Noch läuft die Auszählung. Aber wenn ich den Prognosen der New York Times vertrauen kann – und die dahinter liegenden Zahlen, der massive Umschwung nach rechts sehen so aus – dann müsste ein Wunder geschehen, damit Kamala Harris diese Wahl noch gewinnt. Ich glaube nicht an Wunder.
Ich gehe davon aus, dass der nächste Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump sein wird – mit einer Mehrheit im Supreme Court und im Senat, wahrscheinlich auch im Repräsentantenhaus. Gleichzeitig hat dieser Trump einen Plan, egal, wie sehr er sich davon rhetorisch distanziert. Insofern ist Trump 2024 nicht Trump 2016, sondern etwas schlimmeres. Und sein Vizepräsident steht nicht für die klassische republikanische Partei, sondern für einen neuen Faschismus. Das alles in Zeiten, in denen die USA als verlässlicher Partner eigentlich gebraucht würden – im Klimaschutz, in der Verteidigung der Ukraine, im weltweiten Kampf um Demokratie. Diese Leerstelle werden wir bitter zu spüren bekommen.
2016 war ein Schock, ein böses und unerwartetes Erwachen. 2024 fühlt sich anders an. Ich hatte daran geglaubt, dass Harris eine Chance hat, dass der Schwung ihrer Kandidatur bis hierher reicht. Statt dessen hat die Polarisierung zugenommen, die zwischen Stadt und Land, zwischen Küsten und dem Landesinneren – und fast überall haben mehr Leute, bei höherer Wahlbeteiligung, Trump gewählt als vor vier bzw. sogar vor acht Jahren. Objektiv betrachtet war Biden ein guter Präsident. Gewürdigt wurde das nicht. Und ich sehe schon die Legenden, die gestrickt werden – dass die Demokraten vielleicht doch lieber einen weißen Mann hätten aufstellen sollen, dass es besser gewesen wäre, sich noch stärker auf das eine oder andere rechte Narrativ einzulassen. Und auch davor habe ich Angst.
2024 ist tiefe Frustration. Egal, ob es X war oder die Russen, oder schlimmer noch, ehrliche Begeisterung bei einer großen Zahl Wähler*innen für ein zutiefst reaktionäres Projekt – das sind alles keine guten Voraussetzungen für die kommenden Jahrzehnte. Nicht nur in den USA. Wir spüren das ja auch hier. Die Wahlen im Osten, die Wahlen in Italien und den Niederlanden, in Österreich, in Frankreich. 2025 dann eine Bundestagswahl, bei der, jede Wette, die Merz-Union voll auf Populismus-Kurs gehen wird. Muss das sein?