Seit ein paar Tagen kursiert der Kurzfilm „Oppressed Majority“ (Eléonore Pourriat, 2009) im Netz und wurde inzwischen auch von diversen Online-Ablegern der Massenmedien aufgegriffen. Der Punkt des Filmes ist so einfach wie wirkungsvoll – im Film haben Frauen die Macht, Männer sind die Unterdrückten, ansonsten bleibt alles so, wie es ist: Herabwürdigungen, Anzüglichkeiten, religiös begründete Unterdrückung, sexualisierte Gewalt – und am Schluss keinerlei Unterstützung.
Aber genau in dieser Eindeutigkeit der Unterdrückungsverhältnisse liegt mein Unbehagen mit dem Film. Ok – es ist ein Kurzfilm, etwa zehn Minuten lang, da passt die Widersprüchlichkeit der Welt nicht hinein. Aber ich frage mich trotzdem, was für Geschlechterbilder der Film vermittelt, und ob er nicht gerade.in seiner Eindeutigkeit Biologismen fortschreibt und verstärkt. (Interessanterweise ist diese Eindeutigkeit eine bewusste Entscheidung Pourriats).
Im Film treten, wenn ich richtig mitgezählt habe, drei Männer auf. Neben der Hauptperson Pierre sind das der Erzieher, der es sich offensichtlich in der Rolle des vom Islam unterdrückten Mannes eingerichtet hat, sowie ein junger Polizist oder Sekretär, der die Kommentare seiner Vorgesetzten über sein Äußeres kommentarlos über sich ergehen lässt.
Die sommerlich gekleidete Hauptperson bringt das Kind in die Kita, zeigt sich anfangs halbwegs selbstbewusst, fährt mit dem Rad zu einem Termin – ob beruflich oder privat, wurde mir nicht ganz klar – und begegnet dann einer Gruppe halbstarker Mädchen. Er gerät in einen Streit mit diesen, wird von der Gruppe in eine Seitengasse gedrängt, geschlagen und letztlich vergewaltigt. Danach folgen noch zwei Szenen, in denen der von diesem Ereignis sichtlich traumatisierte Mann auf in diesem Fall weibliches Unverständnis stößt – eine Polizeibeamtin nimmt seine Anzeige gelangweilt zu Protokoll. Sie glaubt ihm nicht. Seine Frau holt ihn später ab, es ist schon dunkel, aber sie interessiert sich doch nur für ihre eigenen beruflichen Sorgen. Verletzt und alleine bleibt ihm eine leere, dunkle Straße.
Soweit der Film. Männer sind im Film hilflos und werden gedemütigt. Frauen nehmen Männer nicht für voll, unterdrücken diese, reduzieren sie auf den Körper – oder sind übergriffig und gewalttätig.
In umgekehrten Geschlechterrollen ist das ein dunkler Teil der Wirklichkeit. Nicht zuletzt #aufschrei hat das deutlich gemacht. Insofern ist der Film wichtig. Vielleicht hilft er, in der Umkehrung der Verhältnisse deren traurige Alltäglichkeit sichtbar zu machen.
Aber wie geht es weiter? Wie könnte es anders sein? Hier bleibt der Film stumm. Es gibt dort keine Menschen, die ihrer (selbstverständlich heteronormativ festgelegten) Geschlechterrolle nicht entsprechen. Es gibt kein Aufbegehren, keine dritten Räume, keine Solidarität. Niemand löst sich von seiner/ihrer Biologie, es gibt keine Ambiguitäten. Jede Form von Macht ist geschlechtlich genau zugeordnet, und jedes Geschlecht hat genau eine Position. Ein Entkommen aus dieser Binarität gibt es nicht.
Und genau damit, fürchte ich, trägt der Film eher dazu bei Unterdrückungsverhältnis festzuschreiben als Augen zu öffnen und Veränderungen zu ermöglichen: Die Welt ist schlecht, die Mächtigen sind sexistisch, aber – Achselzucken – so sind die Menschen halt.
Warum blogge ich das? Weil ich glaube, dass die Sache komplizierter sein müsste.
P.S.: Lesenswert wie immer das Missy Magazin dazu.
P.P.S.: Auch in der ZEIT gibt es einen interessanten Kommentar zu rassistischen Untertönen in dem Stück.