Schon ein paar Wochen her: Sichelmond, Venus und Mars gemeinsam am Himmel über dem Rieselfeld.
Photo of the week: Mars II
Das Foto dieser Woche ist diesmal ein Foto eines Bildes – ich hatte mir zum Geburtstag eine Staffelei gewünscht und dann auch gleich dafür genutzt, mal auszuprobieren, wie es sich mit Acrylfarbe malt. Vorbild für diese Landschaft war eines der Mars-Fotos von Opportunity – das Ergebnis ist etwas knalliger und weniger langgestreckt als die echte planetarische Landschaft, gefällt mir aber ganz gut. Und passt auch gut zu dieser grün gestrichenen Wand in meiner Wohnung.
Flucht vom Planeten Erde
Anatol Stefanowitsch regte sich heute über, sagen wir mal, die technikbezogene Oberflächlichkeit der Menschheit auf. Also, dass z.B. sehr viel mehr Geld in Smartphoneschnickschnack fließt als in z.B. die bemannte Raumfahrt. Ich fasse seine Tweets mal zusammen:
Wir könnten längst auf dem Mars sein. Stattdessen lesen wir atemlose Nachrichten von einer Firmenzentrale namens „Spaceship Campus“. Und zwar der Firmenzentrale eines Konzerns für Unterhaltungselektronik, nicht etwa für Raumfahrt.
Dumm nur, dass diese Firmenzentrale längst Stahl‑, Glas- und Betonschrott sein wird, wenn uns klar wird, dass wir auf der Erde festsitzen. (Bzw., unsere Nachkommen, die dann zum Trost mit Bergen unseres Elektronikmülls spielen können.)
Aber viel wichtiger: Das neue iPhone, es wird vielleicht ein gekrümmte Display haben! Gekrümmt! Ist Wissenschaft nicht wundervoll?
Ich konnte dann nicht anders, als ihm zu widersprechen. Nicht, weil ich die Frage der Displaykrümmung des neuen iPhones besonders wichtig fände, sondern weil ich die Besiedlung anderer Planeten für ein ziemlich utopisches Vorhaben halte. Also für eines, das sich gut für – literarische – Utopien eignet (und natürlich noch viel besser für (New) Space Opera), das mir aber als Rettungskonzept für das Überleben der Menschheit doch höchst ungeeignet erscheint.
Was ich heute morgen getan habe
T. streckte sich gähnend, als sein Blick auf die matt schimmernde Anzeige des Weckers fiel. „Verdammt, in einer Minute geht es los!“
Zu faul, um sich ins Wohnzimmer zu begeben und den Tischrechner anzuwerfen, schnappte er sich seinen Taschenkommunikator, ein Wunderwerk der Technik. Kleiner als eine Tafel Schokolade, aber Bildtelefon, Schnittstelle zu diversen globalen Kommunikationsdiensten und Spielkonsole zugleich. T. entschied sich, den historischen Augenblick mit Millionen anderer zu teilen. Mit einigen eingeübten Fingerbewegungen schaltete er den Taschenkommunikator auf einen Kanal, auf dem unter anderem ein schottischer Science-Fiction-Schriftsteller, der amerikanische Präsident sowie diverse Raumfahrtagenturen über das Ereignis berichteten.
Das graue Display des Funkweckers zeigte 07:29.
T. war es nicht genug, über das Ereignis zu lesen. Leider würde es keine Live-Bilder geben, aber zumindest den Ton aus dem Steuerungszentrum der amerikanischen Raumfahrtagentur wollte er hören. Dazu ergänzte er die Kanalwahl auf dem Taschenkommunikator durch einen Radiosender aus San Francisco, der den Ton aus dem Steuerungszentrum mit sphärischen Tönen unterlegte.
Jubel brandete auf. Das durch die Zeitverzögerung zum roten Planeten bedingte bange Warten hatte ein Ende. Das über die Marsorbiter weitergeleitetes Funksignal bestätigte es. Das komplizierte Landemanöver war erfolgreich gewesen!
