Vier Vorschläge zur Identitätskrise der SPD

Balcony tomatoes II

Die Zei­ten, in denen die SPD locker 40 Pro­zent hol­te, sind lan­ge vor­bei. In der Ana­ly­se füh­ren­der Genos­sen – Man­fred Güll­ner vom Insti­tut for­sa sei hier exem­pla­risch erwähnt, aber auch Sig­mar Gabri­el hat sich schon ent­spre­chend geäu­ßert – hängt das immer noch damit zusam­men, dass so eine komi­sche klei­ne Umwelt­par­tei der SPD Ende der 1970er Jah­re ihre The­men weg­ge­nom­men hat. Plötz­lich waren rau­chen­de Schlo­te, rum­peln­de Last­wa­gen und rie­si­ge Fabri­ken nicht mehr Insi­gni­en des sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Wegs zum Para­dies, son­dern Pfui­bäh. Iden­ti­täts­kri­se! Eine Par­tei weiß nicht mehr, wofür sie steht.

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Spitze und Breite

BDK: Renate Künast makes the difference

Jetzt heißt es, für den Wahl­er­folg in Baden-Würt­tem­berg sei es ganz wich­tig gewe­sen, dass wir mit Win­fried Kret­sch­mann genau einen Spit­zen­kan­di­da­ten gehabt hat­ten (und ein Team aus drei wei­te­ren Men­schen, aber das ist schnell ver­ges­sen – der jet­zi­gen Vor­sit­zen­den des Sozi­al­aus­schus­ses im Land­tag, Bärbl Mie­lich, der Staats­se­kre­tä­rin im Ver­kehrs­mi­nis­te­rin, Gise­la Splett, und dem stell­ver­tre­ten­den Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den, Andre­as Schwarz). Vor der Wahl gab es in der Lan­des­par­tei hef­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen dar­um, ob es nicht bes­ser wäre, ein Zwei­er­team vor­ne hin zu stel­len. Das hät­te der heu­ti­ge Minis­ter­prä­si­dent nicht mit­ge­macht. Und viel­leicht war es ja wirk­lich sei­ne Per­sön­lich­keit, die das ent­schei­den­de Quänt­chen für den Wahl­er­folg aus­ge­macht hat. Wer weiß. 

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Die drei Ebenen des Falls Johannes Ponader

Paint job II

Der FAZ-Her­aus­ge­ber Frank Schirr­ma­cher ist ja sowas wie ein Pira­ten­fan. Auch des­we­gen ist dem poli­ti­schen Geschäfts­füh­rer der Pira­ten, Johan­nes Pon­ader, ein klei­ner media­ler Coup gelun­gen: Er hat – um die Poin­te vor­weg­zu­neh­men – öffent­lich erklärt, auf sei­nen Arbeits­lo­sen­geld-II-Anspruch zu ver­zich­ten. Das hat eine gan­ze Men­ge unter­schied­li­cher Reak­tio­nen aus­ge­löst, vor allem von denen, die Ponaders Über­schrift „Abschied vom Amt“ falsch ver­stan­den haben. Par­tei­über­grei­fend, ver­steht sich (schön ana­ly­siert dies das Blog der digi­ta­len LINKEN). Und es war auch eine Reak­ti­on – dar­auf, dass ver­sucht wur­de, ihn öffent­lich in eine Rei­he mit Flo­ri­da-Rolf etc. zu stel­len, also als einen, der Sozi­al­leis­tun­gen missbraucht. 

Ich fin­de Ponaders Reak­ti­on nach wie vor respektabel. 

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Kleine Verschwörungstheorie anlässlich der NRW-Wahl 2012

Kurz nach 18 Uhr hat der Nor­bert Rött­gen von der CDU erklärt, dass er alle Ver­ant­wor­tung auf sich nimmt und vom Lan­des­vor­sitz zurück­tre­ten wol­le. Er sei, ganz klar, der Haupt­ver­ant­wort­li­che für das desas­trö­se Abschnei­den der – das sind jetzt mei­ne Wor­te – ehe­ma­li­gen Volks­par­tei CDU. Also irgend­wie fand ich das schon selt­sam. Also nicht nur, dass die CDU ver­dien­ter­ma­ßen so schlecht abschnei­det. Son­dern das Rött­gen von Anfang an einen ziem­lich lust­lo­sen Wahl­kampf geführt hat – von Pla­kat­skan­da­len ange­fan­gen bis hin zum Rück­fahr­ti­cket nach Ber­lin. Nach allem, was dar­über so zu hören und zu lesen war. Und dass er ins­ge­samt so wirkt, als sei das das Ergeb­nis, mit dem er schon län­ger gerech­net hat.

