In Erinnerung an unsere Katze Miri

Im Herbst/Winter 2021 sind unse­re bei­den Kat­zen Miri und Nox zu uns gekom­men, als noch sehr klei­ne Kätz­chen und eng mit­ein­an­der ver­bun­de­ne Schwestern. 

Ges­tern muss­ten wir uns nun ganz plötz­lich und mit­ten in einen hei­te­ren Som­mer­tag hin­ein von Miri ver­ab­schie­den. Sie wur­de von einem Auto ange­fah­ren und tot auf­ge­fun­den. Dass wir davon erfah­ren haben, ver­dan­ken wir nur der Tat­sa­che, dass sie gechippt war.

In den zwei­ein­halb Jah­ren, in denen Miri bei uns war, ist sie vom win­zi­gen Kätz­chen zu einer statt­li­chen Kat­zen­da­me her­an­ge­wach­sen. Wir haben sie sehr lieb­ge­won­nen. Anders als ihre immer etwas kobold­haf­te Schwes­ter Nox war Miri die ver­träum­te­re, gemüt­li­che­re (und zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch die mit dem wei­che­ren Fell). 

Wenn sie woll­te, konn­te Miri auch sehr schnell sein. Bei Spie­len mit ihrer Schwes­ter oder beim Fan­gen der einen oder ande­ren Maus. Sie war durch­aus neu­gie­rig und betrach­te­te ihre Umge­bung ger­ne aus­gie­big von siche­ren Plät­zen aus. 

Sie hat­te eine Rei­he von Lieb­lings­plät­zen bei uns im Haus und im Gar­ten, und ver­brach­te den hal­ben Tag oben auf Schrän­ken, auf „ihrem“ Ses­sel, in der Son­ne auf der Ter­ras­se oder in selbst gebau­ten Ver­ste­cken im Gras. Wenn Gefahr droh­te, etwa weil Besuch kam, war sie unauf­find­bar – tief unter der Kellertreppe.

Bei uns for­der­te sie ihre Strei­chel­ein­hei­ten ein, blieb meist sanft­mü­tig (außer gegen­über dem Sofa) und genoss es, gekrault und geku­schelt zu werden.

Jetzt müs­sen wir uns dar­an gewöh­nen, dass hier nur noch eine Kat­ze wohnt; eine Kat­ze, die ihre Schwes­ter sehn­lichst ver­misst. Und auch bei uns hin­ter­lässt Miri eine gro­ße lee­re Stel­le, die schmerzt. Wir behal­ten dich gut in unse­rer Erinnerung.

In Erinnerung an Uli Sckerl

Erst vor weni­gen Wochen hat­te Hans-Ulrich „Uli“ Sckerl sei­ne Krebs­er­kran­kung öffent­lich gemacht. Heu­te gab es dann in einer der trau­rigs­ten Frak­ti­ons­sit­zun­gen über­haupt die Mit­tei­lung, dass er ges­tern gestor­ben ist, mit gera­de ein­mal 70 Jah­ren. Ein sehr trau­ri­ger Tag für uns Grü­ne im Land­tag und im Land.

Uli Sckerl war eine Kon­stan­te der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen. Einer, der immer schon da war, und der immer prä­sent war. Einer, der die Par­tei mit gegrün­det und mit auf­ge­baut hat, ins­be­son­de­re in sei­ner Hei­mat, der Kurpfalz. 

Lan­ge, bevor ich in der Frak­ti­on zu arbei­ten begon­nen habe, war Uli mir bekannt – von Par­tei­ta­gen, oft im Prä­si­di­um, als einer aus dem Par­tei­vor­stand, spä­ter dann als Gesicht der GAR, unse­rer kom­mu­nal­po­li­ti­schen Vereinigung. 

Ab 2006 war er dann Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter, ab 2011 nicht nur der grü­ne Innen­po­li­ti­ker, son­dern auch par­la­men­ta­ri­scher Geschäfts­füh­rer der gro­ßen Regierungsfraktion. 

Er hat sich um alles geküm­mert – und erst recht um alles, was mit Libe­ra­li­tät, mit Men­schen­rech­ten, mit Flucht und Migra­ti­on, mit Daten­schutz und Selbst­be­stim­mung, aber auch mit der „Blau­licht­fa­mi­lie“ zu tun hat­te. In einer ande­ren Kon­stel­la­ti­on wäre er viel­leicht der ers­te grü­ne Innen­mi­nis­ter geworden.