Die Flugkapsel hatte sich erfolgreich von der Landeeinheit getrennt. Diese wurde durch die Reibung der dünnen Mars-Atmosphäre abgebremst, bis der größte Landefallschirm, der jemals eingesetzt worden war, ausgefalltet werden konnte. Der nächste Schritt des Manövers war der schwierigste, und er musste automatisch ausgelöst werden: Der Fallschirm wurde abgesprengt, die Landeeinheit schaltete auf Raketenantrieb um und schwebte nun über dem Gale-Krater.
Dann wurde der Himmelskran eingesetzt! An drei Kunstfaserseilen, wie in der Simulation millionenfach erprobt, wurde das Erkundungsfahrzeug – so groß und schwer wie ein kleines Auto – langsam herabgelassen. Auf seinen sechs Aluminiumrädern setzte es federnd auf. „Bodenkontakt bestätigt!“
Im Kurznachrichtendienst überschlugen sich die Beifallsbekundungen und ersten Kommentare. Jeder wollte berichten, wo er in diesem historischen Moment gewesen war. Und natürlich gab es – wie immer – Witzbolde, die ihre Scherze trieben, statt innezuhalten und diese technische Meisterleistung – für die die amerikanische Raumfahrtagentur über einen Zeitraum von acht Jahren das Bruttosozialprodukt Guayanas ausgegeben hatte – ehrfurchtsvoll zu bestaunen.
Wenig später waren dann auch die ersten verschwommenen Schwarzweißbilder durch die tiefdunkle Nacht des Sonnensystems geschickt worden. Auf seinem Taschenkommunikator konnte T. mit eigenen Augen sehen, was „Curiosity“, wie der Marsrobotor liebevoll genannt wurde, durch seine Sicherheitskameras aufgenommen hatte – einige Steine und seinen eigenen Schatten. Jetzt würde sich der Kamerakopf aufrichten und das Robotorfahrzeug der NASA seinen nuklearbetriebenen Laserarm ausfahren, um die ein Marsjahr dauernde planetare Erkundung zu beginnen.
Warum blogge ich das? Historisches Ereignis und so (auch wenn’s nicht die erste Landung eines Erkundungsroboters auf einem anderen Planeten ist).
Kurz: Marsroboter-Vergesellschaftung (Update)
Wie wichtig und neu die Nachricht ist, dass es auf dem Eis tatsächlich Wassereis gibt (und wohl mal mehr flüssiges Wasser gab), tatsächlich ist, mögen andere beurteilen. Ebenso die Frage, ob es bei „Mars was habitable“ um den zukünftigen Organisationsbestand der NASA, um eine Legitimierung für teure Raumfahrtprojekte oder um den Plan B der Menschheit geht. Ich wollte nur drauf hinweisen, dass der Phoenix Mars Lander nicht nur eine Website hat, sondern auch twittert. Und zwar, das macht die Sache interessant, in der Fiktion einer ersten Person Singular, als in der Ich-Form. Da heißt es dann z.B.
Heard about the recent news reports implying I may have found Martian life. Those reports are incorrect.
10:06 PM August 02, 2008 from web
Oder:
@bradinvegas My goal is to determine if Mars may have been habitable. There’s lots of data to analyze on that, and no clear answer yet.
7 Minuten ago from web in reply to bradinvegas
Natürlich werden diese Einträge nicht vom Phoenix Lander geschrieben, sondern von irgendjemand aus dem Team, der/die für Wissenschaftskommunikation zuständig ist. In der gewählten Form tragen sie aber definitiv dazu bei, der Lander zu verniedlichen und zu anthropomorphisieren (was ja auch mit den beiden Rovern schon gut gelungen ist). Interessanter Effekt – hier kann die ESA noch lernen. Und ein gutes Thema für eine techniksoziologische Arbeit wäre diese Rhetorik auch.
Update: (10.11.2008) Nach fünf Monaten ist jetzt der Kontakt zu Phoenix verloren gegangen – und auch dies wurde der Welt im Stil einer persönlichen Abschiedsnachricht mitgeteilt.