Manchmal lohnt es sich, früh aufzustehen. Dann können nicht nur Eisvögel (leider nur ein sehr unscharfes Foto) und Graureiher an der Dreisam beobachtet werden, sondern auch Katzen, die im fast schon herbstlichen Morgennebel über die Felder jagen.
Katze
Seit Montagmorgen ist unsere Katze verschwunden. Wer meine Twitter-Statusmeldungen liest, weiss das schon. Aufgetaucht ist sie bis heute noch nicht. Wir haben gesucht, Zettel aufgehängt, auch das Tierheim informiert. Dass Katzen mal einen Tagesausflug machen, ist nicht so ungewöhnlich. Dass Katze länger als einen Tag weg bleibt, macht mir Sorgen. Allmählich verliere ich die Hoffnung, dass sie wieder auftaucht.
Katze ist zu uns auf ähnlichem Weg gekommen, wie sie jetzt verschwunden ist. Eines Tages – das müsste jetzt sieben Jahre her sein – stand sie vor dem Fenster der Erdgeschosswohnung meiner Freundin. Maunzte kläglich, wollte was zu fressen. Sie hat was bekommen, wollte bleiben. Wir haben Zettel aufgehängt, die Besitzer gesucht. Und sie gefunden. Die hatten aber gar kein großes Interesse daran, dass „Paella“ – so nannten sie Katze – bei ihnen bleibt. Also blieb sie bei uns.
Zutraulich, was Menschen angeht. Aggressiv, wenn sie Hunde sah. Egal, wie groß: Angriff. Nicht ängstlich. Und trotz markantem Stummelschwanz – die Vorbesitzer erzählten, dass der Schwanz gebrochen war und amputiert werden musste – zu allen Katzensprüngen in der Lage.
Wie alle Katzen: eigensinnig. Duldete, im Ausgleich für Streicheleinheiten gefüttert zu werden. Dabei mäckelig, was die richtige Sorte anging, mit wöchentlich wechselnden Gewohnheiten. Sie war nur mit Mühe davon zu überzeugen, dass Tische ganz definitiv nicht Katzenterritorium sind. Versuchte es trotzdem immer wieder, wusste ganz genau, wie Aufmerksamkeit erzeugt werden kann: auf den Tisch klettern, auf die Zeitung springen, vor den Laptop legen.
Katze ist mit uns umgezogen. Zweimal mit meiner Freundin, dann in unsere erste gemeinsame Wohnung, und danach noch zweimal. Sie hat uns dabei ziemlich eingeschränkt – auch das muss mal gesagt werden. Sie wollte offene Fenster oder Katzenklappen. Erdgeschosswohnungen. Gärten oder naheliegende Grünanlagen. Hier im Rieselfeld hat sie sich zuletzt mit der selbstgebauten Katzenleiter ins erste Stockwerk angefreundet – und die Hausverwaltung glücklicherweise auch.
Andere Katzen: in erster Linie Grund für viel Geschrei. Kämpfe. Piratenohren.
Erstaunlich tolerant und sanftmütig dagegen gegenüber Zora. Gegenüber dem schreiendes Baby, die Katze damals noch viel größer. Gegenüber dem zerrenden, innig umarmendem, auf die Katze kletternden Krabbelkind. Und in letzter Zeit gegenüber einem frechen Mädchen, das meint, der Katze sagen zu müssen, wo es lang geht, und wenn sie sich nicht daran hielt, Katze eben rumzutragen. Nicht immer ganz sanft. Trotzdem: weitgehend ohne Kratzer, Bisse und Blessuren. Und sie nahm es auch hin, dass mit Zora und jetzt mit Rasmus nicht mehr so viel Zeit und Zuwendung für sie übrig blieb.
Die andere Seite – sagte ich schon, dass Katze ziemlich sturr sein konnte? Mein Lieblingsplatz. Meiner! Ich geh hier nicht weg! Auf dem Schreibtisch. In der Altpapierkiste. Auf dem Sessel. Im Blumentopf. Jeder Platz bald an einer dichten Schicht Katzenhaar zu erkennen.
Kuschelig. Auf einen wartend. Immer wieder kommend – bisher. In Günterstal hat sie uns teilweise bis in den Wald und bis zur Straßenbahnhaltestelle verfolgt, auf Spaziergängen oder beim Weg zur Arbeit. Anhänglich. Und manchmal auch lästig: wenn sie was in den falschen Hals bekommen hatte, und wenn dann Katzenkotze weggewischt werden musste. Das Katzenklo. Und: Urlaube und längere Abwesenheiten immer genau planen zu müssen, auch hinsichtlich der Katzenbetreuung. Ein, zweimal ist sie auch mitgekommen, in den Weihnachtsurlaub.
Mit diesen Lästigkeiten war sie für uns vielleicht auch ein bißchen der Übungsgegenstand für den Alltag mit Kindern.
Jetzt ist sie weg. Sie fehlt uns. Abends bilden wir uns ein, ihr Kratzen an der Balkontür zu hören. Ihr Maunzen. Aber da ist nichts. Sie ist nicht da.
Vielleicht taucht sie wieder auf. Wenn nicht, hoffe ich, dass ihr nichts passiert ist. Sondern dass sie gegangen ist, wie sie gekommen ist, sich neue Menschen gesucht hat. Unsere Katze. Unsere Katze? Sie war nie unsere Katze, wie jede ordentliche Katze gehörte und gehört sie letzten Endes immer nur sich selbst.