So war er der Mana­ger der Frak­ti­on, in einer Schar­nier­funk­ti­on: gegen­über der Regie­rung (und der Par­tei!) auf den Par­la­men­ta­ris­mus und die Rech­te der Frak­ti­on pochend, in der Frak­ti­on der, der dafür sorg­te, dass das Ple­num nicht leer und die Mehr­heit bei rele­van­ten Abstim­mun­gen da war. 

Für die Abge­ord­ne­ten war er Ansprech­part­ner und „Kum­mer­kas­ten“, und dass muss er, nach allem, was ich weiß, auch für sei­ne Hei­mat Wein­heim, sei­nen Wahl­kreis gewe­sen sein – mit engen Ver­bin­dun­gen zu den dor­ti­gen Rat­haus­spit­zen und Gemeinderät*innen, und immer mit einem offe­nen Ohr für Bür­ge­rin­nen und Bürger.

Er war – etwa im Vor­stand der Frak­ti­on – immer einer der­je­ni­gen, die ein gutes Gespür für die Lage der Par­tei hat­ten, einer, der sehr fein­füh­lig Stim­mun­gen auf­nahm – etwa die der auf­kom­men­den Kli­ma­schutz­be­we­gung – und die­se in die Frak­ti­on ein­speis­te. Trotz all sei­ner Auto­ri­tät als „Sil­ber­rü­cken“ habe ich ihn als beschei­den erlebt, als selbst­iro­nisch und humor­voll. Und damit war und ist er, wenn ich das rich­tig wahr­neh­me, für vie­le in der Frak­ti­on ein Vorbild. 

Uli fehlt heu­te, schmerz­haft, und sein Feh­len wer­den wir in den nächs­ten Wochen erst rich­tig spü­ren. Ich bin sehr trau­rig; mei­ne Gedan­ken sind bei sei­ner Familie.

Nachruf: Ursula K. Le Guin


Ursu­la K. Le Guin (1929–2018), Gort­hi­an -
File:Ursula K Le Guin.JPG, CC BY-SA 3.0, Link

Heu­te habe ich erfah­ren, dass Ursu­la K. Le Guin vor­ges­tern im Alter von 88 Jah­ren gestor­ben ist. Ich habe, glau­be ich, fast alles gele­sen, was von ihr erschie­nen ist, teil­wei­se in der deut­schen Über­set­zung, teil­wei­se im Ori­gi­nal, und sie war eine der Autorin­nen, die mich stark beein­flusst hat. 

Le Guin hat eth­no­lo­gi­sche Sci­ence Fic­tion geschrie­ben, manch­mal auch anthro­po­lo­gi­sche Fan­ta­sy – die Gren­zen sind da flie­ßend. Jeden­falls: eine spe­ku­la­ti­ve Lite­ra­tur, in der genau beob­ach­tet wird, egal ob es um hell oder dun­kel geht. Eine Lite­ra­tur, in der Kul­tu­ren kon­sis­tent sind und eine Rol­le spie­len – sei­en es die Gesell­schaf­ten der Erd­see-Archi­pel, sei­en es die mehr oder weni­ger fort­ge­schrit­te­nen Außer­ir­di­schen im Hai­nish-Uni­ver­sum. Vie­le Bücher Le Guins sind sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Ver­suchs­an­ord­nung: über Geschlech­ter­ver­hält­nis­se, dar­über, ob eine bes­se­re Zukunft mög­lich ist, oder auch dazu, wie Unter­drü­ckung funk­tio­niert hat und wei­ter funktioniert.

Hier wird schon deut­lich: Le Guin ist und war immer eine poli­ti­sche Schrift­stel­le­rin. Noch vor weni­gen Mona­ten erschie­nen Inter­views mit ihr, in der sie sich nicht nur klar zu Trump posi­tio­niert hat, son­dern auch klar dazu, dass Kapi­ta­lis­mus etwas men­schen­ge­mach­tes ist und mög­li­cher­wei­se nicht die bes­te aller Wel­ten dar­stellt. Dass Sci­ence Fic­tion kein Män­ner­spiel­platz mit Welt­raum­aben­teu­ern aus Kar­ton mehr ist, son­dern femi­nis­tisch sein kann, mit tief gezeich­ne­ten, emp­find­sa­men Wesen: auch da war sie eine Weg­be­rei­te­rin. Und natür­lich han­deln ihre Bücher und Geschich­ten von der gan­zen Palet­te des lin­ken, pro­gres­si­ven Lebens. Vom Kampf gegen Umwelt­zer­stö­rung und Skla­ve­rei bis hin zu den genau aus­ge­dach­ten und auf­ge­schrie­be­nen Nie­de­run­gen einer real exis­tie­ren­den syn­di­ka­lisch-anar­chi­schen Uto­pie, aber auch die Ver­su­chun­gen von Macht und Zau­be­rei: all das fin­det sich bei Le Guin, dazu noch eine Spur Taoismus. 

