Wir Kinder der Rebellion: oder Verstetigung eines Lebensstils?

Nina Pau­er fragt in der taz nach den Kon­se­quen­zen der „unmög­li­chen Rebel­li­on“ von (Post-)68er-Kindern gegen die Eltern. Im Zen­trum steht fol­gen­de Frage:

So zumin­dest stel­len wir uns das vor. „Das Gute am Jung­sein ist, dass alle gegen dich sind“ könn­te das Mot­to unse­rer Eltern­ge­nera­ti­on sein, die sich trotz all dem für uns so spa­ßig und wild Erschei­nen­den der 68er ihren Weg in die Eigen­stän­dig­keit gegen den Wil­len ihrer spie­ßi­gen, Nazi-ver­strahl­ten oder lang­wei­li­gen Eltern hart erkämp­fen muss­ten. Was aber, wenn nie­mand je gegen einen war? Uns ver­folgt die Unfä­hig­keit der Ab- oder Auf­leh­nung unser gan­zes jun­ges Leben lang. Eine Rebel­li­on gegen unse­re Eltern war nicht nötig, aber eben auch nie mög­lich. Klar könn­ten wir uns in die so oft besun­ge­ne Spaß­ge­sell­schaft stür­zen. Doch allein aus ästhe­ti­schen Grün­den kennt auch unse­re Trash-Affi­ni­tät kla­re Gren­zen; mehr als ein paar Minu­ten bil­dungs­fer­ner Sen­de­for­ma­te kön­nen wir am Stück nicht ertra­gen. Klar könn­ten wir Stei­ne schmei­ßen und alle­samt „anti­deutsch“ wer­den. Aber dass die lin­ke Radi­ka­li­tät aus­pro­biert und geschei­tert ist, dass alter­na­tiv kei­ne Alter­na­ti­ve ist, konn­ten wir nie ernst­haft anzweifeln.

Pau­er kommt zum Fazit, dass weder Welt­re­li­gio­nen (dafür sind „wir“ zu ratio­nal) noch Kon­su­mis­mus noch Spie­ßer­tum als Rebel­li­ons­al­ter­na­ti­ven in Fra­gen kom­men, endet aber irgend­wie ratlos-harmonisch.

Für mich steckt hin­ter die­sem Arti­kel noch eine ande­res The­mas, das die von Pau­er ange­spro­che­nen Fra­gen erst ermög­licht. Die Fra­ge, woge­gen „wir“ den rebel­lie­ren soll­ten, wenn wir uns mit unse­ren Eltern eigent­lich ganz gut ver­ste­hen, und deren Lebens­stil auch eher vor­bild­haft als abzu­leh­nend anse­hen, stellt sich erst dann, wenn „Jugend­re­vol­te“ als Nor­ma­li­tät ange­nom­men wird. Oder zumin­dest als stil­ty­pi­sche Normalität. 

Wenn der „post­ma­te­ria­lis­ti­sche“ Lebens­stil der 68er- und 78er-Eltern dage­gen nicht auto­ma­tisch als an Jugend­pro­test gekop­pelt ver­stan­den wird, und als per­ma­nen­te Revo­lu­ti­on, oder zumin­dest Rebel­li­on, gedacht wird, son­dern als umkämpf­te Neu­erfin­dung eines bis dato nicht wirk­lich exis­ten­ten Lebens­stil­fel­des, die Kon­sti­tu­ti­on eines Milieus? (Laut SINUS übri­gens das ein­zi­ge, das alle Alters­grup­pen umfasst). Dann gibt es auch nicht unbe­dingt die Not­wen­dig­keit zur Gene­ra­ti­ons­re­vol­te, zur Abar­bei­tung an der Eltern­ge­nera­ti­on, son­dern viel­mehr zur Ver­ste­ti­gung eines meh­re­re Gene­ra­tio­nen über­grei­fen­den Pro­jek­tes eines – letzt­lich – „rich­ti­gen Lebens“. Und dann erscheint es plötz­lich als ganz nor­mal, dass „Wir Kin­der der Rebel­li­on“, wie die taz den Arti­kel von Pau­er beti­telt hat, eigent­lich nur im Lang­frist­pro­jekt glück­lich wer­den kön­nen, den Wer­te­ho­ri­zont und die Lebens­ex­pe­ri­men­te unse­rer Eltern zum dau­er­haf­ten All­tag fortzuführen. 

War­um soll­te das auch nicht gelin­gen – auch die Söh­ne und Töch­ter des kon­ser­va­ti­ven Bür­ger­tums haben ja schein­bar kei­ner­lei Pro­ble­me damit, in der gro­ßen Mehr­zahl in die elter­li­chen Fuß­stap­fen zu treten.

War­um blog­ge ich das? Weil der taz-Arti­kel Fra­gen anspricht, denen näher nach­zu­ge­hen ich recht span­nend fin­de – und weil ich mich im „wir“ des Arti­kels wiederfinde.