Kurz: Wer wäre wir?

Ich weiß, es ist furcht­bar gemein, sich über müh­sam erdach­te Wahl­slo­gans ande­rer Par­tei­en lus­tig zu machen. Die SPD hat heu­te ihren Cla­im für die Bun­des­tags­wahl 2013 vor­ge­stellt, und er lau­tet … „Das Wir entscheidet“.

Hmm. Ich kann nach­voll­zie­hen, wie­so eine Agen­tur zu die­sem Cla­im kom­men kann. „Wir ent­schei­den“ = Demo­kra­tie, „Wir nicht ich“ = Sozia­les, „Das Wir ent­schei­det“ = Sozi­al­de­mo­kra­tie. Aber irgend­wie lädt der Cla­im doch zu Scher­zen ein. „Das Peer ent­schei­det“. „Das Tri­um­WIRat“. „Ist das jetzt ein plu­ral maje­s­ta­tis?“ (Dass zudem ein Dis­kus­si­ons­pa­pier einer Uni zu Natio­nen im Glo­ba­li­sie­rungs­trend auch „Das ‚Wir‘ ent­schei­det“ heißt, sei mal außen vor gelassen).

Also, Spott. Nicht nur nicht, son­dern auch ande­re. Und wenn ich mir noch­mal ganz genau anschaue, dann war viel­leicht Peer Stein­brück nicht unschul­dig. Der twit­ter­te näm­lich dies:

Drei Sät­ze: „Was Ihr sofort wis­sen sollt:“ – „Wir haben einen Wahl­kampf­slo­gan:“ – „Das Wir entscheidet.“

In Satz eins gibt es „Ihr“ (das sind wir, die wir Stein­brücks Tweets lesen) und damit impli­zit ein „Wir“. Die­ses „wir“ taucht in Satz 2 auf. Wir, die SPD, haben einen Wahl­kampf­slo­gan. Und der lau­tet: „Das Wir ent­schei­det“. Wer ent­schei­det nun? Ihr oder wir?

P.S.: Ich gespannt auf den grü­nen Claim.

Nach­trag (10.04.2013): Den grü­nen Cla­im ken­ne ich noch nicht, aber im Netz kur­siert der­zeit die Anzei­ge einer Zeit­ar­beits­fir­ma, die eben­falls auf „Das WIR ent­schei­det“ als Slo­gan gekom­men ist. Passt.

Nach­trag 2: Bes­ser und erfolg­rei­cher wäre – das ergab ein Pre­test auf Twit­ter – auch der sozi­al­de­mo­kra­tisch-kuli­na­ri­sche Slo­gan „Das Bier ent­schei­det“, der sich wei­ter­ent­wi­ckeln lässt zu „Cur­ry­wurst und Bier – für die SPD stim­men wir“. Damit wür­de der ver­blie­be­ne SPD-Mar­ken­kern maxi­mal ausgereizt.

Nach­trag 3 (11.04.2013): Die Leih­ar­beits­fir­ma hat sich inzwi­schen über­legt, dass sie es nicht gut fin­det, was die SPD zu Leih­ar­beit sagt, und ihr den Slo­gan doch lie­ber nicht über­las­sen will. Also doch Cur­ry­wurst und Bier. Oder „$slo­gan“.

Kurz: Netzpolitische Umfallerpartei SPD


Foto: SPD-Pres­se­fo­to

Heu­te ent­schei­det der Bun­des­rat dar­über, ob er zum Leis­tungs­schutz­recht den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anru­fen soll (Antrag Schles­wig-Hol­stein). Mit der neu­en rot-grü­nen Mehr­heit im Bun­des­rat wäre es mit einem sol­chen Ein­spruch mög­lich gewe­sen, das Inkraft­tre­ten des Leis­tungs­schutz­rechts für Pres­se­ver­la­ge erheb­lich zu ver­zö­gern, viel­leicht sogar über den Tag der Bun­des­tags­wahl hin­aus. Zudem wäre es mög­lich gewe­sen, die Hür­de für die Über­stim­mung des Ein­spruchs im Bun­des­tag auf die Kanz­ler­mehr­heit zu erhö­hen. Dann wären angeb­li­che CDU/C­SU/FDP-Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen gefragt gewe­sen, ob sie in der Fra­ge Leis­tungs­schutz­recht im Bun­des­tag ihrem Gewis­sen oder der Kanz­le­rin folgen.

