Nachhaltiges Fliegen im administrativen Käfig

Clear cold sky I

Manch­mal gibt es selt­sa­me Zufäl­le. Ich wer­de nächs­te Woche an einem Pro­jekt­tref­fen in Schott­land teil­neh­men – „natür­lich“ ver­läuft die Rei­se dort­hin mit dem Flug­zeug (die Zug­ver­bin­dung hat a. ein Preis­pro­blem (Eurostar/Fähre), b. ein Zeit­pro­blem (Fak­tor 5 gegen­über dem Flie­gen) und c. ein Pro­blem mit dem pri­va­ti­sier­ten Eisen­bahn­netz in Großbritannien). 

Ges­tern habe ich dann über­legt, was eigent­lich die Rei­se­kos­ten­stel­le sagen wür­de, wenn ich eine Kli­ma-Ablass­zah­lung mit bei­le­gen wür­de. Mal abge­se­hen von der grund­sätz­li­chen Fra­ge, wie sinn­voll sol­che Zah­lun­gen sind. Jeden­falls wür­den für die Flug­stre­cke Frank­furt-Edin­burgh hin und zurück nach atmosfair.de etwa eine hal­be Ton­ne CO2 anfal­len, das ist etwa ein Vier­tel des „kli­ma­ve­träg­li­chen Jah­res­bud­gets eines Men­schen“. Um die­se aus­zu­glei­chen, müss­ten hier 14 Euro gezahlt wer­den, die dann von atmos­fair (oder ähn­lich bei ande­ren Ablas­s­an­bie­tern) in Kli­ma­schutz­pro­jek­te inves­tiert wür­den. Zum Ver­gleich: die Buchungs­ge­bühr des von der Uni in den offi­zi­el­len Dienst­richt­li­ni­en emp­foh­le­nen Rei­se­bü­ros beträgt 29,75 Euro.

Aller­dings bin ich dann ges­tern nicht dazu gekom­men, mal tat­säch­lich bei der Rei­se­kos­ten­stel­le nach­zu­fra­gen. Ist auch nicht not­wen­dig – den heu­te konn­te ich die Ant­wort in der Zei­tung (nur Abo) lesen. So etwas wür­de von der Uni (wie auch vom Fraun­ho­fer-Insti­tut für Sola­re Ener­gie­sys­te­me) bis­her grund­sätz­lich nicht gemacht. Die Pres­se­spre­che­rin der Uni ver­weist statt des­sen auf ande­re Nach­hal­tig­keits­pro­jek­te und die Mög­lich­keit zur Video­kon­fe­renz. Als Begrün­dung für den Ver­zicht auf Kli­ma­kom­pen­sa­tio­nen gibt sie an, dass bei Rei­se­kos­ten ganz prin­zi­pi­ell die Maxi­me gel­te, mög­lichst spar­sam und effi­zi­ent zu wirt­schaf­ten. (Anlass für den Arti­kel in der Badi­schen Zei­tung war wohl, dass die Stadt Frei­burg in Zukunft ent­spre­chen­de Ablass­zah­lun­gen vor­neh­men möch­te – und von den befrag­ten Öko-Fir­men nur das Öko-Insti­tut e.V. bis­her so handelt).

Dass das offi­zi­ell emp­foh­le­ne Rei­se­bü­ro bei wei­tem nicht der bil­ligs­te Anbie­ter für Flug­rei­sen ist, sei ein­mal dahin­ge­stellt. Wich­ti­ger an der Bemer­kung ist jedoch, dass hier die Gren­zen des Nach­hal­tig­keits­kon­zep­tes der Uni Frei­burg auf­schei­nen: solan­ge, wie etwa bei effi­zi­en­te­ren Raum­be­hei­zun­gen, Umwelt­schutz mit Ein­spa­run­gen ver­bun­den ist, wird Nach­hal­tig­keit und Umwelt­schutz groß geschrie­ben. Da, wo tat­säch­lich Inves­ti­ti­to­nen (in einem ver­gleichs­wei­se beschei­de­nen Rah­men) not­wen­dig wären, rückt dann die spar­sa­me Mit­tel­be­wirt­schaf­tung auf die ers­te Prio­ri­tät vor.

