Wie gestern geschrieben, will EnBW Strommengen vom neusten Reaktor Neckarwestheim II auf den ältestens – Neckarwestheim I – umlegen. Wohl in der Hoffnung, so bei einer etwaigen CDU-FDP-Regierung im Bund und einem kippenden Atomausstieg doch beide Reaktoren zu „retten“. Erste Reaktionen des für den Antrag zuständigen Bundesministers Gabriel (SPD) sehen relativ positiv aus: Spiegel-online von heute, d.h. der Antrag wird erst nach einer – hoffentlich gründlichen – Sicherheitsabwägung genehmigt. Protest dagegen bleibt weiterhin sinnvoll; ebenso die Abstimmung mit den Füssen im Sinne eines Anbieterwechsels hin zu einem nicht-atomaren Stromversorger.
Logokritik
Bündnis 90/Die Grünen haben ab sofort ein neues Logo (warum auch immer). Erster Baucheindruck: verbesserungsbedürftig, nicht wirklich überzeugend.
So sieht’s aus:
Mein Eindruck: Ziemlich eckig und statisch für eine organische und dynamische Partei. Die Kästchenaufteilung heißt auch, dass sich die Sonnenblume einfach abknipsen lässt ((wobei das laut Designlayoutfaden strengstens verboten ist)). Die Schrift sieht aus, als wären die „e„s angeknabbert. Der Farbverlauf im linken Kasten von gelb zu grün sieht nach „PraktikantIn hat mit Effekten rumgespielt aus“.
Aus meiner Sicht war das größte Problem mit dem alten Logo die Unhandlichkeit – im Vergleich zu „SPD“, „CDU“ oder „FDP“ nahm es einfach immer viel Raum ein, was z.B. bei Fernsehgrafiken oder Wahlumfragenbebilderungen ein Problem dargestellt hat. Ansonsten war das alte Logo klar, einprägsam und eingeführt und hat durch die typischen Farben viel zur Wiedererkennbarkeit und zum Transport der Kernbotschaft „Umweltkompetenz“ beigetragen.
Das größte Problem mit dem neuen Logo: es ändert am größten Problem mit dem alten Logo nichts. Immer noch handelt es sich um eine ausufernde Logolandschaft, nicht um ein kurzes, eindeutiges Symbol. Vor der Fusion Grüne – Bündnis 90 hat die Sonnenblume alleine gereicht. Ein gutes Logo würde diesen Grad von Einprägsamkeit erreichen. Also: das neue ist nicht knapper, reduzierter, einfacher, sondern einfach nur anders kompliziert, und sieht noch dazu nicht schön aus. Und was ich mir noch überhaupt nicht vorstellen kann: wie soll das ganze in Anwendungen aussehen, bei denen nur rein einfarbig gedruckt werden kann, ohne Graustufen oder Farbabstufungen – z.B. auf Luftballons? Kasten Kasten Strich?
Nebeneffekte: sämtliches altes Wahlkampfmaterial kann (a) weggeworfen werden oder (b) trotz andersweitiger Bitten wiederverwendet werden, und führt dann zu neuer Unübersichtlichkeit.
Offiziell wird das neue Logo übrigens wie folgt begründet:
Es drückt symbolhaft die Weiterentwicklung der Grünen Partei auch in der Frage des Erscheinungsbildes aus. Dabei wurden die traditionellen und jüngeren Elemente von Bündnis 90/Die Grünen noch besser miteinander vereint und modernisiert.
Die wichtigsten Charkateristika des neuen Logos:
* Aufgeräumt: Das Logo besteht aus drei klar gegliederten Bereichen: Sonnenblume, Parteiname und Fundament, die immer gemeinsam abgebildet werden. Durch die Zwischenräume wird das Logo immer eingebettet in seinen Hintergrund und damit Teil dessen.
* Die Sonnenblume: Sie steht europaweit für die Grüne Bewegung, ist unverwechselbar, organisch und klar.
* Das blaue Fundament: Es bildet die grafische Basis des Logos und stützt das Gesamtwerk. Dabei greift es die Farbe blau auf, als grafisches Fundament, das für den Zusammenschluss zwischen „Bündnis 90“ und den „GRÜNEN“ steht.
* Die Schrift: Die klare und sachliche Schrift vermittelt Direkt- und Offenheit. Durch die nachträgliche Bearbeitung ist sie einzigartig und unverwechselbar.
Meine vier Spiegelstriche wären dagegen: langweilig – Sonnenblume nur noch Hintergrund – das blaue Fundament steht schief (Balken nur rechts) – 80er-Jahre-Computerprogramme wurden mit ganz ähnlichen modernen und innovativen Schriften beworben. Schade – wird Zeit, die Werbeagentur zu wechseln!
SPD: Seltsame Partei – ja was denn jetzt?