Aber das ist Kon­junk­tiv – denn seit ges­tern sieht es so aus, dass die SPD mal wie­der aus vor­geb­lich staats­män­ni­schem Ver­hal­ten und rea­lis­ti­scher ver­mut­lich Angst vor den gro­ßen Ver­la­gen umkippt – Kraft in NRW, Scholz in Ham­burg, und Stein­brück im Bund. Die Pres­se­mit­tei­lung dazu ist fast schon amü­sant, heißt es dort doch:

„Die SPD lehnt das Leis­tungs­schutz­ge­setz der Bun­des­re­gie­rung ab. […] Das Gesetz ist im Bun­des­rat ledig­lich ein Ein­spruchs­ge­setz und kann daher ange­sichts der noch bestehen­den Mehr­heits­ver­hält­nis­se im Bun­des­tag jetzt nicht auf­ge­hal­ten wer­den. Es gibt des­halb kei­ne Aus­sich­ten auf ein erfolg­rei­ches Ver­mitt­lungs­ver­fah­ren. Die erfor­der­li­che neue Mehr­heit dafür kann mit der Bun­des­tags­wahl am 22. Sep­tem­ber her­bei­ge­führt wer­den. […] Ein neu­es, taug­li­ches Gesetz wird zu den ers­ten Maß­nah­men einer neu­en rot-grü­nen Regie­rung gehören.“ 

Anders gesagt: Die SPD lehnt das Gesetz ab, tut nichts dage­gen, möch­te aber in einer rot-grü­nen Bun­des­re­gie­rung dann ein ähn­li­ches, bes­se­res Gesetz ein­füh­ren. Uns Grü­ne hat sie dazu bis­her nicht gefragt – im Ent­wurf zum Wahl­pro­gramm steht eine kla­re Ableh­nung. Ich sage: irgend­wie lei­der typisch SPD. Und die Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen in der SPD lei­den mehr oder weni­ger still.

P.S.: Plan B: Ent­schlie­ßungs­an­trag Ham­burg und Baden-Würt­tem­berg (pdf), der Kri­tik äußert, einen Kon­sens zwi­schen Ver­la­gen, Urhe­be­rIn­nen und digi­ta­len Ver­wer­te­rIn­nen fin­den will und ver­mut­lich heu­te im Bun­des­rat eine Mehr­heit bekommt.

P.P.S.: Nach ges­tern zu erwar­ten: die Anru­fung des Ver­mitt­lungs­aus­schus­ses wur­de nur von Schles­wig-Hol­stein, Baden-Würt­tem­berg, Rhein­land-Pfalz und Bre­men unter­stützt. Die ande­ren rot-grü­nen oder rot(-roten) Län­dern waren nicht dabei, schwarz-gelb erst recht nicht. Der (aus mei­ner ganz per­sön­li­chen Sicht durch­wach­se­ne) Ent­schlie­ßungs­an­trag aus Ham­burg und Baden-Würt­tem­berg fand eine Mehr­heit. Dann also mal schau­en, ob rot-grün die Bun­des­tags­wahl gewinnt, und was dann pas­siert … (die Wahl­pro­gramm­ent­wür­fe bei­der Par­tei­en wider­spre­chen sich in die­sem Punkt).