Nun könn­te der Uni zugu­te gehal­ten wer­den, dass sie natür­lich gar nicht selbst dar­über ent­schei­det, son­dern letzt­lich als öffent­li­che Ein­rich­tung an Kos­ten­er­stat­tungs­richt­li­ni­en des Lan­des und mög­li­cher­wei­se auch der Dritt­mit­tel­ge­ber gebun­den ist. Aber wo ein Wil­le ist, fin­det sich in einer Uni­ver­si­tät meist auch ein Weg.

Bleibt die Fra­ge, was ich jetzt mache? Selbst kom­pen­sie­ren? Mich drauf aus­ru­hen, dass die Uni das nicht macht (bzw. das mein nicht vor­han­de­nes Auto mit dem Flug gegen­ge­rech­net wer­den könn­te)? Vor­schlä­ge an Senat und AK Nach­hal­ti­ge Uni­ver­si­tät ein­rei­chen? Oder gar an Lan­des- und Bun­des­po­li­tik mit der Fra­ge her­an­tre­ten, ob Kli­ma­kom­pen­sa­tio­nen für Flü­ge öffent­li­cher Ein­rich­tun­gen nicht gesetzt­lich ver­pflich­tend zu machen wären?

War­um blog­ge ich das? Weil hier pri­va­te Hand­lungs­frei­heit und insti­tu­tio­nel­le Vor­ga­ben auf­ein­an­der­pral­len – und weil es mich inter­es­sie­ren wür­de, was ande­re zu den auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen mei­nen.

Voll und ganz aufgegangen in der neuen Rolle

Swiss nuclear idyllVoll und ganz in ihrer neu­en Rol­le als Mar­ke­ting­frau für die Atom­ener­gie auf­ge­gan­gen ist Mar­ga­re­ta Wolf, ehe­ma­li­ge hes­si­sche Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te der Grü­nen, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Umwelt­mi­nis­te­ri­um, und seit heu­te nicht mehr Mit­glied der Par­tei, nach­dem es eini­ge Kri­tik an ihrem neu­en Job gege­ben hat. 

Und was steht nun in ihrem Aus­tritts­schrei­ben? Unter ande­rem die­ses hier:

Die Ener­gie­fra­ge ist eine der zen­tra­len Grün­dungs­fra­gen mei­ner Par­tei gewe­sen. Dem real­po­li­ti­schen Teil mei­ner Par­tei und somit dem im eigent­li­che Sin­ne poli­ti­schen Teil der Grü­nen war immer klar, dass man nicht gleich­zei­tig die ener­ge­ti­sche Nut­zung von Koh­le und Kern­ener­gie ableh­nen kann. Das war auch immer mei­ne Meinung.

Mei­ne Par­tei hat sich in die­ser Fra­ge in eine stra­te­gi­sche Sack­gas­se manö­vriert, aus der sie nur wie­der her­aus­kommt, wenn sie zu einer sach­li­chen, nicht roman­ti­sie­ren­den Debat­te in der Fra­ge zurück­kehrt und in einen offe­nen, sach­li­chen Dia­log ein­tritt, einen Dia­log, der nicht jede Idee, die geäu­ßert wird, dif­fa­miert, son­dern sich sub­stan­ti­ell mit ihr aus­ein­an­der­setzt. Die­se Dia­log­kul­tur ist nicht erkennbar. 

Anders gesagt: noch im Par­tei­aus­tritt ver­sucht Mar­ga­re­ta Wolf es so dar­zu­stel­len, dass sie – ganz auf der Linie des neu­en Arbeit­ge­bers – recht hat damit, Wer­bung für Kern­ener­gie zu machen, dass schon immer so gese­hen hat (auch als Staats­se­kre­tä­rin? das wür­de eini­ges erklä­ren) und ver­leug­net die durch und durch real­po­li­ti­schen Stu­di­en der Bun­des­tags­frak­ti­on etc., die zei­gen, dass ein Aus­stieg aus Koh­le und Atom zugleich mög­lich ist. 

