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Nackte Aufmerksamkeitsökonomie
Nackte Menschen und ein Gletscher. Foto: Greenpeace/Wuertenberg
Die deutschen und internationalen Medien berichten über eine gemeinsame Aktion von Greenpeace Schweiz und dem für seine nackten Menschenmengen bekannten Fotografen Spencer Tunick: mehrere hundert nackte Menschen stehen, sitzen oder liegen an oder auf dem Aletsch-Gletscher in der Schweiz. Ziel des Spektakels: Aufmerksamkeit für den Klimawandel (und für den Künstler) zu generieren. Das ist gelungen.
Sind solche Aktionen sinnvoll? Florian Rötzer kritisiert es in der Telepolis:
Die Umweltorganisation braucht spektakuläre Acts, die teilweise die Akteure gefährden, um die Aufmerksamkeit auf ihre Themen und Spenden in ihre Kassen zu lenken, was auch Sinn der angeblichen künstlerischen Spektakel massenhafter Nacktheit ist (was im Gegensatz zu den Aktionen von Greenpeace allerdings auch den Eindruck erweckt, als würden sich die Menschen liebend gerne zur Schlachtbank bewegen, um sich für das „Größere“ zu opfern, die Assoziation von Auschwitz ist auch nicht fern, selbst wenn es sich um genährte Körper handelt).
Neben dem Auschwitz-Vergleich fällt ihm auf: „Aber sie sind Statisten, die für andere Zwecke verbraten werden.“ Und er kommt zum Schluss:
Das weltweite Publikum sieht die Konfrontation von Menschen, die sich gerne einmal zur Schau stellen und sich beweisen wollen, mit dem Gletscher, der ohne Zweifel schmilzt. Was zeigen uns die Fotos? Einen neuen Riefenstahl, die Willigkeit der Subjekte, Objekte zu werden, um daraus wieder indirekt zu profitieren, und den Wunsch der Umweltorganisation, mit allen Mitteln für die eigenen Zwecke und das Überleben der Erde, wie sie ist, zu werben.
Überzeugt uns das? Nein, es schreckt ab – vor der angeblichen Kunst und vor dem angeblich guten Willen. […]
Dass eine derartige Aktion Kritik provoziert und eine gewisse Sensationslust befriedigt, gehört zum Spektakel, gehört zur Aufmerksamkeitsökonomie. Insofern ist es Rötzer nicht vorzuwerfen, wenn er mit – meiner Meinung nach eher überzogener – Kritik reagiert (und damit auch ein Stück des Kuchens abbekommt). Ich sehe aber nicht, warum es notwendig sein sollte, sich dieser Meinung anzuschließen (und ob die harten Asssoziationsgeschütze so sinnvoll sind, möchte ich auch bezweifeln). Wenn das Spektakel Aufmerksamkeit für den Klimawandel generiert und damit das Thema auf der politischen Agenda hält, dann erfüllt es seinen Zweck. Und wer (freiwillig) dabei mitmacht, weiss glaube ich recht gut, auf was er oder sie sich da einlässt.
Bleibt die Frage, ob das Kunst ist? Meine erste Assoziation war jedenfalls nicht Riefenstahl, sondern die Konfrontation Mensch / Gletschernatur, die hier – passend zum Thema – als Vexierbild wirkt: auf den ersten Blick sind die nackten Menschen das Verletzbare, vor einer unnahbar und unzerstörbar erscheinend Eiswand. Auf den zweiten Blick kehren sich die Verhältnisse um: die so harmlos wirkende Menschen sind es, die via Klimawandel den Gletscher bedrohen. Was stimmt? Die konfrontativen Bilder Tunicks (bzw. in dem Fall: die Pressefotografien der Aktion) sind hier meines Erachtens deutlich sinnvoller, als wenn er städtische Landschaften mit Menschen füllt; jedenfalls erzeugen sie (jenseits aller Sensationslust) eine Dissonanz, die stimmig ist.
Warum blogge ich das? Als Verteidigung der Kunst und des Spektakels gegenüber der unbedingten Ernsthaftigkeit.