Generationengraben

Gene­ra­tio­nen sind ja eine sozio­lo­gisch eher frag­wür­di­ge Grup­pen­bil­dung – längst nicht alle Men­schen (in einem Land) mit in etwa den sel­ben Geburts­jahr­gän­gen tei­len die sel­ben Wer­te und Ein­stel­lun­gen oder leben unter den sel­ben Bedin­gun­gen. Inso­fern sind Ein­tei­lun­gen wie „Boo­mer“, „Gene­ra­ti­on X“, „Gene­ra­ti­on Y“ oder „Gene­ra­ti­on Z“ mit Vor­sicht zu genie­ßen. Trotz­dem gibt es so etwas wie vor­herr­schen­de poli­ti­sche Stim­mun­gen, pop­kul­tu­rel­le und dis­kur­si­ve The­men, die genau­so wie Ereig­nis­se (Mau­er­bau, Mau­er­fall, 9/11, Coro­na, …) und Ände­run­gen der Lebens­be­din­gun­gen (ver­füg­ba­res Ein­kom­men, erleb­te Infra­struk­tur, …) in der Ado­les­zenz eine gemein­sa­me Prä­gung über ande­re sozio­de­mo­gra­fi­sche Merk­ma­le (Geschlecht, Klas­se, Schicht, Eth­ni­zi­tät, …) plau­si­bel erschei­nen las­sen. Soll hei­ßen: auch wenn die Zuge­hö­rig­keit zu einer bestimm­ten Gene­ra­ti­on wenig über eine ein­zel­ne Per­son aus­sagt, scheint es doch nicht ganz unsin­nig zu sein, über Gene­ra­tio­nen im Plu­ral zu spre­chen, um Ver­än­de­run­gen der Lebens­be­din­gun­gen (in einem Land) abzubilden.

Mit dem Geburts­jahr­gang 1975 (den ich plus minus ein paar Jah­re mit vie­len Men­schen tei­le, die jetzt beruf­lich und fami­li­är „ange­kom­men“ sind), wäre ich dem­nach ein Mit­glied der „Gene­ra­ti­on X“ (1965–1980), eine Bezeich­nung, die mit Dou­glas Cou­p­lands gleich­na­mi­gem Buch popu­lär gewor­den ist – oder nach Flo­ri­an Illies für Deutsch­land: „Gene­ra­ti­on Golf“. Neben diver­sen pop­kul­tu­rel­len Eigen­hei­ten (Fern­seh­pro­gramm!) und einer gan­zen Rei­he von sozia­li­sa­ti­ons­re­le­van­ten Sub­kul­tu­ren zeich­net sich die Gene­ra­ti­on X, zumin­dest wenn der Wiki­pe­dia geglaubt wer­den darf, dadurch aus, 

„… dass ihr pro­phe­zeit wur­de, dass sie sich erst­mals ohne Kriegs­ein­wir­kung mit weni­ger Wohl­stand und öko­no­mi­scher Sicher­heit begnü­gen müs­se als die Eltern­ge­nera­tio­nen, aber ande­rer­seits für deren öko­no­mi­sche und öko­lo­gi­sche Sün­den büße.“

Das ist das „no future“, das in ver­schie­dens­ten Aus­prä­gun­gen seit der Jugend der Gene­ra­ti­on X über unse­ren Häup­tern schwebt – Angst vor dem Atom­krieg, die Atom­un­fall­angst nach Tscher­no­byl, ein zyni­sches Ver­hält­nis zur Blüm­schen Ren­ten­si­cher­heit, usw. … 

Aus heu­ti­ger Sicht scheint der gro­ße Gene­ra­tio­nen­gra­ben aller­dings zwi­schen Baby­boo­mern und Gene­ra­ti­on X auf der einen Sei­te und allen nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen – begin­nend mit den Ange­hö­ri­gen der Millenial-„Generation Y“ – zu ver­lau­fen. Wirt­schaft­lich hat das Ende des Kal­ten Kriegs und der Inter­net­boom noch­mal ein biss­chen Auf­schub ver­schafft, die har­ten öko­lo­gi­schen Fol­gen wer­den erst jetzt spür­bar. Damit ist die Gene­ra­ti­on X bei aller Skep­sis und bei aller selbst­iro­ni­schen Ver­lie­rer­be­schrei­bung aktu­ell Teil der­je­ni­gen, die die „gute alte Zeit“ wei­ter­tra­gen will, die am Ein­fa­mi­li­en­häus­chen­ide­al fest­hält, die tief im Inne­ren doch an Wachs­tum und ein bes­se­res Mor­gen glaubt. Nicht unbe­dingt die bes­ten Vor­aus­set­zun­gen dafür, jetzt die wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Wei­chen rich­tig zu stellen.