LTW2006: Mein Lieblingsplakat
So, der Landtagswahlkampf 2006 in Baden-Württemberg geht jetzt richtig los (nochmal kurz durch Fasching unterbrochen). Es ließe sich jetzt viel dazu sagen, warum das Programm der Grünen dazu deutlich besser ist als der erste Entwurf, es ließe sich aber auch viel dazu sagen, wieviel (Überzeugungs-)Arbeit es einige Leute vor allem aus den Hochschulgruppen gekostet hat, einige wichtige Aussagen zur Hochschulpolitik dort unterzubringen – und dazu, wie dann durch ein dummes redaktionelles Versehen einer der wichtigsten Sätze fast wieder rausgeflogen wäre. Oder dazu, dass ein paar wenige Stimmen leider dazu geführt haben, dass die Studiengebührenposition nicht ganz so fortschrittlich ist, wie sie es sein könnte.
Aber das Programm ist fertig, in fünf Wochen ist klar, wie der neue Landtag aussieht, und bis dahin ist Wahlkampf. Deswegen möchte ich hier nicht auf die Schwierigkeiten innerparteilicher Demokratie eingehen, sondern lieber nochmal unterstreichen, dass im Programm ziemlich viele kluge Dinge stehen, dass CDU und SPD sich inzwischen bei einigen Themen (Stichwort bei der SPD: Atomkraft!, bei der CDU: Kinderland) nicht mehr anders zu helfen wissen, als grüne Ideen und Kampagnen zu kopieren, und dass die Plakate ganz pasabel geworden sind. Mein Lieblingsplakat aus der aktuellen Wahlkampfserie ist nebenan zu sehen.
Noch-Minister Clement ruft zu Denunziation auf
Noch-Minister Clement ruft zu Denunziation auf:
„Bestmögliche Hilfe für alle, die sich nicht aus eigener Kraft helfen können oder eine zweite Chance brauchen, aber auch unnachgiebige Konsequenz gegenüber jenen „schwarzen Schafen“, die sich Leistungen erschleichen wollen, das gehört auch zur Gerechtigkeit im Sozialstaat.
Wir können die Zukunft unseres Landes nur meistern, wenn wir die Realität ungeschminkt und ohne falsche Rücksichten in den Blick nehmen. Soziale Sicherheit und Gerechtigkeit bleiben unser Ziel; wir werden es aber nur erreichen können, wenn wir die Hilfe stärker auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren – und wenn Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, dabei mitwirken und mithelfen. Ohne Anstand und Moral kann die Erneuerung unseres Sozialstaates nicht gelingen.“
[Quelle beim BMWA]
Nachtrag: die lesenswerte Stellungnahme des grünen Abgeordneten Markus Kurth zu dem oben verlinkten Report „Leistungsmissbrauch“:
„Primitive Stimmungsmache statt Tatsachenbericht – Bericht des Arbeitsministeriums auf niedrigstem Niveau“
18.10.2005: Anlaesslich des Reports des Bundesministeriums fuer Wirtschaft und Arbeit (BMWA) ueber „Abzocke und Selbstbedienung im Sozialstaat“ erklaert Markus Kurth, Sozialpolitischer Sprecher der gruenen Bundestagsfraktion:
„Der Report des Wirtschaftsministeriums zielt darauf ab, saemtliche Bezieher von Sozialleistungen zu diffamieren. Das Ministerium bedient sich dabei der übelsten Methoden der Boulevardpresse:
Einzelne zweifellos vorhandene Missbrauchsfaelle werden in einem reportagehaften Stil so dargestellt, als ob sie Regelfaelle waeren. Dabei werden Klischees gegen Auslaender ebenso bedient wie Vorurteile gegen allein erziehende Mütter.
Im Zeitungsstil erzählt der Bericht von allein erziehenden Müttern, die ALG II beziehen und heimlich mit gut verdienenden Männern zusammenleben. Oder von Ibrahim, dem Sänger aus dem Libanon der von ALG II lebt und dennoch einen schwarzen BMW Cabriolet faehrt. Besonders skandalös ist es, dass der Bericht den angeblichen Fall des Libanesen mit der Einschätzung abschliesst, dass Biologen solche „Organismen, die zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer leben“, als „Parasiten bezeichnen“ würden.
Hier wird das gewohnte Niveau von Regierungsberichten massiv unterschritten. Eine solche Wortwahl aus der Biologie vermutet man nicht von der Bundesregierung eines sozialen Rechtsstaates. Besonders erschreckend ist, dass bewusst auf Angaben zu den empirischen Grundlagen des Berichtes verzichtet wird. Dadurch wird bewusst der Eindruck erweckt, dass die Mehrzahl der ALG II-Empfaenger ihre Leistung zu Unrecht beziehen.
Teilweise werden einfach Faelle aus einer Reportage des ZDF Magazins „report“ uebernommen. Es wird aber nur unzureichend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um reale Missbrauchsfälle handelt. Das Beispiel des Sozialbetrügers aus dem EU-Ausland wurde vom ZDF initiiert, um hiesige Behörden zu testen. Im BMWA Bericht wird daraus aber ein genereller Missbrauchsverdacht gegen EU-Auslaender konstruiert.
Wir verlangen eine sofortige Stellungnahme des Ministeriums, wie es in einem Regierungsbericht zu einer unhaltbaren Stimmungsmache gegen Sozialleistungsbezieher und Auslaender kommen kann. Dieser Bericht des BMWA muss sofort aus dem Verkehr gezogen werden.“
Noch ein Nachtrag: Inzwischen greift auch der Spiegel das Thema auf: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,380545,00.html