Kurz von der Social Media Consumption Messe

Viel­leicht war es die­ser Moment, als unter dem Logo von Daim­ler über Marx und die kri­ti­sche Netz­be­we­gung dis­ku­tiert wur­de. Oder eines der Gesprä­che am Rand der Kon­fe­renz. Jeden­falls hat die­se Schi­zo­phre­nie – gespon­ser­te Kapi­ta­lis­mus­kri­tik, das Klas­sen­tref­fen der Blog­ge­rIn­nen und die gleich­zei­tig statt­fin­den­de Mar­ke­ting­mes­se der Social Media Mana­ge­rIn­nen, frei­es Netz fea­turing Win­dows 8 – etwas mit dem Unwohl­sein zu tun, das mei­nen re:publica-Besuch beglei­tet. Die Welt kommt nach Ber­lin, und mit der rich­ti­gen Mischung aus Start­up-Fun­ding, Rant und Revo­lu­ti­on klappt das schon, ist die laten­te Bot­schaft hin­ter der hell ins Licht stre­ben­den Inszenierung. 

Seid opti­mis­tisch! Lernt Eupho­rie! Lebt das Pro­jekt! Grün­det Guru-Gemeinden!

Nicht mein Ding. Mei­ne all­er­gi­sche Reak­ti­on ist Miss­mut und eine gestei­ger­te Sen­si­bi­li­tät. Ent­spre­chend mot­zig ist bis­her mei­ne Twit­ter-Beglei­tung der Kon­fe­renz aus­ge­fal­len. Das ist nicht per­sön­lich gemeint. Mir fehlt ein­fach das, was ich an sozia­len Medi­en mag: Die Leich­tig­keit der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Das Zusam­men­brin­gen unter­schied­li­cher Sphä­ren. Medi­en­pro­duk­ti­on als Aus­tausch und Feed­back-Zir­kel. Statt des­sen: Pas­si­ver Kon­sum. Auf Berie­se­lung aus­ge­rich­te­te For­ma­te. Ken­nen­ler­nen nur der schon Bekann­ten. Selbst­be­stä­ti­gung der Gemein­de statt pro­duk­ti­ver Pro­vo­ka­ti­on, aus der Neu­es ent­steht. Mir fehlt da was.

Kurz: CARTA zählt mal eben durch

Eigent­lich schät­ze ich CARTA ja sehr. Und bin auch froh, dass eini­ge mei­ner Blog­tex­te dort zweit­ver­öf­fent­licht wur­den. Aber der Arti­kel „Oppo­si­ti­on aus SPD, Grü­nen und Lin­ken ver­hilft LSR zum (vor­läu­fi­gen) Sieg“ von Wolf­gang Mich­al hat was von einer Pro­to­ver­schwö­rungs­theo­rie. Inhalt (ich fas­se zuspit­zend zusam­men): Weil Spit­zen­po­li­ti­ke­rIn­nen der Oppo­si­ti­on das Erschei­nungs­bild in der Sprin­ger-Pres­se so wich­tig ist, im Wahl­kampf das The­ma Leis­tungs­schutz­recht warm­hal­ten wol­len [sie­he Kom­men­tar von Wolf­gang Mich­al unten, und mei­ne Replik dar­auf], haben sie bewusst die heu­ti­ge End­ab­stim­mung zum ver­murks­ten Leis­tungs­schutz­recht geschwänzt. Und wenn sie da gewe­sen wären, und noch ein paar mehr auch, dann wäre das Leis­tungs­schutz­recht gescheitert.

Passt irgend­wie nicht dazu, dass in den letz­ten Tagen u.a. von Bünd­nis 90/Die Grü­nen im Bun­des­tag ver­sucht wur­de, mit ver­schie­de­nen Mit­teln mehr Zeit für Auf­klä­rung über die Feh­ler in die­sem Gesetz zu gewin­nen – wei­te­re Anhö­run­gen und GO-Anträ­ge auf Ver­ta­gung wur­den aber abge­lehnt. Passt nicht dazu, dass es die Oppo­si­ti­on war, die eine nament­li­che Abstim­mung woll­te. Passt nicht dazu, dass es – auch wenn Doro Bär (CSU) davon nichts wis­sen will – sowas wie Pai­ring gibt, also Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Frak­tio­nen, kei­ne Zufalls­mehr­hei­ten ent­ste­hen zu las­sen. Es gibt ja auch noch sowas wie einen Wäh­ler­wil­len. Und es gibt gute Grün­de, war­um gera­de Par­tei­vor­stän­de mit Bun­des­tags­man­dat (bei uns Clau­dia Roth) oder Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen (Jür­gen Trit­tin, Kat­rin Göring-Eckardt) häu­fi­ger als ande­re Abge­ord­ne­te nicht im Bun­des­tag sein kön­nen (heu­te: weil der grü­ne Wahl­pro­gramm­ent­wurf ver­öf­fent­lich wur­de). Was, neben­bei gesagt, für die Tren­nung von Amt und Man­dat spricht. 