Der Gene­ra­ti­on Y, und erst recht der jetzt ins Berufs- und Erwach­se­nen­le­ben ein­tre­ten­den Gene­ra­ti­on Z, wer­den ganz ande­re Wer­te zuge­schrie­ben. Selbst­ver­wirk­li­chung, selbst­ver­ständ­lich gewor­de­ne digi­ta­le Medi­en, der Rück­zug ins Pri­va­te, die neue Poli­ti­sie­rung, Fach­kräf­te­man­gel und Welt­ver­bes­se­rung. Die hart auf­schla­gen­de Kli­ma­kri­se, Fri­days for Future, die Pan­de­mie, ein Ende des Endes der Geschich­te, neue geo­po­li­ti­sche Situa­tio­nen, der rus­si­sche Krieg und die brö­ckeln­de wirt­schaft­li­che Glo­ba­li­sie­rung bei selbst­ver­ständ­li­chem indi­vi­du­el­lem Welt­bür­ger­tum … all das könn­te die Lebens­welt beschrei­ben, in der die Ange­hö­ri­gen die­ser Alters­ko­hor­ten erwach­sen werden. 

Aus der Zukunft betrach­tet, neh­men wir das Jahr 2050 oder 2070: Für die Ange­hö­ri­gen „mei­ner“ Gene­ra­ti­on sind die 2020er Jah­re eine Zei­ten­wen­de, ein Ende der Gewiss­heit. Für uns hört etwas auf, bricht etwas ab. Eigent­lich soll all die­sen Umbrü­che zum Trotz alles so wei­ter­ge­hen wie bis­her – bit­te! Und es gibt vie­le, die sich an die­se Hoff­nung klam­mern, bis hin zur Ver­drän­gung der Katastrophe.

Für die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen waren die 2020er Jah­re ein Beginn, der Anfang von etwas Neu­em, das erst ent­steht und auf­ge­baut wer­den muss. Die­ses Neue geht von der radi­ka­len Akzep­tanz der Kli­ma­kri­se aus. Dadurch – und durch das Erle­ben der Kri­sen­jah­re – ver­schie­ben sich Prio­ri­tä­ten. Wer sei­ne Ado­les­zenz zwi­schen 2000 und 2020 ver­bracht hat, lebt in einer fra­gi­le­ren Welt. Nicht nur das Kli­ma ist zer­brech­lich. Die Coro­na-Pan­de­mie hat sozia­len Zusam­men­halt und die Arbeits­welt erschüt­tert. Die Abhän­gig­keit von glo­ba­len Lie­fer­ket­ten ruft Fra­ge­zei­chen her­vor. Ein „das war schon immer so“ ist in die­ser neu­en Situa­ti­on nicht mehr akzep­ta­bel – egal, ob es um Beruf, um Bil­dung, um Geschlech­ter­ver­hält­nis­se oder anders geht. Extrem gut gebil­de­te, selbst­ver­ständ­lich inter­na­tio­nal ver­netz­te Ange­hö­ri­ge der Gene­ra­tio­nen Y und Z haben im Rück­blick die Chan­ce ergrif­fen, eine neue Welt zu bau­en. Nicht als Uto­pie, son­dern aus schie­rer Not­wen­dig­keit heraus.