Wenn das gan­ze jetzt ein Polit-Thril­ler wäre, dann wäre ein Dreh­buch plau­si­bel, in dem Rött­gen den Geheim­auf­trag hat, auf jeden Fall dafür zu sor­gen, dass die FDP im Land­tag in NRW bleibt. Weil die Wahl eh ver­lo­ren ist, aber die schwarz-gel­be Koali­ti­on auf Bun­des­ebe­ne nicht zu hal­ten ist, wenn die FDP aus dem Land­tag des wich­tigs­ten Bun­des­lan­des her­aus­fliegt. Und das hat Rött­gen dann mit Bra­vour umge­setzt, die­sen Geheim­auf­trag. Und darf in Ber­lin bleiben.

Aber zum Glück ist die Wirk­lich­keit kein Thril­ler-Dreh­buch. Ver­mut­lich ist die CDU ein­fach nur dafür nicht gewählt wor­den, dass sie ein Pro­gramm und ein Per­so­nal prä­sen­tiert hat, dass die Leu­te nicht woll­ten – jeden­falls nicht im Ver­gleich zur inte­grie­ren­den Poli­tik der rot-grü­nen Min­der­hei­ten­re­gie­rung. Die jetzt ver­dien­ter­ma­ßen (und noch dazu am Mut­ter­tag) zur Mehr­heits­re­gie­rung mit kla­rem Man­dat gewor­den ist.

Nach­trag (16.05.): Jetzt ist Rött­gen auch als Bun­des­um­welt­mi­nis­ter ent­las­sen wor­den. Passt dann nicht mehr so ganz zur schö­nen Verschwörung. 

Zwölf Sätze zum Wahlabend in Schleswig-Holstein

Indi­vi­du­al­li­be­ra­le (aka „Pira­ten“) und Wirt­schafts­li­be­ra­le (aka „FDP“) lie­gen in Schles­wig-Hol­stein mit jeweils um die acht Pro­zent fast gleich­auf. Bei­des wäre vor einem Jahr über­ra­schend gewe­sen, vor zwei Wochen wäre der Wie­der­ein­zug der FDP – mit ihrem zweit­bes­ten Ergeb­nis und mas­si­ven Ver­lus­ten – eine gro­ße Über­ra­schung gewe­sen. Die schles­wig-hol­stei­ni­schen Grü­nen mit Robert Habeck an der Spit­ze haben sich gegen­über der letz­ten Wahl leicht ver­bes­sern kön­nen und lan­den bei etwas über 13 Pro­zent. Für ein Land, in dem grü­nes Schei­tern an der Fünf­pro­zent­klau­sel (4,99%) noch gar nicht so lan­ge her ist, ein über­ra­schend gutes Ergeb­nis. Gemes­sen an der Souf­fle-Pro­gno­se von vor einem Jahr ist es nicht so gut, aber so sind die Wel­len­be­we­gun­gen der Hype­zy­klen eben, da ist jeder noch so gute Wahl­kampf machtlos.

Trotz­dem scheint es – zumin­dest nach der 22:57-Hochrechnung der ARD – für eine Koali­ti­on aus SPD (22 Sit­ze), Grü­nen (10 Sit­ze) und SSW (3 Sit­ze) zu rei­chen. Zwar nur knapp, aber immer­hin – und mit einem gewis­sen Puf­fer aus Pira­ten und einer Pira­tin*, die je nach Inhal­ten wohl zu einer Tole­rie­rung und viel­leicht sogar zu einer Mit­wahl von SPD-Spit­zen­kan­di­dat Albig zum Minis­ter­prä­si­den­ten bereit wären. Also fast schon Regie­rungs­ver­ant­wor­tung für die par­la­men­ta­ri­schen New­co­mer, die ihre Lücke gefun­den zu haben schei­nen. Wie dem auch sei: Simo­nis II ist wohl nicht zu erwarten. 

Immer mal was neu­es im Par­tei­en­sys­tem – und jetzt heißt es abwar­ten, wie das End­ergeb­nis im schwar­zen Land der roten Städ­te tat­säch­lich aus­fällt. Ich bin recht opti­mis­tisch, auch hin­sicht­lich der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen – und hof­fe, dass die­ser Wahl­abend viel­leicht noch ein biss­chen Schwung für die NRW-Wahl nächs­te Woche gelie­fert hat.

* Die Ex-Grü­ne Ange­li­ka Beer, Lis­ten­platz 6.