Dabei war Le Guin immer Schrift­stel­le­rin mit lite­ra­ri­schem Anspruch. Ihre Tex­te sind nie­mals plump, son­dern höchst leben­dig, mit einem eige­nen Humor. Auch dazu, wie Spra­che ein­ge­setzt wer­den kann, dass Rhyth­men und Flüs­se etwas mit Text­ar­beit zu tun haben, konn­te von Le Guin gelernt werden.

Ursu­la K. Le Guin hat­te eine Wir­kung. Das ist viel­leicht das stärks­te, was über einen Schrift­stel­ler oder eine Schrift­stel­le­rin gesagt wer­den kann. Ich bin nicht der ein­zi­ge, den sie dazu ver­führt hat, ima­gi­nä­ren Wel­ten treu zu blei­ben und des­sen poli­ti­sche Hal­tung und Welt­sicht gleich­zei­tig von ihren Büchern deut­lich geprägt wur­de – obwohl ich sie nie per­sön­lich getrof­fen habe. Ich wün­sche uns, dass ihre Bücher und Geschich­ten – auch das, dem die 1970er Jah­re so deut­lich anzu­mer­ken sind – wei­ter gele­sen wer­den und auch über ihren Tod hin­aus die­sen Effekt haben werden.

Zur Erinnerung an Baldo Blinkert

Am 26. Novem­ber 2017 ist der Frei­bur­ger Sozio­lo­ge Bal­do Blin­kert gestor­ben. Da ich, wie Gene­ra­tio­nen Frei­bur­ger Sozio­lo­gie­stu­die­ren­der, viel von ihm gelernt habe, und ihn durch­aus als prä­gen­den Ein­fluss sehe, will ich doch ein paar Wor­te zur Erin­ne­rung in mein Blog setzen.

Ers­tens war Blin­kert der­je­ni­ge, der am immer eher klei­nen Frei­bur­ger Insti­tut für Sozio­lo­gie – und am FIFAS, sei­nem For­schungs­in­sti­tut – die sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Metho­den­aus­bil­dung ver­kör­per­te, ins­be­son­de­re mit Blick auf fort­ge­schrit­te­ne­re Sta­tis­tik. Lei­se und beharr­lich erklär­te er uns Alpha- und Beta-Feh­ler, Regres­sio­nen und Varianztests. 

Zwei­tens war Blin­kert für mich die Ver­kör­pe­rung des aka­de­mi­schen Mit­tel­baus. Lan­ge, lan­ge Jah­re wirk­te er als „aka­de­mi­scher Ober­rat“, erst spät wur­de er zum außer­plan­mä­ßi­gen Pro­fes­sor. Ein­ge­bracht hat er sich, so jeden­falls die dama­li­ge stu­den­ti­sche Per­spek­ti­ve, nicht mehr oder weni­ger als die „ordent­li­chen“ Professor*innen. Auch dar­an lie­ße sich viel über das aka­de­mi­sche Berufs­feld erläutern.

Drit­tens und am wich­tigs­ten für das Bild von Blin­kert, wie es in mei­ner Erin­ne­rung bleibt: im Win­ter­se­mes­ter 1998 besuch­te ich bei ihm ein Semi­nar zur Stadt­so­zio­lo­gie, genau­er gesagt: zur Kri­se der Stadt­ent­wick­lung. Da ging es um Glo­ba­li­sie­rung, for­dis­ti­sche und post­for­dis­ti­sche Theo­rien der Stadt und ähn­li­ches mehr. Das war nicht nur inhalt­lich span­nend, son­dern auch des­we­gen inter­es­sant, weil zum Semi­nar Rad­tou­ren in ver­schie­de­ne Frei­bur­ger Stadt­tei­le gehör­ten – Sozio­lo­gie mit direk­ter Erkun­dung des Ver­suchs­ge­gen­stands wirk­li­che Welt, sozusagen.