Gene­ra­tio­nen­be­grif­fe sind Ver­su­che, sich ändern­de Lebens­be­din­gun­gen und Deu­tungs­mus­ter zu ver­ste­hen. Sie tref­fen kei­ne Aus­sa­gen über ein­zel­ne Per­so­nen. Inso­fern gibt es sicher­lich Älte­re, die Anschluss an das Mind­set der Gene­ra­tio­nen Y/Z fin­den, und Jün­ge­re, die auf Wei­ter so mit Häus­le bau­en set­zen. In der Sum­me neh­me ich hier aber eine Ver­än­de­rung wahr – und eben einen gro­ßen Gra­ben zwi­schen denen, die bis etwa 1980 gebo­ren sind und an eine alte Welt ver­tei­di­gen wol­len, die immer so wei­ter­läuft; und den Jün­ge­ren, denen die­se Hoff­nung ent­ris­sen wurde. 

Leseempfehlung: Ruthanna Emrys – A Half-Built Garden

Gra­de erst habe ich mei­ne SF-Sam­mel­be­spre­chung gepos­tet, die nächs­te dau­ert noch ein biss­chen – aber von die­sem Buch war ich so begeis­tert, dass ich es außer­halb der Rei­he unbe­dingt ans Her­zen legen möchte.

Rut­han­na Emrys sag­te mir bis­her nichts, ihre vor­he­ri­gen Wer­ke schei­nen eher in Rich­tung Hor­ror-Sub­ver­si­on zu gehen, nicht unbe­dingt mein Feld. Mit A Half-Built Gar­den (2022) ist jetzt bei Tor ein lupen­rei­ner Sci­ence-Fic­tion-Roman von ihr erschie­nen, der nicht nur an Le Guin erin­nert – wor­auf bereits der Klap­pen­text auf­merk­sam macht – son­dern für mich auch Anklän­ge an Mar­ge Pier­cys He, She and It (1992) auf­weist, etwa mit Blick auf die jüdi­schen Fei­er­ta­ge und Ritua­le, die im Buch eine Rol­le spie­len, mit Cory Doc­to­rows Wal­ka­way (2017) einen Raum für zeit­ge­nös­si­sche Uto­pien eröff­net, Kim Stan­ley Robin­sons tie­fen Blick für öko­lo­gi­sche Zusam­men­hän­ge auf­nimmt und eine Idee aus Karl Schroe­ders Ste­al­ing Worlds (2019) zu Ende denkt: die enge Ver­net­zung von Men­schen und Natur, die in tech­no­lo­gi­scher Umset­zung von Bru­no Latours Aktor-Net­work-Theo­ry stattfindet.

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Eine sanftere Zeit

Fowl V

Krieg in Euro­pa. Eine Zei­ten­wen­de, eine neue Geo­po­li­tik. Die gro­ßen Kri­sen, die mehr und mehr den All­tag bestimmen.

Das alles ruft, um in den übli­chen Phra­sen zu blei­ben, nach „einer har­ten Hand“, nach „kla­rer Kan­te“, nach „Zumu­tun­gen und Ein­schrän­kun­gen“, oder, auf die Spit­ze getrie­ben, nach „Blut, Schweiß und Trä­nen“. Die Zei­ten­wen­de, der Bruch zwi­schen vor­her und nach­her gehört zu die­sem Inven­tar, die neue Bedeu­tung der Bun­des­wehr, und eben­so Debat­ten dar­über, ob kalt duschen, unge­heiz­te Woh­nun­gen und har­te Sank­tio­nen ange­mes­sen sind oder nicht.

In die­sem Kon­text liegt es erst ein­mal nicht nahe, über eine sanf­te­re Zeit zu spekulieren. 

Trotz­dem glau­be ich, dass es die­se Opti­on gibt. Kei­ne Angst: ich mei­ne damit nicht, jetzt ein­fühl­sam Putins ver­letz­te See­le ver­ste­hen zu wol­len und das All­heil­mit­tel „Gesprä­che“ aus der 80er-Jah­re-Akten­ta­sche mit dem Frie­dens­tau­ben­auf­kle­ber zu holen. Das ist in die­ser Situa­ti­on nicht die rich­ti­ge Ant­wort, außen­po­li­tisch scheint „Stär­ke“ lei­der tat­säch­lich gefragt und wirk­sam zu sein. 

Aber wen­den wir den Blick nach innen. 