Ich fin­de es rich­tig, dass Mar­ga­re­ta Wolf aus­tritt, und den­ke, dass mei­ne Par­tei sich nicht ins Bock­horn jagen lässt (und ich bin zudem über­zeugt davon, dass das der­zei­ti­ge Medi­en­hoch für den Wie­der­ein­stieg in die Atom­ener­gie viel mit der Bay­ern­wahl zu tun hat). Beson­ders inter­es­sant an dem Aus­tritts­schrei­ben und dem gan­zen Drum­her­um (bis hin zu der Tat­sa­che, dass hier vor­nehm­lich über die Welt kom­mu­ni­ziert wird), fin­de ich aber tat­säch­lich die Poli­tik­tech­nik, die Tat­sa­che, wie bis zuletzt an der Kon­sens­rea­li­tät zurecht­ge­rückt wird, kurz: wie hier „gespon­nen“ wird. Es bedarf schon eini­ger Frech­heit und rhe­to­ri­scher Kunst­fer­tig­keit, mit einem Satz den lin­ken Grü­nen die Poli­tik­fä­hig­keit abzu­spre­chen und zugleich den „Rea­los“ eine Posi­ti­on unter­zu­schie­ben, die auch dort noch nie ernst­haft ver­tre­ten wur­de. Da kann so man­cher Tex­ter noch was von lernen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die Art und Wei­se des Aus­tre­tens in die­sem Fall sehr erwäh­nens­wert finde.

Lesenswert: Klimawandel und Alltagshandeln

Titel Klimawandel und AlltagshandelnDie hes­si­sche Lan­des­stif­tung der Hein­rich-Böll-Stif­tung, der BUND und das Insti­tut für sozi­al-öko­lo­gi­sche For­schung (ISOE) haben mit dem jetzt erschie­ne­nen Band Kli­ma­wan­del und All­tags­han­deln nicht nur die Doku­men­ta­ti­on einer im Herbst 2006 statt­ge­fun­de­nen Tagung her­aus­ge­ge­ben, son­dern bie­ten – an der Gren­ze zwi­schen Wis­sen­schaft und Poli­tik – einen guten Über­blick über den aktu­el­len Stand zur Fra­ge, was im All­tag kli­ma­po­li­tisch und kli­ma­schüt­ze­risch getan wer­den kann.

Der Band glie­dert sich, grob gesagt, in drei The­men­ge­bie­te. Im ers­ten, „Kli­ma­wan­del, Kli­ma­po­li­tik, Kli­ma­schutz“, gibt Uwe Frit­sche vom Öko-Insti­tut einen kon­zi­sen Über­blick über den Wis­sens­stand zum Kli­ma­wan­del und reißt Hand­lungs­fel­der an. Klaus Wort­mann dis­ku­tiert das The­ma Ener­gie­spa­ren im Haus­halt his­to­risch, d.h. er arbei­tet sozu­sa­gen Geschich­te der „Ener­gie­spar­be­we­gung“ seit den 1970er Jah­ren mit ihren Höhen und Tie­fen, poli­ti­schen Zuwen­dun­gen und all­täg­li­chen Rück­zü­gen auf. Anja Wir­sing schließ­lich stellt eine Foto­ak­ti­on vor, mit der Frau­en zum inter­na­tio­na­len Frau­en­tag Kli­ma­bot­schaf­ten posi­tio­nie­ren (das Buch ist damit illustriert).

Im zwei­ten Abschnitt geht es dann um die Rah­men­be­din­gun­gen. Wer­ner Neu­mann dis­ku­tiert wirt­schaft­li­che und struk­tu­rel­le Pro­ble­me des Poli­tik­fel­des Ener­gie­ef­fi­zi­enz. Aus der Sicht des Ver­brau­cher­schut­zes betrach­tet Hol­ger Kra­win­kel Glüh­bir­nen­ver­bo­te und ähn­li­che Aktio­nen und plä­diert für ein Minis­te­ri­um mit gebün­del­ter Ener­gie­spar­kom­pe­tenz. Hans Acker­mann zeigt, wo tat­säch­lich Ein­spar­po­ten­zia­le lie­gen und Hans-Peter Frank dis­ku­tiert das Strom­spar­för­der­pro­gramm der Stadt­wer­ke Marburg.