Wäh­rend der Blin­kert der Metho­den­se­mi­nar tro­cken und manch­mal auch schwer ver­ständ­lich sein konn­te, lern­te ich hier einen enga­gier­ten Sozio­lo­gen ken­nen, bei dem deut­lich wur­de, dass sta­tis­ti­sche Metho­den kein Selbst­zweck sind, son­dern immer das Ziel haben, sich einem Gegen­stand zu nähe­ren und im bes­ten Fall die Per­spek­ti­ve der Betrof­fe­nen sicht­bar zu machen.

Auch über das sozio­lo­gi­sche Semi­nar hin­aus wirk­te Blin­kert in die Stadt hin­ein: mit der Kin­der­stu­die, die Frei- und Bewe­gungs­räu­me von Kin­dern ins Sicht­feld der Stadt gezo­gen hat, und direkt auf die Gestal­tung Frei­burgs Wir­kung zeig­te, mit der jah­re­lan­gen Erstel­lung des Miet­spie­gels, und immer wie­der als Stim­me in Dis­kus­sio­nen und Gesprächsrunden. 

Die­se Stim­me – lei­se und beharr­lich, enga­giert und zugleich beschei­den – ist jetzt ver­stummt. Aber etwas bleibt davon. Bei vie­len, die in Frei­burg stu­diert haben, und auch in der Stadt selbst.

Nach­ruf Ste­fan Kaufmann/Institut für Soziologie
Nach­ruf Tho­mas Goebel/Badische Zeitung

Kurz: Der Wind verstreut die Samen der Pusteblume

Street lifeDandelion flow

All zu ein­fa­che Medi­en­wir­kungs­theo­rien rufen in mir immer noch Skep­sis her­vor. Den­noch war es – sage ich als Kind der 1980er Jah­re – völ­lig gerecht­fer­tigt, dass der Tod des Fern­seh­mo­de­ra­tors Peter Lus­tig es bis auf die Titel­sei­te der FAZ geschafft hat. Löwen­zahn war eine Sen­dung, die in tie­fer Reso­nanz mit dem Zeit­geist der 1980er Jah­re stand. Für mich stell­te der öko-bes­ser­wis­sen­de Tüft­ler im Bau­wa­gen, der Kon­ven­tio­nen mit ent­waff­nen­der Freund­lich­keit außer Kraft setz­te, den Ein-ande­res-Leben-ist-mög­lich-Gegen­pol zu den als Jugend­buch getarn­ten Dys­to­pien von Gud­run Pau­se­wang dar. Und das zur Haupt­kin­der­sen­de­zeit im öffent­lich-recht­li­chen Rundfunk. 

Inso­fern bin ich mir ganz sicher, dass Löwen­zahn gewirkt hat – als Welt­erklär­sen­dung, aber auch als moral­set­zen­de Instanz für eine gan­ze Gene­ra­ti­on. So jemand wie Paschul­ke woll­ten wir nie wer­den. Jeden­falls hat Peter Lus­tig sei­nen Teil dazu bei­getra­gen, dass Umwelt­schutz, Tole­ranz und ganz unter­schied­li­che Lebens­mo­del­le zum west­deut­schen Maß­stab wur­den. Und ja: als Welt­erklä­rer im bes­se­ren Sin­ne. Als einer, der Expe­ri­men­te macht, der tüf­telt, der Din­ge lernt und der für Neu­es offen ist. Der nicht nur auf „öko“ setzt, son­dern sich auch einen Robo­ter bas­telt. Einer, der für sei­ne Hal­tung Bele­ge mit­bringt und gegen die Auto­ri­tä­ten nicht mit Wut, son­dern mit Exper­ti­se vor­geht. Und am Ende bricht der Löwen­zahn durch den Asphalt und ver­wan­delt die Stadt in eine grü­ne Welt.

Die Sen­dung Löwen­zahn lief bis 2005 mit Peter Lus­tig. Dank mei­ner Kin­der habe ich inzwi­schen die eine oder ande­re Fol­ge mit sei­nem Sen­dungs­nach­fol­ger Gui­do Ham­mes­fahr ali­as „Fritz Fuchs“ gese­hen. Und ich bin froh, dass im manch­mal doch schon sehr kom­mer­zi­ell wir­ken­den Pro­gramm des Kika wei­ter­hin ein unkon­ven­tio­nel­ler Mensch im Bau­wa­gen vor­bild­lich die Welt erklärt, und dabei neben­bei die Wer­te ver­mit­telt, die wir drin­gend brauchen.