Wir kom­men aus einer sehr indi­vi­dua­lis­ti­schen Epo­che. Einer Epo­che, in der Protz und Ange­be­rei für man­che zum guten Ton gehör­te. Eine, in der irgend­wie alles mög­lich war, auch des­we­gen, weil weder die Her­stel­lungs­be­din­gun­gen noch die Umwelt­fol­gen von all dem irgend­wen inter­es­sie­ren muss­ten. Wir konn­ten es uns gut gehen las­sen. Also, jeder für sich! 

Jeden­falls die, die es sich leis­ten konn­ten. Die ande­ren inter­es­sier­ten nicht. Und in den fort­schritt­li­che­ren Milieus wur­de der indi­vi­du­el­le Kon­sum in schö­ne Erd­far­ben getunkt, etwas Beige hier, etwas Oli­ve da, mit Nach­hal­tig­keits­sie­gel an der Flug­fern­rei­se und ganz viel Acht­sam­keit. Was ja letzt­lich auch nur heißt, immer und über­all die eige­nen Bedürf­nis­se erspü­ren zu können.

Unter­halb der Ober­flä­che die­ser Ästhe­tik – der bil­li­gen Kon­sum­äs­the­tik genau­so wie der Ästhe­tik der nach­hal­ti­gen Erd­tö­ne – stand dann aber letzt­lich doch ers­tens ein Egal­sein, ein Rück­zug ins Eige­ne – hie auf der Suche nach wil­den Erleb­nis­sen, da auf der Suche nach Sinn und Fin­dung. Und zwei­tens die Melan­ge aus Abstiegs­ängs­ten (all die Debat­ten um Pre­ka­ri­sie­rung der 2000er Jah­re), der völ­lig ins Lee­re lau­fen­den Selbst­ein­schät­zung der sozia­len Lage (hal­lo, obe­re Mit­tel­schicht) und dem oft ver­steck­ten, aber immer vor­han­de­nen Kampf ums Vor­ne-mit-Dabei­sein, ums Ers­ter-Sein, ums Bes­ser-Sein, ins­be­son­de­re im Arbeits­kon­text. Oder, um wei­te­re Zeit­geist­merk­ma­le zu nen­nen: eine Zeit für NIMBY, für Trol­lerei­en im Netz samt Radi­ka­li­sie­rungs­spi­ra­le, für laut­star­ke Schlag­zei­len und bil­li­gen Humor.

Mög­li­cher­wei­se, und das mei­ne ich mit der Spe­ku­la­ti­on über sanf­te­re Zei­ten, ändert sich die­se Hal­tung gera­de grund­le­gend. Ich hal­te das für mög­lich, weil ein paar Din­ge zusammenkommen. 

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Photo of the week: Stuttgart green

Stuttgart green

 
Vor ein paar Tagen war ich – was zur Zeit pan­de­mie­be­dingt lei­der wei­ter­hin sel­ten vor­kommt – in Stutt­gart. Und habe fest­ge­stellt, dass der algi­ge Ecken­see im Regen ganz hübsch aus­se­hen kann. Links im Bild übri­gens das von der Oper her­un­ter­ge­weh­te Kup­fer­dach, dass jetzt als Kli­ma­wan­del­mahn­mal im See liegt. 

Halbjahr

Das Jahr 2022 ist schon wie­der zur Hälf­te vor­bei. Der Som­mer ist mit vol­ler Wucht da, der Gar­ten summt und blüht, die Kin­der wach­sen und gedei­hen. Und poli­tisch: grü­ne Gestal­tungs­mehr­hei­ten auf allen Ebe­nen. Alles pri­ma, also?

Lei­der fühlt sich das gar nicht so an. Die letz­ten Supre­me-Court-Ent­schei­dun­gen in den USA, die den einen oder ande­ren post-apo­ka­lyp­ti­schen SF-Roman plötz­lich ganz rea­lis­tisch erschei­nen las­sen. Der Krieg in der Ukrai­ne. Brenn­glas: Die wirt­schaft­li­chen Fol­gen der fata­len Abhän­gig­keit von Gas und Erd­öl. Der allen Kli­ma­schutz­maß­nah­men der letz­ten zwan­zig, drei­ßig Jah­re zum trotz nahe­zu line­ar wach­sen­de CO2-Aus­stoß, der von Jahr zu Jahr deut­li­che­re Fol­gen hat. Und die­se Pan­de­mie ist auch noch da, mit der Pro­gno­se eines hohen Infek­ti­ons­pla­teaus bis zum Herbst, um dann in die nächs­te „rich­ti­ge“ Wel­le überzugehen.