Für mich am span­nends­ten der drit­te Teil des Buchs: „Die all­täg­li­che Pra­xis: Im All­tag kli­ma­scho­nend han­deln“. Imma­nu­el Stieß vom ISOE geht aus­führ­lich auf eine all­tags­öko­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve in der Kli­ma­dis­kus­si­on ein. Dabei geht es nicht nur um die ener­ge­ti­schen Effek­te ver­schie­de­ner Bedürf­nis­fel­der und die all­täg­li­chen Hand­lungs­mög­lich­kei­ten; die­se all­tags­öko­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve wird in den Rah­men des gro­ßen Wand­lungs­pro­zes­ses der Tech­ni­sie­rung und Ver­wis­sen­schaft­li­chung all­täg­li­chen Han­delns gestellt. Ein­dring­lich macht Stieß klar, war­um Kon­su­men­tIn­nen und Haus­hal­te Schlüs­sel­ak­teu­re für den Kli­ma­schutz sind – und wie ein prak­ti­ka­bler Weg zu einem post­fos­si­len All­tag aus­se­hen kann. Er nennt hier ins­be­son­de­re vier Punkte: 

  • Ener­gie­ef­fi­zi­en­te Ange­bo­te und Pro­duk­te müs­sen in die all­täg­li­che Lebens­füh­rung inte­grier­bar sein, sie müs­sen „all­tags­kom­pa­ti­bel, breit ver­füg­bar und leicht zu hand­ha­ben sein“ und sich in All­tags­rou­ti­nen inte­grie­ren lassen. 
  • Infor­ma­ti­on zum Kli­ma­schutz muss eine ein­fa­che Ori­en­tie­rung erlau­ben, als Posi­tiv­bei­spiel nennt Stieß die EU-Ener­gie­ver­brauchsla­ben von A++ bis G. 
  • Die unter­schied­li­che Lebens­wirk­lich­keit unter­schied­li­cher Bevöl­ke­rungs­grup­pen muss berück­sich­tigt werden. 
  • Die unter­schied­li­chen Hand­lungs­mög­lich­kei­ten und ‑res­sour­cen unter­schied­li­cher Grup­pen müs­sen berück­sich­tigt sein, bspw. sind die Anfangs­in­ves­ti­tio­nen in spar­sa­me Gerä­te schwie­rig – es kann sich nicht jeder leis­ten, spar­sam zu sein. 

Als wei­te­re Posi­tiv­fak­to­ren nennt Stieß all­tags­na­he und gut ver­ständ­li­che Öko-Rat­ge­ber, die Eco­T­op­Ten-Initia­ti­ve des Öko-Insti­tuts und neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men wie Stromwechsel-Partys.

Red light

Elke Dünn­hoff vom Hei­del­ber­ger ifeu geht im Detail auf Grün­de ein, die das Ener­gie­spa­ren erschwe­ren. Dazu gehört die zuneh­men­de tech­ni­sche Aus­stat­tung der Haus­hal­te (von Kaf­fee­ma­schi­nen über Mobil­te­le­fo­ne bis zur Wasch­ma­schi­ne und zur Glüh­bir­ne), dabei zuneh­mend „intel­li­gen­te“ Gerä­te mit Stand­by-Modus. Hand­lungs­an­sät­ze in pri­va­ten Haus­hal­ten glie­dert sie nach den drei Maß­nah­men­ar­ten „Nut­zungs­ver­hal­ten“, „Klein­in­ves­ti­tio­nen“ und „Kauf­ent­schei­dun­gen“. Wich­tig an ihrem Bei­trag fin­de ich, dass sie aus­führ­lich auf Hemm­nis­se zum Strom­spa­ren ein­geht, u.a. dass der Strom­ver­brauch der Gerä­te nicht sicht­bar ist.

