Angefixt hat mich unsere Balkonsolaranlage vor zwei Jahren. Die kam mit einem Shelly PM, um Ertrag und Einspeisung zu messen. Das ließ sich dann – eingebunden in das hausinterne WLAN – jederzeit in der App des Herstellers Shelly auf dem Handy ansehen. Neben Zählern und schaltbaren Steckdosen stellt Shelly auch Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren her. Eine sehr praktische Sache, um den Überblick darüber zu haben, wie es mit der Luftfeuchtigkeit im Bad nach dem Duschen oder mit der Temperatur im Keller aussieht. Auch das lässt sich in der App von Shelly jederzeit anschauen.
Kurz: Über schöne Dinge
Bei mir sammeln sich ja vor allem Bücher an. Und Lego-Modelle. Und natürlich die inzwischen glücklicherweise weitgehend digitalen Fotografien. Ach ja, und Sachen meiner Eltern, die natürlich auch. Das eine oder andere Souvenir. Bilder an den Wänden. Volle Schubladen. Und Stapel auf den Tischen.
Was da eigentlich passiert, damit befasst sich der Kulturhistoriker Valentin Groebner in seinem Essayband Aufheben, Wegwerfen. Vom Umgang mit den schönen Dingen (Konstanz, 2023). Er zieht dabei Bögen von der kleinen Tasche für die eigenen Dinge, die römische Söldner mit sich trugen, über Reflektionen zu Magie (immer etwas, das andere tun könnten, so dass selbst vorgesorgt werden muss) und Schönheit bis hin zu den den vielfältigen globalen Verflechtungen, Exporte, Importe und Re-Importe der letzten tausend Jahre. Groebner macht das in einem freundlichen Erzählstil, mit gelehrtem Spott und einem Hauch Selbstironie über die distinguierte Welt der Sammler*innen und die Kulte des Minimalismus mit ihren weißen Wänden (schwer zu putzen) und den sich doch wieder ansammelnden Dingen in den Augenblicken, in denen Leben stattfindet.
Das ist auf jeden Fall schön zu lesen. Es finden sich hübsche Formulierungen wie die, dass wir Mollusken gleichen, die sich einen Panzer aus Dingen schaffen. Und viel zu oft das Gefühl eines Ertapptseins und der Wiedererkennung, auch wenn’s nie ganz genau so wie bei Groebner ist. Ob ich jetzt mehr über den Umgang mit den mit Erinnerung aufgeladenen Dingen weiß, da bin ich mir noch nicht sicher. Rat gibt Groebner nicht. Vielleicht den, dass Schönheit und Zufriedenheit in der Begrenzung liegt, und das Streben nach Vollständigkeit und Bewahrung eher eine Last ist. Die erst im Rückblick zu erkennen ist. We will see.
Kurz: Tücken des Hybriden
Nach eineinhalb Jahren Pandemie ist mein Fazit: entweder – oder. Präsenzveranstaltungen funktionieren gut, die Menschheit hat ein paar tausend Jahre Erfahrung damit, die Praktiken sind eingespielt.
Rein digitale Formate für Treffen aller Art – vornehmlich Videokonferenzen – sind im Vergleich dazu sehr neu. Wenn die Technik mitspielt, und wenn alle berücksichtigen, dass manches anders ist, lassen sie sich produktiv nutzen. Körpersprachliche Hinweise müssen explizit gemacht werden, weil es keinen gemeinsamen Raum gibt, der alle orientiert. Es gibt keine Sitzreihenfolge, jedenfalls keine, die für alle gleich ist. Je nach Größe der Veranstaltung sind nicht alle im Bild, manche sind nur „telefonisch zugeschaltet“. Und wer Geräusche verursacht, stört schneller als in einer Präsenzveranstaltung. All das lässt sich aber lernen, egal, ob es um Arbeitstreffen, Schulunterricht oder Vorträge (mit klarer Unterscheidung zwischen Bühne und Publikum) geht. Dazu kommen die bekannten Vorteile, etwa hinsichtlich des Reiseaufwands.
Mühsam finde ich dagegen Hybridveranstaltungen, also realräumliche Treffen mit digitaler Teilnahme. Das geht da, wo es klare Rollenverteilungen gibt, oder bei sehr kleinen Gruppen. Je stärker es um Interaktion geht, desto schwieriger wird es. Schnell kommt es zu einer Zweiteilung zwischen Saal und Stream; die gefühlte Präferenz liegt dabei im Saal.
Wer im Stream dabei ist, bekommt nicht alles mit, was im Saal passiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn ohne Mikro gesprochen wird. Und wer vor Ort ist, übersieht schnell, dass es Teilnehmende gibt, die abwesend anwesend sind. Für Wortmeldungen braucht es definierte Kanäle. Abstimmungen werden kompliziert. Es ist anstrengend und erfordert mehr Aufmerksamkeit. Das liegt auch daran, dass weder die alten Verhaltensweisen für Präsenzveranstaltungen noch die neuen für digitale Treffen richtig passen.
