So sieht’s aus, wenn bei Parteitagen geflüstert wird.
Der Name der nächsten Politik‑2.0‑Site – parteigefluester.de – ist auf jeden Fall schon mal gelungen. Auch das prinzipielle Konzept, Tweets (also Twitter-Meldungen) von Menschen aus verschiedenen Parteien nebeneinander darzustellen, hat was. Dem Vernehmen nach plant wahl.de ähnliches. Vor ein paar Tagen machte zudem der schwedische Twixdagen, also „Twittertag“ in Analogie zum schwedischen Parlament, dem Riksdagen, die Runde. Die Idee liegt also irgendwie in der Luft.
Nun konkret zum „Parteiengeflüster“. Zwei Schwachstellen sehe ich noch. Erstens fehlt dem Parteigeflüster die Linkspartei. Das finde ich nicht so ganz nachvollziehbar, auch wenn dann der Bildschirmplatz ein bißchen eng wird, wenn die mit hinzukommt. Es gibt definitiv Menschen aus der Linkspartei, die Twitter verwenden. Und wenn’s nur wenige sind, dann blamieren die sich halt. Aber weglassen ist irgendwie unfair. (Und ja: ich kann verstehen, dass z.B. pragmatisch der Schnitt bei den im Bundestag vertretenen Parteien gemacht wird, und ÖDP, BSÖ, Tierschutz, Violette sowie der ganze rechte Rand nicht vorkommen). Und gerade im Sinne von „Gegnerbeobachtung“ ist die Linkspartei nicht uninteressant für Grüne.
Und so sieht’s aus, wenn bei parteigefluester.de virtuell – und in diesem Fall sehr selbstreferentiell – geflüstert wird.
Schwachstelle Nr. 2: Was ist eigentlich ein „Parteitwitterer“? Ich tauche z.B. bei den derzeit 66 grünen Accounts mit auf, die für Parteigeflüster ausgewertet werden. Und weiss nicht so genau, was ich davon halten soll. Einerseits stimmt es: ich bin Grüner, stehe dazu, bekleide auch die eine oder andere ehrenamtliche Funktion. In meinen Tweets äußere ich mich gerne politisch und nehme zu politischen Fragen Stellung. Andererseits: bin ich Teil des Parteigeflüsters? Würde ich erwarten, mich – und viele ähnliche im Web 2.0 aktive Mitglieder der verschiedenen Parteien – in einer Auflistung der letzten paar Parteitweets zu finden? Oder doch eher die von offiziellen Parteiaccounts, MdBs und Vorstandsmitgliedern?
((Nebenbei bemerkt: jeweils nur drei Tweets anzuzeigen, ist ein bißchen wenig …))
Ich sehe drei Lösungsansätze: erstens wäre es gut, gewisse Filterfunktionen einzubauen, also die Auswahl zum Beispiel nach Bundesland oder nach politischer Funktion. Ich vermute, dass das bei der Implementierung dieser Funktion durch Wahl.de der Fall sein wird. Zu sehen, welche MdBs gerade was zu aktuellen politischen Vorhaben sagen, könnte – je nach Interesse – spannender sein als die Fußballmeldungen, Ortsverbandssitzungen und Buchkritiken der Parteimitglieder. Zweitens – da müssten dann aber alle mitmachen – wäre es eine Möglichkeit, alle „privaten“ Beiträge (oder alle „politischen“ Beiträge) z.B. mit dem Tag „#p“ zu kennzeichnen, und danach zu filtern.
Drittens glaube ich, dass mathematische Verfahren zur Textanalyse möglicherweise inzwischen weit genug sind, um einigermaßen sicher erkennen zu können, welche Tweets zu politischen Diskursen gehören und welche nicht. Das zu implementieren setzt aber einiges an Rechenkapazität und Informatik-Know-how vorraus. Sollte Google auf die Idee kommen, Twitter zu kaufen, wäre es vermutlich möglich, sowas wie „semantische Arenen“ schnell auf die Beine zu stellen. Als Projekt einzelner kleinerer Agenturen wohl eher nicht …
Ich bin gespannt, was bis zur Bundestagswahl noch an „Politik2.0“-Plattformen auf die Beine gestellt. Für mich der nächste interessante Schritt ist jedenfalls der Relaunch der Website von Bündnis 90/Die Grünen, der in den nächsten Wochen ansteht, und das – bisher nur im internen Beta-Test – laufende Mitgliedernetzwerk.
Mit der Vielzahl der Plattformen stellt sich allerdings gleich die nächste Frage: wie sieht’s eigentlich mit Integration aus? Damit meine ich nicht nur die Integration verschiedener Inhalte (YouTube-Video im Parteiblog einbinden …), sondern vor allem auch die Integration der Nutzung: sich jeden Tag durch drei bis zehn (politische) Social-Media-Plattformen zu klicken, funktioniert auf Dauer nicht.
Warum blogge ich das? Weil es dann doch etwas mehr als 140 Zeichen waren, die ich dazu zu sagen hatte.
Update: Inzwischen befindet sich auf der „Bundestweet“ von wahl.de im public beta, kann also angeschaut werden. Wenn ich’s richtig verstehe, muss Twitter noch mitspielen, damit es hier wirklich losgehen kann.