Zum Teil All­tags­öko­lo­gie gehö­ren wei­ter­hin ein Bericht von Hans Acker­mann aus dem All­tag eines Ener­gie­spar­haus­halts und ein Über­blick von Ramo­na Sief­ke über Erfah­run­gen aus der Ener­gie­be­ra­tung der Verbraucherzentralen. 

Ein wich­ti­ges The­ma spre­chen zwei wei­te­re Bei­trä­ge an – ein­mal wis­sen­schafts­nah (Stieß und Dünn­hoff) und ein­mal prak­tisch (Bet­ti­na Sicken­ber­ger) geht es um das Zusam­men­brin­gen von Energiesparpolitik/Energiekostenanstieg und sozia­len Kon­se­quen­zen, Sozi­al­po­li­tik. Stieß und Dünn­hoff berich­ten über eine mit der Hans-Böck­ler-Stif­tung durch­ge­führ­te Stu­die zu den Aus­wir­kun­gen stei­gen­der Ener­gie­kos­ten auf Haus­hal­te, die ALG II bzw. Sozi­al­hil­fe bezie­hen. Sicken­ber­ger stellt den „Ein­spar­ser­vice“ der Cari­tas Frank­furt am Main vor, bei der „Arbeits­lo­se“ zur Vor-Ort-Ener­gie­be­ra­tung ein­ge­setzt werden.

Doris Hayn (ISOE) schließ­lich macht in ihrem Bei­trag zum Ernäh­rungs­han­deln deut­lich, dass Kli­ma­ef­fek­te all­täg­li­chen Han­delns nicht nur dort statt­fin­den, wo direkt Strom durch irgend­wel­che Gerä­te fließt. Zugleich geht es dar­um, wie schwie­rig es ist, die ver­steck­ten Kli­ma­ef­fek­te zu ver­rin­gern und all­täg­li­che Prak­ti­ken zu ver­än­dern. Die Dar­stel­lung der Kom­ple­xi­tät des All­tags erscheint mir sehr hilf­reich und macht sehr klar, war­um ein­fa­che Rezep­te nicht unbe­dingt funk­tio­nie­ren. Auch Hayn betont, dass kli­ma­po­li­ti­sche Hand­lungs­emp­feh­lun­gen all­tags­kom­pa­ti­bel sein müs­sen, und es nicht zu stän­di­gen Abwä­gungs­pro­zes­sen kom­men kann. Zugleich hält sie fest, dass das Hand­lungs­feld Ernäh­rung deut­lich zeigt, dass Kli­ma­schutz letzt­lich „(ein­schnei­den­de) Ver­än­de­run­gen von Ver­brauchs- und Kon­sum­ge­wohn­hei­ten, von Lebens­wei­sen und Lebens­sti­len“ not­wen­dig machen wird. Da braucht es zwar auch Umwelt­rat­ge­ber, die all­tags­kom­pa­ti­ble Tipps geben, aber noch viel mehr Unter­stüt­zung der pri­va­ten Akteu­re durch poli­ti­sche Rah­men und wirt­schaft­li­che Angebote.

Das Buch wird ergänzt durch eine Kurz­vor­stel­lung der betei­lig­ten Ein­rich­tun­gen und einen Über­blick über Web­sites und Umwelt­rat­ge­ber für Klimaschutz.

Wie auch schon in der Gewich­tung in die­ser Kri­tik deut­lich gewor­den ist, sind eini­ge Tei­le des Buches für mich sehr viel inter­es­san­ter als ande­re. Neben dem Über­blick über den Stand der wis­sen­schaft­lich-poli­ti­schen Kli­ma­de­bat­te sind dies vor allem die expli­zit all­tags­öko­lo­gi­schen Bei­trä­ge. Bei ande­ren schim­mert dann doch zu sehr der Vor­trags­stil einer Tagung durch; statt wei­ter­ge­hen­den Infor­ma­tio­nen fin­det sich dann das tex­tu­el­le Äqui­va­lent einer Power­Point-Prä­sen­ta­ti­on. Das und der rela­tiv hohe Preis sind sicher­lich Punk­te, die gegen Kli­ma­wan­del und All­tags­han­deln spre­chen. Für alle, die poli­tisch oder wis­sen­schaft­lich mit dem The­ma zu tun haben, ist die Anschaf­fung jedoch sinn­voll, inso­fern hier ent­schei­den­de Eck­pfei­ler für eine all­tags­ori­en­tier­te Her­an­ge­hens­wei­se an Kli­ma­po­li­tik gesetzt werden. 

