Um die Zukunft und die Vergangenheit – so weit sie als Science Fiction bzw. als Fantasy imaginiert werden – findet derzeit, von der größeren Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, ein Kulturkampf statt. Unbemerkt, aber nicht unwichtig, denn wo anders als in diesem Genre entsteht das kollektive Imaginäre? Ein heiß diskutiertes Symptom für diesen Kulturkampf sind die vor wenigen Tagen bekanntgegebenen Hugo-Nominierungen. Um das zu verstehen, ist allerdings etwas Hintergrund notwendig.
Reiselektüre
Foto: Kalandrakas, CC-Lizenz
Auch wenn die Updatefrequenz dieses Blogs etwas anderes suggeriert: ich bin erst nächste Woche im Urlaub. Und habe gleich mal eine ganze Menge an Reiselektüre für u.a. die neunstündige Zugfahrt an die Ostsee bestellt.
Als da wären:
Charles Stross: Halting State (amazon) – ein Near-Future-Roman meines derzeitigen Lieblingsautors, der von einem innerhalb eines Rollenspiels begangenen echten Bankraubs handeln soll, und jetzt als Taschenbuch erschienen ist. Ich bin gespannt, insbesondere darauf, ob Stross mich mitreißt, obwohl ich von Computerspielen und virtuellen Welten a la Second Life nicht so viel halte. Hat gerade fast einen Hugo bekommen.
Vernor Vinge: Tatja Grimm’s World (amazon) – einer der Vinge-Klassiker, die ich bisher noch nicht gelesen habe. Tatja Grimm’s World ist als solcher zuerst 1987 erschienen (einzelne Teile bereits 1968 und 1969) und wurde von Tor jetzt neu aufgelegt. Laut Cover ist es der erste echte Roman von Vinge, von dem ich bisher vor allem Deepness in the sky und A Fire upon the Deep kenne (sind ja auch die bekantesten seiner Romane). Die haben mir beide ziemlich gut gefallen, und auch Rainbows End (vor zwei Jahren erschienen) fand ich überzeugend. Vor einigen Monaten habe ich dann mit Marooned in Realtime (1986) zum ersten Mal bei Vinge „rückwärts“ gelesen. Das Experiment war dann immerhin überzeugend genug, um jetzt Tatja Grimm’s World zu bestellen. Danach müsste ich mich dann mal an True Names wagen.
Terry Pratchett: The Truth (amazon) – zugegebernermaßen war ich lange Zeit eher skeptisch, was Pratchett anlangt; insbesondere die Vielzahl und Geschwindigkeit, mit der er Discworld-Romane ausgestoßen hat, war mir immer irgendwie suspekt (schließlich brauchte der beste komische SF-Autor, Douglas Adams, ja auch Jahre für jeden Band der Anhalter-Reihe!). Irgendwann habe ich dann aber entdeckt, dass Pratchett weitaus mehr als klamaukige Unterhaltung ist, sondern im Discworld-Gewand letztlich ziemlich ernsthafte und durchaus aufklärerische Satiren produziert. Oder so. Mir jedenfalls durchaus gefällt. Jetzt stehe ich allerdings vor dem Problem, was aus seinem großen Werk ich lese (eine Handvolle Romane habe ich schon; schade, dass inzwischen die klassischen Titelbilder auslaufen und durch neue ersetzt werden; gut gefallen hat mir Thief of Time, Small Gods und Equal Rites).
Diesmal ist meine Entscheidung auf The Truth gefallen, den vor acht Jahren zum ersten Mal erschienener Blick auf die Zeitungswelt der Scheibenwelt.
Bei Pratchett darf abschließend der traurige Hinweis nicht fehlen, dass er mit 60 Jahren relativ jung an einer seltenen Form von an Alzheimer erkrankt ist, was sich, wie er selbst berichtet, inzwischen auch auf sein Schreiben auswirkt. Das hat zwar den „Vorteil“, dass ich irgendwann auch mal mit meiner Discworld-Lektüre hinterherkomme ;-/ – ernsthaft: ich finde es sehr bedauerlich und bin beeindruckt, wie stoisch Pratchett mit dieser Krankheit umgeht.
Ian McDonald: Brazyl (amazon) – wird es leider nicht mehr in mein Gepäck schaffen; heute war die Versand-EMail von amazon da, aber ich werde voraussichtlich vor dem Postboten aufbrechen. Von McDonald hat mir sein Cyber-Indien-Buch River of Gods sehr gut gefallen, jetzt will ich sehen, wie er mit dem nächsten „Schwellenland“ klarkommt (scheint überhaupt ein Faible von McDonald zu sein; auch Kirinya spielte ja schon größtenteils im „Nichtwesten“, nämlich in Afrika).
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Zurück zur Reise: Da ist dann also hoffentlich einiges an guter Unterhaltung dabei. Mehr Mitzuschleppen wäre nur mit eBook statt Papier möglich. Bisher bin ich dem klassischen Medium aber weitgehend treu geblieben (und da mein Laptop nicht mitkommt, wäre das mit dem eBook auch gar nicht so einfach – oder kennt jemand ’ne SF-Library fürs Symbian-Handy?). Aber notfalls gibt es dann vielleicht ja noch die eine oder andere Bahnhofsbuchhandlung.