­voll fände?)