* * *

Hayn, Doris / Zwen­gel, Ralf (Hrsg.) (2008): Kli­ma­wan­del und All­tags­han­deln. Essen: Klar­text. 186 Sei­ten, 14,95 Euro. Ver­lags­in­for­ma­ti­on. Bei Ama­zon bestel­len.

Stadtwerke Tübingen bauen Kohlekraftwerk in Schleswig-Holstein (Update 8: Klimacamp)

CO2hleNicht nur im Ham­bur­ger Koa­li­tons­ver­trag war „Moor­burg“ das gro­ße The­ma – also die Fra­ge, ob der Bau eines neu­en Koh­le­kraft­werks geneh­migt wird oder nicht. In den Jah­ren kli­ma­schüt­ze­ri­scher Real­po­li­tik, die jetzt auf uns zukom­men, ist der Aus­stieg aus der Koh­le – oder alter­na­tiv: die Koh­le als „Über­gangs­tech­no­lo­gie“ – der Punkt, an dem Umwelt­ver­bän­de und Grü­ne einer­seits und die gro­ßen Ener­gie­kon­zer­ne und die „Volks­par­tei­en“ ande­rer­seits auf­ein­an­der­pral­len. Das dies­jäh­ri­ge, von einem brei­ten Bünd­nis getra­ge­ne Kli­ma­camp sieht in Koh­le (Ham­burg: Koh­le­ha­fen, Vat­ten­fall, Kraft­swerks­neu­bau­ten und Expor­te) einen Kris­tal­li­sa­ti­ons­punkt. Robin Wood macht Aktio­nen zu „Moor­burg“ und „Karls­ru­he“. Der BUND hat eben­falls eine Kam­pa­gne Koh­le­kraft­wer­ke stop­pen. Bei cam­pact gibt’s einen Kli­ma-Appell gegen Koh­le. Und die Grü­nen: die erst recht. Zum Bei­spiel mit der Betei­li­gung an der Demo gegen ein Koh­le­kraft­werk bei Mann­heim. Und auch für die umwelt­po­li­ti­sche Spre­che­rin der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, Syl­via Kot­ting-Uhl, ist der Umgang mit Koh­le und der „Clean-Coal“-Schimäre ein zen­tra­les kli­ma­po­li­ti­sches The­ma. Soweit könn­te fast der Ein­druck ent­ste­hen, dass die Bau­plät­ze der neu geplan­ten Koh­le­kraft­wer­ke so etwas wie das Wyhl oder Bruns­büt­tel unse­rer Gene­ra­ti­on wer­den könnten. 

Aller­dings schei­nen das nicht alle so zu sehen. Der von mir durch­aus geschätz­te Tübin­ger Ober­bür­ger­meis­ter Boris Pal­mer hat zwar erst vor kur­zem eine hoch­wer­ti­ge Kli­ma­schutz-Kam­pa­gne „Tübin­gen macht blau“ (sie­he auch hier) gestar­tet. Aber jetzt ist er doch aus etwas selt­sa­men Grün­den in die Schlag­zei­len gera­ten, näm­lich mit der Betei­li­gung der Tübin­ger Stadt­wer­ke an einem Koh­le­kraft­werks­neu­bau in Brunsbüttel: 