Vor die­sem Hin­ter­grund wir­ken alle poli­ti­schen Erfol­ge klein – gesell­schafts­po­li­tisch zum Bei­spiel die Strei­chung von § 219a, die Ankün­di­gung, dass in einem Jahr ein Selbst­be­stim­mungs­ge­setz da sein soll, und auch die Schrit­te, die wir bei­spiels­wei­se im Land unter­neh­men, um ein kli­ma­neu­tra­les Baden-Würt­tem­berg hin­zu­krie­gen. Das ist ambi­tio­niert, und kommt doch zu spät, wenn die Sze­na­ri­en des IPCC stimmen. 

In der Sum­me fühlt sich Poli­tik­ma­chen gera­de sehr danach an, im hef­ti­gen Gegen­wind nicht zurück­zu­fal­len – wäh­rend gleich­zei­tig ein Abgrund auf uns alle zukommt. Oder, um ein ande­res Bild zu wäh­len: Löcher zu stop­fen, wäh­rend immer wie­der neu ent­ste­hen, und die Zahl der ver­füg­ba­ren Arme und Hän­de begrenzt ist.

Es geht dar­um, zu tun, was not­wen­dig ist (und was auf­grund all der Zwän­ge, die zu Poli­tik dazu­ge­hö­ren, von Koali­tio­nen über Haus­hal­te bis zum Meh­re­be­nen­sys­tem, dann nur in einer abge­schlif­fe­nen Form mög­lich ist). Raum dafür, zu tun, was sinn­voll wäre, aber eben nicht not­wen­dig ist, bleibt kaum.

Frü­her konn­te ich mich für Uto­pien begeis­tern, auch als Mit­tel, um zu zei­gen, dass es anders sein könn­te. Heu­te habe ich die Befürch­tung, dass jede Uto­pie als Ver­spre­chen auf eine bes­se­re Zukunft nur dazu bei­trägt, da weg­zu­se­hen, wo jetzt – eigent­lich schon vor­ges­tern – etwas getan wer­den muss. Durch­wurs­teln hat uns in die Lage gebracht, in der wir heu­te sind – und trotz­dem wäre es fatal, jetzt auf gro­ße Lösun­gen und radi­ka­le Neu­an­fän­ge zu set­zen und dar­über das, was jetzt getan wer­den kann, nicht zu tun. Es wür­de auch anders gehen, es geht auch anders. Im Detail tau­chen dann beim Weg dahin aber doch immer wie­der neue Löcher auf. Am liebs­ten da, wo es um Infra­struk­tur geht, um das Bahn­netz, um Breit­band­an­bin­dun­gen, um die gro­ßen Strom­tras­sen für ein auf Son­ne, Wind und Spei­cher set­zen­des Netz – und das sind dann alles Löcher, die eigent­lich schon vor Jah­ren hät­ten gestopft wer­den müs­sen, um jetzt han­deln zu kön­nen. Der Gegen­wind frischt wei­ter auf, der Abgrund rückt näher. 

Halb­zeit des Jah­res 2022, und ich bin mit der Lage der Welt über­haupt nicht zufrie­den. Je nach Per­spek­ti­ve mag das ein loka­ler Tief­punkt sein: der Abgrund als Tal, das im Rück­blick, wenn es denn end­lich durch­quert ist, gar nicht mehr so furcht­ein­flö­ßend aus­sieht. Eini­ges deu­tet lei­der dar­auf hin, dass die­ses Bild nicht stimmt, dass wir uns viel­mehr dar­auf ein­stel­len müs­sen, dass die bes­se­ren und küh­le­ren Jah­re auf lan­ge Zeit hin­ter uns lie­gen, und Poli­tik für eine Gene­ra­ti­on nicht Gestal­tung bedeu­tet, son­dern per­ma­nen­ter Kampf dar­um, die rich­ti­gen Löcher zu stop­fen und dabei nicht all zu vie­le neue ent­ste­hen zu las­sen. Und das muss trotz­dem getan werden.