Insofern, so mein Eindruck, sind hybride Sitzungen immer ein Notbehelf. Sie sind kein „best of“ der anderen beiden Modi, sondern etwas Drittes, das nur dann funktioniert, wenn allen bewusst ist, dass dieses Format eigene Regeln hat. Einfacher und klarer sind rein digitale Veranstaltungen oder eben reine Präsenzveranstaltungen – letztere möglicherweise mit der Option, digital zuzuhören, aber ohne die Fiktion einer gleichberechtigten Teilnahme.
Kurz: Nudgende Apps
Es fing vor eineinhalb Jahren damit an, dass unsere Diensthandys auf Geräte von Apple umgestellt wurden, Sicherheitsgründe. Serienmäßig läuft auf Apple-Handys „Health“ – und diese App zählt unentwegt Schritte, Höhenunterschiede, usw. – solange das Handy dabei ist – und kann auch alle möglichen anderen Daten anzeigen. Eigentlich sollte das keinen großen Unterschied machen, aber zu wissen, dass da eine App mitzählt, und die Möglichkeit zu haben, jederzeit nachzuschauen, wie viele Schritte es waren; das macht tatsächlich etwas mit einem. Mit mir jedenfalls. Beispielsweise hatte ich durch den Weg zum Bahnhof und vom Bahnhof zum Büro in den regulären Arbeitswochen einige Tage mit vielen Schritten, und an den Homeoffice-Tagen nur etwa halb so viele Schritte. Mit Beginn der Corona-Maßnahmen sank meine durchschnittliche monatliche Schrittzahl damit deutlich, was dazu führte, dass ich mir sagte, dass ich doch durch Spaziergänge etc. zumindest den wegfallenden Arbeitsweg ersetzen sollte. Und jetzt spielt das Handy schlechtes Gewissen, weil die Zahl für diese Woche eben doch noch nicht ganz erreicht ist.
Aber „Health“ kann nicht nur Schritte zählen. In Verbindung mit anderen Apps zählt „Health“ auch, wie viele Kilometer Rad ich gefahren bin, wie viel Wasser ich getrunken habe und wie viele Kalorien ich zu mir genommen habe – letzteres seit etwa eineinhalb Monaten und dem Vorsatz, mal etwas mehr auf mein Gewicht zu achten. Und da ist es die bloße Tatsache, dass ich jedes Nahrungsmittel in der App nachschlagen und eingeben muss (mit teils recht groben Mengenschätzungen – ist ein Pfirsich wirklich 125 g schwer – mehr – weniger?), die mein Verhalten beeinflusst. Essen wird dadurch komplizierter. Mal eben nebenbei eine halbe Tafel Schokolade essen oder die Reste der Sahnesoße auch noch – das würde ja bedeuten, die App (nochmal) aufrufen und das eingeben zu müssen. Insofern esse ich kontrollierter. Ob das im Endeffekt was hilft, bleibt abzuwarten.
Spannend finde ich es allemal, dass ein Smartphone (bzw. eine App) tatsächlich auf diese Art und Weise eine gezielte Wirkung auf mein Verhalten haben kann. Letztlich scheint es sich mir um eine Umsetzung von „Nudging“ zu handeln – also der Versuch, durch Hinweise und kleine Schubser Verhalten (zum Besseren) zu verändern. Streiten ließe sich allerdings darüber, wer hier der Anschubser ist – Apple, weil „Health“ so wunderbar mitzählt und einfach von Anfang an läuft, wenn ein iPhone verwendet wird, oder ich selbst, weil ich diese Apps nutze und mich davon beeinflussen lasse(n will). Ach ja – und die „Corona Warn App“? Die gehört auch dazu, glaube ich. Da ist es allerdings nicht Apple, sondern der Staat, der schubst.
Experimenteller Technikoptimismus – Update 2016
Deep Dream Dreamscope, Jessica Mullen, Public Domain
Vor einem Jahr schrieb ich eine kurze Auseinandersetzung mit einem Artikel, den Judith Horchert, Matthias Kremp und Christian Stöcker damals bei Spiegel online veröffentlicht hatten. In dem Artikel sind fünf Prognosen dazu zu finden, welche Technologien in naher Zukunft unseren Alltag verändern werden. Ich fand das damals alles arg unwahrscheinlich, und hatte versprochen, ein Jahr später (usw.) nachzuschauen, wie es denn jeweils um den Stand der Technik steht. Mit ein paar Tagen Verspätung hier nun mein erster Blick auf den Stand der Dinge.
Themenfeld eins bei Horchert et al. war die Robotik. Dazu schrieben sie: „Künftig aber dürften Maschinen, die scheinbar autonom einem oder gleich mehreren Zwecken dienen, sich zunehmend in unserem Alltag breitmachen. Als schweigende Helfer in Krankenhäusern, als Lagerarbeiter im Couchtisch-Format oder als Einparkhelfer. Vom Staubsauger, Fensterputzer, über Lieferdrohnen bis hin zu humanoiden Maschinen wie Baxter, die in Fabrikbetrieben diverse Aufgaben übernehmen.“
In meinem Alltag sind noch keine autonomen Roboter aufgetaucht. Aber ich gebe zu, dass Staubsaugeroboter und Drohnen in den letzten zwölf Monaten an Selbstverständlichkeit gewonnen haben. Und Filme wie „Ex Machina“ brachten im letzten Jahr die Auseinandersetzung um nichtmenschliche, menschenähnliche Maschinen auch in die Populärkultur.
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