Der Tübin­ger Ober­bür­ger­meis­ter Boris Pal­mer (Grü­ne) ver­tei­digt die Betei­li­gung sei­ner Stadt am Bau eines gigan­ti­schen Koh­le­kraft­werks in Schles­wig-Hol­stein: „Wir dür­fen neue Kraft­werks­pro­jek­te nicht um den Preis ver­hin­dern, dass alte inef­fi­zi­ent wei­ter lau­fen“, sagt Pal­mer der ZEIT und stellt sich damit gegen sei­ne Par­tei, die neue Koh­le­kraft­wer­ke ablehnt. Tübin­gen wol­le sich von den gro­ßen Ener­gie­ver­sor­gern unab­hän­gig machen, sagt Pal­mer und fährt fort: „Denn wenn die Stadt­wer­ke ster­ben, hat man kei­ne Chan­ce, den völ­lig ver­krus­te­ten Strom­markt öko­lo­gisch neu aus­zu­rich­ten.“ Aller­dings sei es auch sein Ziel, einen „ener­gie­po­li­ti­schen Rah­men“ zu schaf­fen, „der alle Koh­le­kraft­wer­ke über­flüs­sig und unwirt­schaft­lich macht“.

Damit hat Boris zwar mal wie­der bewie­sen, dass er es her­vor­ra­gend schafft, die grü­ne Par­tei bei Bedarf als Kon­trast­fo­lie zu benut­zen, um sich selbst beson­ders her­vor­he­ben zu kön­nen. Inhalt­lich scheint mir der Schluss von „Stadt­wer­ke müs­sen über­le­ben“ (rich­tig) zu „wir betei­li­gen uns an einem Koh­le­kraft­werk“ feh­ler­haft. EWS und ande­re machen vor, dass wirt­schaft­lich erfolg­rei­che Ener­gie­pro­duk­ti­on – selbst ohne kom­plett rege­ne­ra­tiv auf­ge­stellt zu sein – auch ohne Koh­le mach­bar ist. Es gibt Alter­na­ti­ven, und jetzt die fal­schen ener­gie­po­li­ti­schen Wei­chen für die nächs­ten 30 Jah­re zu stel­len, muss ein­fach nicht sein.

Noch dazu hat die Sache inso­fern einen unschö­nen Bei­geschmack, als die Luft­li­ni­en­ent­fer­nung von Tübin­gen nach Schles­wig-Hol­stein doch recht groß ist. Wenn Boris mit den Tübin­ger Stadt­wer­ken unbe­dingt ein Koh­le­kraft­werk mit­bau­en will, dann soll er das halt im Länd­le ver­su­chen – aber bit­te nicht in Karls­ru­he oder Mann­heim (s.o.). Noch bes­ser wäre es jedoch, das finan­zi­el­le Enga­ge­ment zukunfts­fä­hi­ger zu platzieren. 

War­um blog­ge ich das? Weil mich die Argu­men­ta­ti­on des Tübin­ger Ober­bür­ger­meis­ters doch ein biß­chen stört. Und der „deut­sche Barack Oba­ma“, wie er viel­leicht bald genannt wer­den wird, kann’s eigent­lich bes­ser. Was also soll das?

Update: (22.5.2008) Eine beson­ders inter­es­san­te Note erhält das gan­ze dadurch, dass in weni­gen Tagen Kom­mu­nal­wah­len in Schles­wig-Hol­stein sind – und die Grü­nen dort u.a., und rich­ti­ger­wei­se, einen kla­ren Anti­koh­le-Schwer­punkt gesetzt haben. 

Update 2: Der Kon­stan­zer OB Horst Frank, eben­falls ein Grü­ner, setzt sich gegen eine Betei­li­gung der Kon­stan­zer Stadt­wer­ke an dem in Bruns­büt­tel geplan­ten Kraft­werk ein. Die dor­ti­gen Stadt­wer­ke sind aller­dings eben­falls dafür. Horst Frank wird in dem Arti­kel mit fol­gen­der Aus­sa­ge zitiert: „Die Stadt­wer­ke [Kon­stanz] soll­ten mit der Süd­west­strom ver­han­deln, war­um sie nicht auf ein Gas­kraft­werk setzt.“ Dar­um geht es. Die Süd­west­strom Kraft­werk GmbH&Co KG, die das Koh­le­kraft­werk in Bruns­büt­tel bau­en will, ist übri­gens ein Zusam­men­schluss von Stadt­wer­ken aus Süddeutschland.