Wer will, kann ja mal bei den nament­li­chen Abstim­mun­gen schau­en, wie oft ähn­li­che Kon­stel­la­tio­nen zu fin­den waren. Und wer heu­te die Legen­de ins Netz setzt, dass die Oppo­si­ti­on das Leis­tungs­schutz­recht im Par­la­ment hät­te ver­hin­dern kön­nen, dies aber mut­wil­lig nicht getan hat (ganz dumm ist die Regie­rung übri­gens nicht – da wird durch­aus durch­ge­zählt, und zur Not halt mal eine Abstim­mung ver­scho­ben oder es wer­den noch Leu­te ran­ge­karrt), darf sich nicht wun­dern, dass die­se Legen­de von den Netz­af­fi­ne­ren in CDU, CSU und FDP flei­ßig wie­der­holt wird. In sechs Mona­ten wird dar­aus dann der Wahl­kampf­schla­ger „Grü­ne, SPD und LINKE hat­ten ja damals das Leis­tungs­schutz­recht ein­ge­führt“. Nein Leu­te, so ist es nicht – und wenn die – acht! – Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen in CDU, CSU und FDP zu schwach sind, und den Rest ihrer Frak­tio­nen nicht über­zeu­gen kön­nen, dann ist das ganz ein­fach deren Problem.

Sexismus schadet allen

A Wooden Person

Ich habe, das muss ich zuge­ben, gezö­gert. Weil die Debat­te um den ganz all­täg­li­chen Sexis­mus eine ist, in der jede Äuße­rung eines Man­nes schnell selt­sam erschei­nen kann, irgend­wo zwi­schen Anbie­de­rung und Bes­ser­wis­se­rei. Aber dann ist mir auf­ge­fal­len, dass das, die­se Ver­un­fä­hi­gung der Debat­te, letzt­lich genau ein Teil mei­nes Punk­tes ist: Sexis­mus scha­det allen!

Annett Mei­ritz hat über die Frau­en­feind­lich­keit der Pira­ten geschrie­ben. Im Stern wird von Lau­ra Him­mel­reich, Fran­zis­ka Reich und Andre­as Hoidn-Bor­chers das sexis­ti­sche Ver­hal­ten von FDP-Spit­zen­kan­di­dat Rai­ner Brü­der­le the­ma­ti­siert. Bei­de Arti­kel zusam­men haben eine veri­ta­ble öffent­li­che Debat­te über Sexis­mus aus­ge­löst. Und das ist gut so.

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Kurz: Reden wir noch, oder schreiben Sie schon?

Auch Lobo wirft sich jetzt auf die „Stil­le Post im Netz“. Haupt­the­se: Kor­rekt zitie­ren, ordent­lich jour­na­lis­tisch arbei­ten – das gehört zur Medi­en­kom­pe­tenz einer guten deut­schen Social-Media-Nut­ze­rIn dazu. (Neben­bei: Dass der Vor­wurf der Ver­kür­zung die­je­ni­gen, die eine kri­ti­sche Mei­nung zu Joa­chim Gauck geäu­ßert haben, nur so halb trifft, zeigt Ana­tol Ste­fa­no­witsch im Sprach­log). Ordent­lich jour­na­lis­tisch arbei­ten, im Netz, sonst wird das nichts mit der poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on dort.

Ich weiß jetzt, war­um mich die­se Aus­sa­ge irri­tiert: Weil Sascha Lobo Twit­ter auf das Zitie­ren und Ret­wee­ten ver­kürzt, das sozia­le Netz als Netz­werk aus Zita­ten dar­stellt. Ja. Das ist es auch. Aber gera­de Twit­ter ist eben auch Kon­ver­sa­ti­on. Eine Form einer tex­tu­el­len Kul­tur der Münd­lich­keit. Mehr Gere­de als Geschriebenes. 

Natür­lich: Die digi­ta­le Dif­fe­renz der Spei­cher­bar­keit, Durch­such­bar­keit und iden­ti­schen Kopier­bar­keit unter­schei­det Twit­ter vom leb­haf­ten Gespräch in der Knei­pe. Eine Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Kon­ver­sa­ti­ons­form sui gene­ris, viel­leicht. Eine, bei der noch immer nicht so ganz klar ist, was eigent­lich die sozia­len Nut­zungs­re­geln sind (damit mei­ne ich nicht die for­ma­len, auf­schreib­ba­ren, son­dern die Erwar­tun­gen an die damit ver­bun­de­nen Praktiken). 

Wenn ein Poli­ti­ker eine ande­re Poli­ti­ke­rin auf Twit­ter neckt, ist dass dann zitier­bar? Jour­na­lis­tisch ver­wert­bar? Oder hat’s eher den Sta­tus des zufäl­lig in der Bun­des­tags­kan­ti­ne belausch­ten Aus­tauschs in der Essens­schlan­ge? Und wenn da einer sagt: „Gauck sei doch für Sar­ra­zin“ – ist das dann a. ver­werf­li­che, unin­for­mier­te, dum­me Kam­pa­gne, eine b. ver­kürz­te münd­li­che Mei­nungs­äu­ße­rung oder c. das not­wen­di­ge Grund­rau­schen der Mei­nungs­bil­dung des poli­ti­schen Twit­ters, die eben nicht in Form geschlif­fe­ner Essays stattfindet?

P.S.: Kul­tur­sen­dun­gen im Radio sind sozu­sa­gen das Gegen­teil davon: ver­skrip­te­te Mündlichkeit.