P.P.P.S.: Grü­ne Kom­men­ta­re dazu: Tabea Röß­ner, MdB, Mat­ti Bol­te, MdL NRW, Mal­te Spitz, Bun­des­vor­stand, Patrick Jedam­zik, Vol­ker Beck, MdB, PM Bun­des­tags­frak­ti­on

P.P.P.P.S.: Und als letz­tes noch der Hin­weis an alle, die jetzt ger­ne mehr öffent­lich sicht­ba­ren Dis­sens der Grü­nen in rot-grü­nen Lan­des­re­gie­run­gen gehabt hät­ten: Soweit ich Ein­blick in das Räder­werk von Regie­run­gen habe, wird im Nor­mal­fall alles dafür getan, dass die­ser Streit – den es defi­ni­tiv immer wie­der gibt – nicht öffent­lich wird. War­um soll­te das gera­de beim Leis­tungs­schutz­recht – aus Sicht der meis­ten Poli­ti­ke­rIn­nen eine klei­ne pres­se­recht­li­che Rege­lung, wenn ich das mal so zuge­spitzt sagen darf – anders sein?

Beteiligt euch! Oder: die Angst der deutschen Behörde vor dem Unkalkulierbaren

Tunnel of power I

Ein Auf­re­ger­the­ma der letz­ten Tage war im poli­ti­schen Baden-Würt­tem­berg die Betei­li­gungs­platt­form. Eigent­lich war klar, dass es die­se Ergän­zung des Lan­des­por­tals geben soll­te – weni­ge Tage vor dem Start mel­de­te sich dann die SPD-Frak­ti­on in Per­son ihres Anfüh­rers pres­se­öf­fent­lich mit Beden­ken. Es müs­se doch erst ein­mal einen Pro­be­lauf geben – und zwi­schen den Zei­len habe ich auch Beden­ken gele­sen, dass (orga­ni­sier­te) Bür­ge­rIn­nen eine Betei­li­gungs­platt­form dazu nut­zen könn­ten, sich (orga­ni­siert) zu betei­li­gen. Und auf die­se popu­lä­ren Mei­nungs­äu­ße­run­gen müss­te dann ja reagiert – und mög­li­cher­wei­se gegen den geäu­ßer­ten Volks­wil­len – regiert werden.

Heu­te ist das Betei­li­gungs­por­tal der Staats­rä­tin für Zivi­li­ge­sell­schaft und Bür­ger­be­tei­li­gung Gise­la Erler jetzt doch gestar­tet. Im Pro­be­be­trieb, d.h. mit gerin­ge­rer Ver­pflich­tung für die ein­zel­nen Häu­ser, mit­zu­ma­chen, und mit dem Ziel einer Eva­lua­ti­on. Aber: es läuft! 

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Kurz: CARTA zählt mal eben durch

Eigent­lich schät­ze ich CARTA ja sehr. Und bin auch froh, dass eini­ge mei­ner Blog­tex­te dort zweit­ver­öf­fent­licht wur­den. Aber der Arti­kel „Oppo­si­ti­on aus SPD, Grü­nen und Lin­ken ver­hilft LSR zum (vor­läu­fi­gen) Sieg“ von Wolf­gang Mich­al hat was von einer Pro­to­ver­schwö­rungs­theo­rie. Inhalt (ich fas­se zuspit­zend zusam­men): Weil Spit­zen­po­li­ti­ke­rIn­nen der Oppo­si­ti­on das Erschei­nungs­bild in der Sprin­ger-Pres­se so wich­tig ist, im Wahl­kampf das The­ma Leis­tungs­schutz­recht warm­hal­ten wol­len [sie­he Kom­men­tar von Wolf­gang Mich­al unten, und mei­ne Replik dar­auf], haben sie bewusst die heu­ti­ge End­ab­stim­mung zum ver­murks­ten Leis­tungs­schutz­recht geschwänzt. Und wenn sie da gewe­sen wären, und noch ein paar mehr auch, dann wäre das Leis­tungs­schutz­recht gescheitert.