An die­ser Stel­le viel­leicht auch noch eine Klar­stel­lung zu mei­ner etwas rei­ße­ri­schen Über­schrift – natür­lich sind es nicht die Stadt­wer­ke Tübin­gen allein, viel­mehr sind die­se nur mit einem Anteil von 0,4 % / 2 Mio. Euro betei­ligt, und erzeu­gen (so jeden­falls die Aus­kunft von Boris) über 90 % ihres Stroms nicht in Kohlekraftwerken. 

Update 3: (25.5.2008) Der Voll­stän­dig­keit hal­ber hier noch der Ver­weis auf das Posi­ti­ons­pa­pier der Stadt­wer­ke Tübin­gen zu die­sem Thema.

Update 4: (27.5.2008) Zur Situa­ti­on in Bruns­büt­tel – und dem vor Ort fast völ­lig feh­len­den Wider­stand – ist die­ser ZEIT-Arti­kel recht lesenswert.

Update 5: (3.6.2008) In einer heu­te ver­öf­fent­lich­ten Pres­se­mit­tei­lung der Tübin­ger Grü­nen (lei­der nicht online) heißt es „Kreis­vor­stand von Bünd­nis 90/DIE GRÜNEN, Lan­des­vor­stands­mit­glied Chris­ti­an Kühn und Win­fried Her­mann, MdB gegen Tübin­ger Ein­stieg in das Koh­le­ge­schäft“. Damit stellt sich natür­lich die Fra­ge, wer außer Boris eigent­lich den Ein­stieg der öko­b­lau­en Stadt in die Koh­lestrom­pro­duk­ti­on möch­te. Und ob das die rich­ti­gen Bünd­nis­part­ner für den grü­nen Ober­bür­ger­meis­ter sind.

Update 6: (26.6.2008) Ob’s stimmt, weiss ich nicht, aber den Link woll­te ich doch noch hier unter­brin­gen: heu­te steht in der Tele­po­lis ein kur­zer Arti­kel, in dem behaup­tet wird, dass das Kraft­werk in Bruns­büt­tel eigent­lich ein Gas­kraft­werk (viel­leicht sogar ein GuD-Kraft­werk?) in Wert­heim sein soll­te, dort aber von einem grün ange­führ­ten Bür­ger­ent­scheid ver­hin­dert wur­de. Wenn’s so ist, ist’s scha­de. Aber viel­leicht lässt sich ja auch anders­wo ein bes­se­res Kraft­werk als ein Koh­le­gi­gant hinstellen.

Update 7: (3.7.2008) Ein paar inter­es­san­te Hin­wei­se zum glo­ba­len Kon­text, z.B. zu einem mög­li­cher­wei­se geplan­ten zwei­jäh­ri­gen Mora­to­ri­um für Koh­le­kraft­wer­ke in Groß­bri­tan­ni­en, bei Nature/TheGreatBeyond.

Update 8: (10.8.2008) Spree­blick berich­tet anläss­lich des Ham­bur­ger bri­ti­schen Kli­ma­camps über Koh­le. (Upps, genau­er lesen: nicht nur in Ham­burg wird klimagecampt).

Notizen zu Praxistheorie und Umweltverhalten, Teil III

I am a hard bloggin' scientist. Read the Manifesto.

Das hier ist der drit­te Blog­ein­trag einer Serie, in der ich den Zusam­men­hang von Pra­xis­theo­rie und Umwelt­ver­hal­ten erläu­tern will – vor allem, um mei­ne eige­nen, noch recht rohen Gedan­ken zu ordnen. 

Im ers­ten Teil ging es um eine kur­ze Ein­füh­rung in die Pra­xis­theo­rie, im zwei­ten Teil habe ich mir all­ge­mei­ne Gedan­ken um „mensch­li­ches Umwelt­ver­hal­ten“ gemacht. Jetzt soll es dar­um gehen, ein Kon­zept dafür zu ent­wi­ckeln, bei­des zusammenzubringen.
„Noti­zen zu Pra­xis­theo­rie und Umwelt­ver­hal­ten, Teil III“ weiterlesen