Ein interessanter Aspekt von Paolo Bacigalupis neuem Science-Fiction-Werk „The Windup Girl“ – übrigens zurecht als zeitgenössisches Gegenstück zu William Gibsons Neuromancer-Trilogie gehandelt und in einem Atemzug mit Ian McDonald genannt – ist die Tatsache, dass Bacigalupi seine Erzählung in einer Zukunft stattfinden lässt, die nach der Globalisierung angesiedelt ist. Für „The Windup Girl“ ist das mehr oder weniger nur der szenische Hintergrund einer Geschichte, in der sich die finsteren Prophezeiungen unkontrollierbarer Genmanipulation, agroindustrieller Nahrungsmittelmonopole und der Klimakatastrophe erfüllt haben. Trotzdem möchte ich „The Windup Girl“ zum Anlass nehmen, diese Zukunft in den Blick zu nehmen.
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Geeks in space – SF-Retrospektive im Kommunalen Kino Freiburg angelaufen
Für alle Freiburgerinnen und Freiburger mit Interesse an a. Science Fiction im Film, b. den 1970er Jahren, c. politischen Utopien, insbesondere in der realsozialistischen Ausprägung, oder d. Weltraumfahrt lohnt sich in den nächsten Tagen ein Besuch des Kommunalen Kinos in Freiburg. Seit gestern läuft dort – noch bis zum 9. Oktober – die „Retrospektive in die Zukunft“. Neben Weltraumfilmen aus den 1960er und 1970er Jahren der DDR und der BRD gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm und eine kleine Ausstellung.
Ich war gestern bei der gut besuchten Vernisage der Retrospektive, und fühlte mich gut aufgehoben – „Geeks in space“ fiel mir als erstes zu Publikum und Setting – mit stilvoll zeitgenössischen Möbeln und Astronautennahrung – ein. Timothy Simms und Lisa ???Lisa Ahner erläuterten das Konzept der Reihe und stellten kurz die Ausstellung vor.
Ein interessantes Moment der Ausstellung ist die interaktive Weltraumfahrt/SF-Timeline. Zur Ergänzung in Wikipedia-Manier steht ein manuelles Eingabegerät (siehe Bild) bereit. Diese Möglichkeit wurde bereits am Eröffnungsabend genutzt – die Geburtsstunde des „Star Trek“-Imperiums fehlte noch an der Wand.
Neben der interaktiven Timeline gehören zur Ausstellung weiter Weltraumfotos aus dem Planetarium, Filmplakate (hier zu „Eolomea“ von 1972) sowie vier erläuternde Poster zum utopischen Film der DDR allgemein und zu den drei DEFA-Filmen „Eolomea“, „Signale“ und „Im Staub der Sterne“, die auch in der Filmreihe gezeigt werden.
Den Mittel- und Höhepunkt bilden jedoch zwei Original-DEFA-Modelle aus den Filmen „Signale – Ein Weltraumabenteuer“ (1970) und „Im Staub der Sterne“ (1976). Am Premierenabend wurde „Signale – Ein Weltraumabenteuer“ gezeigt, den ich mir dann auch gleich angesehen habe. Er wird am 4.10. um 21.30 Uhr wiederholt.
In der KoKi-typischen Einführung verwies Timothy Simms vor allem auf die hier eingesetzte Tricktechnik, und auf die optischen und inhaltlichen Anleihen an „2001 – Odysee im Weltraum“. „Signale“ spielt in einem durchweg realistisch gehaltenen Setting, soweit es die Raumfahrttechnik und die damit verbundenen Abläufe, Gefahren und Konflikte betrifft. Der Umgang mit Schwerelosigkeit und die Darstellung der Raumfahrzeuge erinnert in der Tat stark an „2001“; auffällig fand ich auch die Innenausstattung der Raumschiffe und der Kommodozentrale sowie die Kleidung der (multikulturellen) KosmonautInnen. Neben „2001“ schien mir hier auch eine Spur „Star Trek“ erahnbar. Ungewohnt, aber dennoch interessant dagegen die im wörtlichen und übertragenen Sinne zeitweise an sozialistische Gemeinschaftserholungen erinnernde Grundstimmung des Filmes. Hier wie in der offensiv vertretenden Lehrmeinung, dass eine überlegende, technisch fortgeschrittene Spezies nur friedfertig und kommunistisch sein kann, schimmert die spezifische Deutung des Utopischen durch.
Insgesamt ein interessanter Abend. Der Besuch der Retrospektive kann – wie eingangs schon gesagt – allen in der einen oder anderern Weise an diesen Themen Interessierten nur empfohlen werden.
Warum blogge ich das? Um die gestern abend gemachten Fotos (anklicken, um sie bei Flickr größer zu sehen) in ein Narrativ einzubinden.
Im Rosengarten
Dr. Wrolem summte die Parteihymne. Er ließ seinen Blick über die Beete der Anlage schweifen. Er versuchte, tief einzuatmen, und den Duft der Rosen wahrzunehmen. Es war trocken und heiß. Bei Wetter wie diesem spürte er seinen Körper, und das war ihm nicht angenehm. Noch vor einigen Jahren waren es Stangenbohnen gewesen, und Kohl, immer wieder Kohl, auf den Beeten, auf denen jetzt die Rosenstöcke standen. Erst allmählich sind die letzten Spuren der weltweiten Depression verschwunden. In den Jahren direkt nach der Jahrtausendwende, in der Zeit der Großen Koalition, da hatte man Angst gehabt. Die Risikogesellschaft hatten sie es genannt. Er war damals noch jung und fit gewesen, aber auch an diese Angst konnte er sich noch genau erinnern.
Schon vor einem Jahr habe ich eine Kurzgeschichte zur Aktualität von Zensur- und Überwachungsdystopien geschrieben. Leider hat sie an Aktualität nichts eingebüsst. Deswegen gibt es sie jetzt online:
Im Rosengarten (pdf)
Viel Vergnügen! Die Geschichte steht unter der Lizenz CC-BY-SA-NC, d.h. sie darf für unter ähnlichen Lizenzen stehende nichtkommerzielle Werke bei Namensnennung frei kopiert und weitergegeben werden (den „Quelltext“ gebe ich bei Bedarf gerne weiter – bitte einfach bei mir melden).