Passt irgend­wie nicht dazu, dass in den letz­ten Tagen u.a. von Bünd­nis 90/Die Grü­nen im Bun­des­tag ver­sucht wur­de, mit ver­schie­de­nen Mit­teln mehr Zeit für Auf­klä­rung über die Feh­ler in die­sem Gesetz zu gewin­nen – wei­te­re Anhö­run­gen und GO-Anträ­ge auf Ver­ta­gung wur­den aber abge­lehnt. Passt nicht dazu, dass es die Oppo­si­ti­on war, die eine nament­li­che Abstim­mung woll­te. Passt nicht dazu, dass es – auch wenn Doro Bär (CSU) davon nichts wis­sen will – sowas wie Pai­ring gibt, also Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Frak­tio­nen, kei­ne Zufalls­mehr­hei­ten ent­ste­hen zu las­sen. Es gibt ja auch noch sowas wie einen Wäh­ler­wil­len. Und es gibt gute Grün­de, war­um gera­de Par­tei­vor­stän­de mit Bun­des­tags­man­dat (bei uns Clau­dia Roth) oder Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen (Jür­gen Trit­tin, Kat­rin Göring-Eckardt) häu­fi­ger als ande­re Abge­ord­ne­te nicht im Bun­des­tag sein kön­nen (heu­te: weil der grü­ne Wahl­pro­gramm­ent­wurf ver­öf­fent­lich wur­de). Was, neben­bei gesagt, für die Tren­nung von Amt und Man­dat spricht. 

Wer will, kann ja mal bei den nament­li­chen Abstim­mun­gen schau­en, wie oft ähn­li­che Kon­stel­la­tio­nen zu fin­den waren. Und wer heu­te die Legen­de ins Netz setzt, dass die Oppo­si­ti­on das Leis­tungs­schutz­recht im Par­la­ment hät­te ver­hin­dern kön­nen, dies aber mut­wil­lig nicht getan hat (ganz dumm ist die Regie­rung übri­gens nicht – da wird durch­aus durch­ge­zählt, und zur Not halt mal eine Abstim­mung ver­scho­ben oder es wer­den noch Leu­te ran­ge­karrt), darf sich nicht wun­dern, dass die­se Legen­de von den Netz­af­fi­ne­ren in CDU, CSU und FDP flei­ßig wie­der­holt wird. In sechs Mona­ten wird dar­aus dann der Wahl­kampf­schla­ger „Grü­ne, SPD und LINKE hat­ten ja damals das Leis­tungs­schutz­recht ein­ge­führt“. Nein Leu­te, so ist es nicht – und wenn die – acht! – Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen in CDU, CSU und FDP zu schwach sind, und den Rest ihrer Frak­tio­nen nicht über­zeu­gen kön­nen, dann ist das ganz ein­fach deren Problem.

Kleiner Nachtrag zum PR-Blöggle

Über das von Peer Stein­brück aut­ho­ri­sier­te, aber selbst­ver­ständ­lich völ­lig unab­hän­gi­ge Peer­blog hat­te ich ja schon gespot­tet. Kurz dar­auf wur­de es dann zuge­macht. Die schö­ne Begrün­dung: eine DDOS-Atta­cke des „Team Medu­sa“ hät­te die Wei­ter­ar­beit unmög­lich gemacht. Man habe ja kei­ne Schutz­maß­nah­men auf CIA-Niveau. Samt State­ment eines Ange­stell­ten der PR-Agen­tur Stein­küh­ler, der so ger­ne mal über Poli­tik gebloggt hät­te. Und wegen der bösen „Hacker“ jetzt wie­der stink­nor­ma­le PR machen muss. Schnief, trau­ri­ge Geschichte.

Nur das der Bran­chen­dienst Mee­dia jetzt mal beim Hos­ter des Peer­blogs, Stra­to, nach­ge­fragt hat. Der wie­der­um damit zitiert wird, dass es a. kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten gege­ben habe, b. Stra­to selbst­ver­ständ­lich in der Lage sei, Maß­nah­men gegen DDOS-Angrif­fe zu unter­neh­men, und c., dass das Team hin­ter dem Peer­blog gar nicht erst bei Stra­to nach­ge­fragt habe.

Äh, ja. Klingt irgend­wie so, als wären die unmo­ti­vier­ten „Hacker­an­grif­fe“ des bis dato völ­lig unbe­kann­ten „Team Medu­sa“ even­tu­ell nicht so ganz der allei­ni­ge Grund für das Aus des Peer­blog gewe­sen. Es bleibt Stirnrunzeln.

(P.S. Genau­er gesagt: Focus hat nach­ge­fragt und Mee­dia berich­tet darüber …)